So., 21.02.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Tinnitus – Das Ende der Stille
Viereinhalb Millionen Menschen allein in Deutschland hören ein Rauschen, Quietschen, Zischen, Kreischen oder Brummen, das ihre Mitmenschen nicht hören. Alles verschiedene Symptome eines Krankheitsbildes: Tinnitus. Was häufig mit einer akuten Schädigung des Ohres anfängt, beispielsweise nach dem Besuch eines lauten Konzerts oder einer Disco, ist für die meisten nur von kurzer Dauer. Bei rund 10 Prozent dieser Fälle verschwindet das Geräusch im Ohr allerding nicht mehr. Der Lärm in ihrem Ohr wird chronisch und zur Dauerplage. Er bringt sie um den Schlaf, erschwert die Konzentration, raubt ihnen die Ruhe und manchem sogar den Lebensmut.
Tinnitus seit 28 Jahren
Auch einer der erfolgreichsten deutschen Schlagerkomponisten, Ralph Siegel, hört ein permanentes Rauschen. Ausgerechnet während des Wettbewerbs zum Grand Prix de Eurovision mit Nicole und ihrem Lied "Ein bisschen Frieden" tauchte der Störenfried das erste Mal auf. Damals, vor 28 Jahren, hielt er durch und brachte den Wettbewerb mit einem Sieg zu Ende. Doch sein Gehör ist sein größtes Kapital. Das wollte er nicht durch ein permanentes Rauschen gefährdet sehen. Seine Suche nach kompetenter Hilfe führte ihn bis nach Los Angeles. Dort fragte er einen weltweit renommierten Tinnitus-Spezialisten um Rat. Doch auch der konnte ihm lediglich sagen: Tinnitus ist nicht heilbar. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
Dem Tinnitus auf der Spur
Mit Hilfe eines speziellen Hörtests können die Experten feststellen, bei welcher Lautstärke und in welchem Frequenzbereich das individuelle störende Geräusch der Patienten liegt. In den meisten Fällen ist das im hochfrequenten Bereich bei etwa 4.000 Hertz, ein schriller Pfeifton, der einen fast um den Verstand bringen kann, wenn er sich dauerhaft im Kopf festsetzt. Bei diesem Hörtest lässt sich auch herausfinden, ob die Patienten noch andere Probleme beim Hören haben - etwa ob sie auf einem oder beiden Ohren zusätzlich schlecht hören.
Technische Hilfe Hörgerät
Etwa 60 Prozent der Patienten mit chronischem Tinnitus leiden gleichzeitig an einer Schwerhörigkeit. Diese Schwerhörigkeit führt dazu, dass sie Umweltgeräusche weniger gut wahrnehmen und sich entsprechend stärker auf die störenden Töne in ihrem Kopf konzentrieren. Erste Hilfe kann hier ausgefeilte Technik leisten - ein winzig kleines Hörgerät, das es den Tinnitus-Patienten erleichtern soll, ihre Aufmerksamkeit weniger auf die Störgeräusche als auf ihre Umwelt zu lenken. Mittlerweile sind diese Geräte so klein, dass sie auch optisch nicht mehr auffallen. Es müsste sich also niemand mehr genieren, ein Hörgerät zu tragen, um so den Lärm im Kopf besser verdrängen zu können. Schließlich zögert heute auch keiner mehr eine Brille zu tragen, wenn er schlecht sieht!
Der Königsweg: Akzeptanz und Ablenkung
Das wichtigste Hilfsmittel gegen Tinnitus ist der mentale Ansatz: Den Tinnitus zu akzeptieren, sich nicht auf ihn zu konzentrieren, sondern ihn so gut wie möglich aus dem Alltag zu verdrängen. Leichter gesagt, als getan, wenn da doch ein Geräusch im Kopf ist, das bislang nicht da war. In der psychosomatischen Klinik Rosenecke am Chiemsee lernen die Patienten in wochenlanger Therapie, Wege aus ihrer persönlichen Tinnitus-Falle zu finden. Gestaltungstherapie, Atemtherapie oder Musik können erfolgreich dazu beitragen, die Aufmerksamkeit auf Anderes zu lenken als den Lärm im Kopf.
Adressen & Links
Die Deutsche Tinnitus-Liga ist Selbsthilfeorganisation von Tinnitus-, Hörsturz- und Morbus Menière-Patienten.
www.tinnitus-liga.de
Medizinisch-Psychosomatische Klinik Roseneck, die Tinnitus-Patienten behandelt:
Klinik Roseneck
Am Roseneck 6
83209 Prien am Chiemsee
www.schoen-kliniken.de
Autorin: Iris Rietdorf (WDR)
Stand: 22.05.2013 11:25 Uhr