So., 31.10.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Keime auf Lebensmitteln
Hygienefalle "Küche"
Auch wenn alles blitzt und blinkt, eine Küche ist deshalb noch lange nicht keimfrei. Denn hier können ungeahnte Gefahren lauern: Salmonellen, Staphylokokken, Listerien, Campylobacter oder EHEC. Bei mangelnder Hygiene oder auch nur etwas Unachtsamkeit machen unzählige Keime die Küche zum Tatort und uns zu ihren unfreiwilligen Komplizen.
Was wir nicht sehen: Auf jedem natürlichen Produkt siedeln unzählige Mikroorganismen. Die meisten von ihnen sind harmlos und ihr Verzehr "trainiert" unser Immunsystem, aber nicht nur beim Verderben von Lebensmitteln breiten sich auch krank machende Vertreter auf ihnen aus. Die mögliche Folge sind Lebensmittelinfektionen. Erbrechen, Durchfall und Fieber sind die typischen Symptome. Schätzungen zufolge gibt es etwa vier Millionen Fälle jährlich in Deutschland. Tendenz leicht steigend. Die Hauptverursacher sind bei uns Salmonellen und Campylobacter, doch in der Öffentlichkeit sorgen hauptsächlich Lebensmittelskandale durch chemische Verunreinigungen für Aufsehen. Die größere Gefahr liegt aber woanders, erklärt Prof. Alexander Prange von der Hochschule Niederrhein: "Die Verunreinigung durch Pestizide oder sonstige Gifte ist eher zu vernachlässigen. Die Häufigkeit der Erkrankungen, wenn man an Lebensmittelvergiftungen in der klassischen Form denkt, wird eben durch Mikroorganismen ausgelöst." Prange ist Experte für Lebensmittelhygiene. In seinem Krefelder Labor können er und sein Team Art und Anzahl der unterschiedlichen Lebensmittelkeime bestimmen. Für uns überwachen sie die Hygiene bei den Küchenaktivitäten von Studentin Jacqueline. Was macht sie bei der Zubereitung richtig oder falsch? Womit bringt sie sich möglicherweise in Gefahr, eine Lebensmittelinfektion zu bekommen? Was ist wirklich hygienisch und was nicht?
Ein Menü mit "Fettnäpfen"
W wie Wissen begleitet die Studentin Jacqueline bei der Herstellung eines ganz normalen Menüs von Einkauf bis Verzehr. Als Vorspeise soll es Räucherlachs geben, Hauptspeise ein knuspriges Hähnchen, Beilage Salat. Zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Zubereitung entnimmt Jacqueline Lebensmittelproben zur Untersuchung im Labor von Professor Prange. Die erste Probe hat sie bereits vor einer Woche abgeschickt. Da nämlich hat sie schon das Huhn gekauft und ein kleines Stück zu Analysezwecken abgeschnitten. Den Rest hat sie dann vorerst eingefroren.
Im Labor liegt zwischenzeitlich das Ergebnis von Jacquelines frischem Huhn vor. Prange kann auf dem Nährboden Salmonellen nachweisen, wenn auch nicht viele. Aber auch die können gefährlich werden, ob mit oder ohne Kühlfach: "Die meisten Mikroorganismen werden durch die Verminderung der Temperatur nicht abgetötet, ganz im Gegenteil: Bei Einfrierprozessen überleben viele Mikroorganismen. Und wenn Lebensmittel wieder aufgetaut werden, sind diese Mikroorganismen nach wie vor aktiv", erklärt Mikrobiologe Prange.
Jacqueline taut nach einer Woche ihr Huhn wieder auf – langsam bei Zimmertemperatur. Und schon macht sie einen Fehler. Salmonellen vermehren sich – wie die meisten Keime – am besten zwischen 20 und 40 Grad Celsius. Aus einigen Hundert können in wenigen Stunden Millionen werden. Schnelles Auftauen mit der Mikrowelle wäre eindeutig die bessere Alternative gewesen, wie die Laborprobe vom aufgetauten Huhn deutlich zeigt. Auf dem Nährboden sind sogenannte Kolonien zu sehen, in jeder unter dem Mikroskop unzählige Salmonellen.
Böse Überraschung im Salat
Beim Salat lauert eine neue Gefahr. Die Laborprobe zeigt deutlich E. Coli-Bakterien. Auch sie können Lebensmittelinfektionen verursachen, zumindest dann, wenn sie in zu hoher Zahl ins Essen gelangen oder in die Blutbahn. Die sogenannten Escherichia coli sind Bakterien, die üblicherweise im Darm von Mensch und Säugetier vorkommen, allerdings auch an pflanzlichen Lebensmitteln zu finden sind. Während die Bakterien im Darm durchaus eine nützliche Funktion haben, können sie im Essen krank machen. Auf Jacquelines Salatkopf können die Bakterien auf den unterschiedlichsten Wegen gelangt sein, beispielsweise über verunreinigtes Wasser. In jedem Fall ist es also wichtig, den Salat gründlich zu waschen, damit die Bakterien auf den Blattoberflächen stark reduziert werden. Und genau das macht Jacqueline.
