So., 08.08.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Trendgericht Currywurst
Analyse eines Trendgerichts
Herzhaft, fruchtig, scharf und fett – die Currywurst ist eine Kreation des deutschen Gaumens und fast schon ein Nationalgericht. Und sie gilt nicht nur als das Lieblingsmenü in deutschen Kantinen, sondern hat es auch vom Proletenimbiss zum Edel-Snack geschafft: Die Reihe der Anbieter von Gourmet-Currywürsten wird immer länger in den Szenevierteln von München, Köln, Berlin, Hamburg und quer durch die Republik. Selbst als Krönung des Buffets bei eleganten Feiern kommen die gewürzten Wursthappen auf den Teller. Rund 800 Millionen Currywürste verdrücken die Bundesbürger jedes Jahr.
Doch was ist dran an der Currywurst - und was steckt drin? W wie Wissen hat sie unter die Lupe genommen.
Denn Wurst, Soße und Currypulver sind weder von einheitlichem Geschmack, noch von einheitlicher Qualität. Was jeweils drin steckt und worauf man achten sollte, sagen uns Experten.
Die Wurst: Was ist drin?
Vorab: Die Standard-Currywurst gibt es nicht. Überwiegend bekommt man an der Imbissbude wie beim Edel-Anbieter Bratwürste aus Schweinefleisch, sehr selten Kalbs- oder Rindswurst. Eine simple Bratwurst ist sie auch für Fachleute, und als solche eine Untergruppe der sogenannten Brühwürste: Fleisch, Fett und Gewürze werden fein vermengt, im Naturdarm abgefüllt und dann im Kessel gesiedet, um unmittelbar vor dem Verzehr gebraten zu werden. Das Fleisch muss zwar nicht von den edelsten Stücken des Tieres stammen – aber das gehört bei Würsten zum Prinzip. Schließlich dienen sie traditionell auch dazu, möglichst alle Teile eines Tieres verwerten zu können.
Am besten vom Metzger des Vertrauens
Entsprechend muss das Fleisch, das in die Currywurst kommt, nur "grob entsehnt" und "grob entfettet" sein und darf von allerlei Teilen stammen, etwa von der Schulter oder dem Nacken. Auch Gewebe wie das Zwerchfell ist erlaubt - und eine ganze Menge Fett dazu. Das ist unerlässlich für Geschmack und Geschmeidigkeit des Bräts, daher bildet Fett ein Viertel bis ein Drittel der Fleischmasse. Kleine Betriebe verwenden in der Regel aber gutes Muskelfleisch, etwa aus der Schulter, ohne sonstige Gewebeteile einzumengen – weswegen Würste vom Metzger durchaus eine gute Wahl sind. Es lohnt sich also, meint Norbert Latz, Fleischermeister und stellvertretender Schulleiter an der Hotelschule Haburg, am Imbiss zu fragen, wo die Wurst herkommt: "Wenn der Imbissbudenbesitzer seine Wurst bei einem Fleischer-Fachbetrieb kauft, und nicht vom industriellen Großerzeuger, dann kann der Verbraucher davon ausgehen, dass er eine gute Wurst bekommt."
Nicht jeden Tag eine Wurst
Aber auch wenn man es nicht so genau wissen möchte – leider sind Würste in den letzten Jahren ins Visier von Ernährungs- und Krebsforschern geraten. Grund: Wurst spielt bei Studien zum Zusammenhang von Fleischkonsum und Krebs eine Rolle. Das Deutsche Krebsforschungszentrum Heidelberg schreibt: "Verarbeitete Fleischprodukte, also Geräuchertes und Gepökeltes, sowie Wurstwaren aller Art, zeigten sich in großen Beobachtungsstudien als potenziell ungünstige Lebensmittel, wobei der Weg, über den sie sich schädigend auswirken, noch diskutiert wird." Am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf, das ein Zentrum für Krebsforschung und Krebsprävention unterhält, weist der Onkologe und Gastro-Enterologe Dr. Andreas Block darauf hin, dass viel Fleisch und Wurst nicht nur das Risiko für Darmkrebs erhöhen, sondern auch für andere Krebsarten. Das sollte, so der Experte, niemanden dazu zwingen, Vegetarier zu werden, schließlich ist Fleisch ein sehr wertvolles Nahrungmittel – und Würste schmecken einfach zu gut. Norbert Blocks Rat ist ganz pragmatisch: "Um es auf eine einfache Formel zu bringen: Nicht jeden Tag eine Wurst!"
