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Ökourlaub im künstlichen Paradies?

Künstliche Tropen in Mitteleuropa

Badelandschaft in Ferienpark
Tropenparadies in einem nordfranzösischen Ferienpark | Bild: WDR

Künstliche Tropenlandschaften unter beheizten Glaskuppeln: Für viele ist ein Urlaub im Ferienpark eine eher gruselige Vorstellung. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Menschen, die die Vorzüge eines solchen Urlaubs schätzen: kurze Anfahrtswege, kein Stress mit fremden Sprachen und Rundum-Beschäftigung für die ganze Familie. Immerhin 1,6 Millionen Menschen in Deutschland haben sich in den letzten drei Jahren für einen Urlaub in einem Ferienpark entschieden. Ob man Ferienparks mag oder nicht, ist Geschmacksache, aber auch ökologisch haben Ferienparks einen denkbar schlechten Ruf. Ganzjährig tropische Temperaturen in Mitteleuropa lassen einen gigantischen Energieaufwand befürchten. Ein bloßes Vorurteil? W wie Wissen lässt zum ersten Mal die Klimabilanz eines Ferienpark-Urlaubs berechnen.

Klimakiller Tourismus

Trotz Finanz- und Wirtschaftskrise: Beim Reisen sind die Deutschen immer noch Weltspitze – dicht gefolgt von Amerikanern und Briten. Auch wenn Reisen unbestreitbar Spaß macht und den Horizont erweitert: Aus ökologischer Sicht ist das exzessive Reiseverhalten in den westlichen Industriestaaten ein echtes Problem. Die Liste der touristischen Umweltsünden ist lang und reicht von Zersiedelung der Küsten über hohen Wasserverbrauch, Verschmutzung durch Müll und Abwässer bis hin zur Abholzung von Küstenwäldern. Noch schwerer als die regionalen Auswirkungen des Tourismus wiegen aber die weltweiten Folgen. Allein der Tourismus ist nach Angaben des WWF Deutschland für fünf Prozent des Treibhauseffekts verantwortlich. Aber welche Art des Reisens schädigt das Klima am meisten?

An- und Abreise: entscheidender Faktor für die Klimabilanz

Im Auftrag des WWF Deutschland hat das Berliner Öko-Institut den sogenannten Klimafußabdruck von verschiedenen, für die Deutschen typischen Urlaubsreisen berechnet. Dabei wurden sämtliche Emissionen durch An- und Abreise, Unterkunft, Verpflegung und Aktivitäten vor Ort in CO2 umgerechnet. Bei weitem die größten Auswirkungen auf die Klima-Bilanz eines Urlaubs haben An- und AbrReise, also die Entfernung zum Urlaubsort und die Wahl des Verkehrsmittels. Wer mit dem Flieger nach Mallorca reist, verursacht allein dadurch schon Emissionen von 925 Kilogramm CO2 – pro Person. Bei einem Flug nach Mexiko sind es bereits 6.361 Kilogramm. Zum Vergleich: pro Jahr verursacht jeder Deutsche Emissionen von etwa 11 Tonnen CO2. Eine Autoreise von Düsseldorf nach Rügen bringt es dagegen nur auf vergleichsweise bescheidene 80 Kilogramm pro Person. Nur drei Prozent aller Urlaubsreisen sind Fernreisen mit dem Flugzeug, sie verursachen aber 17 Prozent der klimaschädlichen Emissionen des Tourismus!

Urlaub im Ferienpark: ökologisch besser als sein Ruf

Wie sieht aber im Vergleich dazu der Klima-Fußabdruck von einem Ferienpark aus? W wie Wissen beauftragt das Berliner Öko-Institut, die Klima-Bilanz eines Ferienparks der Kette "Center Parcs" zu berechnen. Als Richtwert dienen dabei Durchschnittswerte für einen deutschen Ferienpark dieser Kette. Bei einem fünftägigen Urlaub ergibt sich so ein Fußabdruck von etwa 18 Kilogramm pro Tag und Person. Damit liegt der Klima-Fußabdruck eines Ferienparks nur ganz knapp über dem des Rügen-Urlaub mit 16 Kilogramm CO2! Eine Mallorca-Reise bringt es dagegen auf 87 Kilogramm pro Tag und Person – und ein Trip nach Mexiko auf stolze 515 Kilogramm! Ein Urlaub im Ferienpark steht also, was die Klimabilanz angeht, fast so günstig da wie eine Reise an die Ostsee. Der ausschlaggebende Faktor dabei ist die An- und Abreise, denn die ist ähnlich kurz wie bei einer Fahrt nach Rügen – und sie geschieht in der Regel nicht mit dem Flugzeug sondern mit dem Auto.

Ökourlaub von morgen?

Ferienparks sind zumindest unter ökologischen Gesichtspunkten erheblich besser als ihr Ruf. Allerdings ist ein Urlaub im Ferienpark in der Regel ein Kurztrip, der nicht länger als vier bis fünf Tage dauert. Meist wird der also nicht statt des Mittelmeer-Urlaubs gemacht, sondern kommt noch obendrauf. Vorstellbar aber, dass ein Urlaub im Ferienpark irgendwann eine echte Alternative zu einem ‚richtigen’ Urlaub wird. Zumindest aus Sicht des Klimas wäre das nicht mal die schlechteste Alternative.

Autor: Jakob Kneser (WDR)

Stand: 16.09.2015 13:53 Uhr

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