Schnelle Vorspeise mit Risikofaktor
Für ihre Vorspeise muss die Studentin nur schnell eine Verpackung öffnen. Den Räucherlachs hatte sie zuvor im vorschriftsmäßig sieben Grad Celsius kalten Kühlschrank aufbewahrt. Ein Temperaturbereich, in dem sich die meisten Lebensmittelkeime kaum vermehren. Sie sind sozusagen lahmgelegt. Für einen Erregertyp gilt das aber nicht: Listerien. Sie bevorzugen zum einen einen gegenüber der Umgebungsluft reduzierten Sauerstoffgehalt. Ein Kriterium, das in einer Vakuumverpackung bestens erfüllt wird. Zum zweiten sind Listerien schon ab 3,8 Grad Celsius in der Lage sich zu vermehren. Prof. Prange erläutert, welche Produkte davon betroffen sein können: "Es sind Bakterien, die häufig in Räucherfischen, in rohen Fischen, und in Rohmilchprodukten nachgewiesen werden."
Eine sogenannte Listeriose können viele Menschen auch gehabt haben, ohne es zu merken. Aber für bestimmte Bevölkerungsgruppen können Listerien wirklich gefährlich werden. Eine minimale Infektionsdosis reicht aus. Zu diesen Risikogruppen gehören besonders Schwangere.
Infektion auf Umwegen
Jacqueline halbiert das Huhn mit einem scharfen Messer und schiebt es dann in den Ofen. Wo das Messer gerade zur Hand ist, schnippelt sie damit auch gleich noch die Paprika für ihren Salatteller. Genau das wird sie hinterher bereuen. Weil die meisten Küchenkeime bei 70 Grad Celsius abgetötet werden, kann sie das gut durchgebratene Huhn bedenkenlos essen. Doch eine Salmonelleninfektion hat die Studentin später trotzdem. Die Falle hat zugeschnappt, aber wie? Der Grund des Übels: Jacquelines Salatteller. Die Laborprobe liefert den Beweis: Im Salat lauern jetzt plötzlich Salmonellen - eingeschleppt über die Paprika, und die wiederum hat die Keime übers Messer vom frischen Huhn erhalten. Unbemerkt und schnell sind die Salmonellen so an einen Ort gelangt, wo man sie niemals vermutet hätte.
Deshalb lautet Professor Pranges eindringlicher Rat: "In der Küche, vor allem im Privathaushalt sollte man strikt darauf achten, dass man seine Arbeitsfläche in eine reine und eine unreine Seite trennt. Das heißt, man sollte nicht alle Lebensmittel mit denselben ungereinigten Werkzeugen behandeln und eben strikt darauf achten, dass Lebensmittel ausreichend gekühlt werden." Diese einfachen Hygiene-Regeln reichen eigentlich aus. Zumindest sind Desinfektionsmittel in der heimischen Küche überflüssig.
Forschung für die Lebensmittelsicherheit
Während Professor Prange in seinem Krefelder Labor den klassischen Nachweis von Keimen in Lebensmitteln auf Nährböden durchführt, hat ein Forscherteam am Institut für angewandte Nano- und optische Technologien (iNano) der Hochschule Niederrhein ein neues Nachweisverfahren entwickelt. Noch ist es nicht marktreif, doch es verfolgt ein großes Ziel: Die Analyse der mikrobiellen Besiedlung zeitlich deutlich verkürzen und so zu vereinfachen, dass sie auch direkt in kleinen und mittelständischen lebensmittelproduzierenden Unternehmen durchgeführt werden kann. Beim klassischen Labornachweis dauert es rund drei Tage bis ein Ergebnis vorliegt.
Das Team um Dr. Peter Klauth, Prof. Jürgen Büddefeld und Prof. Manfred Rietz benötigt für seine Methode mit drei Stunden deutlich weniger Zeit. "Unser Verfahren läuft in zwei Schritten ab. Im ersten Schritt fangen wir mit einem Magneten die Salmonellen aus den Lebensmitteln ab. Im nachfolgenden Schritt können wir dann das Erbgut der Salmonellen, die wir gefangen haben, vervielfältigen und mit unserem langlebigen Farbstoff zum Leuchten bringen", erklärt Klauth das Prinzip. Je stärker die Probe rot aufleuchtet, desto mehr Salmonellen sind drin. Bleibt die Probe farblos, ist der Befund negativ. Patentiert ist das neue Verfahren bereits, doch vor dem Praxiseinsatz steht nun die Zulassungsphase bevor.
Mindestens haltbar oder zu verbrauchen bis?
Das Mindesthaltbarkeitsdatum gibt den Zeitpunkt an, bis zu dem das Lebensmittel unter angemessenen Aufbewahrungsbedingungen seine spezifischen Eigenschaften wie Nährstoffgehalt, Geschmack oder Konsistenz behält. Solange ein Lebensmittel in Ordnung ist, darf es verkauft werden, auch über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus. Der Hersteller legt das Mindesthaltbarkeitsdatum nach eigenem Ermessen fest.
Das Verbrauchsdatum (zu verbrauchen bis...) muss an Lebensmitteln wie rohes Hackfleisch oder Vorzugsmilch angebracht werden, die sehr leicht verderblich sind. Nach kurzer Zeit könnten sie eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit bedeuten. Lebensmittel mit Verfallsdatum dürfen nach dessen Ablauf nicht mehr verkauft werden.
Tipps für Hygiene in der Küche
- Spülschwämme und Lappen alle ein bis zwei Tage wechseln. Sie sind wahre Brutstätten für Keime.
- Kühlschrank nicht wärmer als 7 Grad Celsius.
- Inhalte von unter Druck stehenden Konserven nicht verzehren. Es besteht die Gefahr von Botulismus, einer durch das Bakterium Clostridium botulinum verursachten Vergiftung.
- Auftauen nicht bei Zimmertemperatur, sondern schnell per Mikrowelle
- Kühlschrank regelmäßig mit Essigwasser auswaschen
Autorin: Britta Thein (NDR)
Stand: 06.11.2015 13:40 Uhr