Kalorienbombe zwischendurch
Dieser Tipp ist auch in anderer Hinsicht bedeutsam: Eine Currywurst mit Pommes Frites bringt es gut und gerne auf rund 1.000 Kilokalorien. Das ist schon die Hälfte des ganzen Tagesbedarfs für einen Erwachsenen - wer sich diese Portion mal eben so zwischendurch gönnt, sprengt damit seine Energiebilanz. Und auch hier warnt der Krebsexperte. Denn ernährungsbedingtes Übergewicht erhöht nachweislich das Krebsrisiko: "Das ist viel zu wenig bekannt", sagt Dr. Block. "Jeder weiß, dass Übergewichtige ein höheres Herzinfarkt- und Diabetes-Risiko haben. Aber sie erkranken auch wesentlich häufiger an Darmkrebs, an Brustkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs, und auch die Heilungsraten sind bei krebskranken Übergewichtigen schlechter."
Das Currypulver: Eine Prise Gift gefällig?
Leider hat das Currywurst-Vergnügen seit 2009 auch einen bitteren Nachgeschmack: Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat in einem Test aufgedeckt, dass Gewürzmischungen wie Currypulver zum Teil mit Rückständen aus Pflanzenschutzmitteln belastet sind. Die Umweltaktivisten untersuchten Proben aus deutschen Supermärkten und wiesen darauf hin, dass diese mehrfach belastet sein können. Die anschließende Diskussion drehte sich um die richtigen Grenzwerte: Greenpeace und andere Verbraucherschützer kritisierten, dass es in Deutschland keine Pestizid-Grenzwerte für Gewürzmischungen gibt. Hersteller und Händler betonten, dass sie die geltenden Richtlinien einhalten. Doch die betreffen eben nur Einzelgewürze, keine Mischungen. Das handelsübliche Currypulver besteht aus 20, 30 oder in Einzelfällen laut Greenpeace sogar aus bis zu 60 Einzelgewürzen. Für diese Bestandteile – etwa Kurkuma, Koriander, Pfeffer, Ingwer, Chili - gibt es jeweils Regelungen, die EU-weit gelten, nicht aber für das Endgemisch.
Neue Grenzwerte gefordert
Zwar gibt es keine akute Gesundheitsgefahr durch etwas Currypulver auf der Wurst, da sind sich Experten einig. Doch Manfred Santen, Chemiker und Leiter der Gewürz-Kampagne, fordert neue Grenzwerte für Gewürzmischungen, sogenannte Summengrenzwerte. Sie sollen erfassen, dass sich einzelne Pestizide, die bis hin zum Grenzwert in den Bestandteilen der Würzmischung vorkommen, in der Wirkung addieren könnten: "Es kann nicht im Sinne des Verbrauchers sein, bis zu zehn verschiedene Pestizid-Wirkstoffe im Currypulver zu finden. Und deswegen fordern wir eine klare gesetzliche Regelung für solche Mehrfachbelastungen mit verschiedenen Pestiziden. Schließlich weiß niemand, wie die Kombinationswirkung solcher verschiedener Pestizide sich auf die Gesundheit auswirkt."
Die Soße: Basis für Gewürze, Krönung der Wurst
Die Soße ist das wahre Geheimnis der Currywurst – schließlich wäre sie sonst auch nur eine normale Bratwurst. Standard ist der große Ketchup-Eimer aus dem Großhandel. Doch es gibt auch regionale Varianten wie Braten- oder Schaschlik-Soße, angerührt aus dem Fond, der sich auf der Grillplatte absetzt. Viele Anbieter in Restaurants oder Imbissbuden machen die Soße sogar selbst, mit Tomatenmark und Gewürzen. Von der Version aus frischen Bio-Tomaten bis hin zu raffinierten Eigenkreationen ist die Bandbreite erstaunlich groß. Die Köche verraten in solchen Fällen ihre Rezepte natürlich nicht – und so behält die Currywurst wenigstens ab und an noch ein kleines Geheimnis.
Autorin: Johanna Bayer (WDR)
Stand: 26.02.2014 10:02 Uhr