So., 19.09.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Unser Wasser-Fußabdruck
Seit 1990 ist der tägliche Wasserverbrauch von 147 auf 125 Liter pro Person gesunken. Aber sind wir deshalb tatsächlich ein Volk von Wassersparern? Eine Studie des WWF, kommt zu einem völlig anderen Schluss. Wir Deutschen sind neben Amerikanern und Japanern die größten Wasserverbraucher. Jeder Deutsche hat einen täglichen Wasser-Fußabdruck von 5.288 Litern, das entspricht 25 Badewannen-Füllungen. Doch wie kommen die überhaupt zustande?
Familie Schell lebt seit zwölf Jahren in einem Einfamilienhaus. Sie halten sich für ökosensibel und für gute Wassersparer. Hier gibt es keine tropfenden Wasserhähne, Durchfluss-Begrenzer im Duschkopf, eine Spartaste am WC, eine wassersparende Waschmaschine. Alles da, was einen modernen deutschen Haushalt auszeichnet. Wasser wird hier definitiv nicht verschwendet. Und auch der Vergleich der aktuellen mit einer alten Wasserrechnung scheinen dies zu belegen. Reinhold Schell jedenfalls ist sich sicher: "Unser Jahreswasserverbrauch liegt ziemlich genau im Durchschnitt für eine vierköpfige Familie. Und wenn ich ihn vergleiche mit dem Verbrauch von vor zehn Jahren, so muss ich feststellen, dass wir immer weniger Wasser verbrauchen."
Indirekter Wasserverbrauch
Wirklich weniger? Tatsächlich ist der Wasser-Fußabdruck von Familie Schell wesentlich größer als sie glaubt. Der Grund liegt in ihrem Konsumverhalten, denn in Lebensmitteln, Kleidungsstücken, technischen Geräten steckt jede Menge Wasser: sogenanntes virtuelles Wasser. Das ist das bei der Herstellung verbrauchte, verdunstete oder verschmutze Wasser. Martin Geiger von der Umweltorganisation WWF weiß wie hoch unser Wasserverbrauch tatsächlich ist. Das haben die Umweltschützer in einer umfangreichen Studie ermittelt. Martin Geiger erläutert, dass wir die Hälfte unseres Wasserverbrauchs über Lebensmittel und Industriegüter importieren: "Auch aus Ländern, in denen das Wasser zum Teil knapp ist. Insgesamt sind wir weltweit gesehen neben anderen Industrieländern wie USA und Japan, sind wir absolut gesehen mit die größten Wasserverbraucher."
In einem Kilo Rindfleisch stecken 14.000 Liter Wasser
Wer zum Beispiel Kaffee trinkt, hat etwa 150 Milliliter in der Tasse, doch der eigentliche Wasserfresser ist die Bohne. Kaffeepflanzen werden zwar nur selten bewässert, aber nach der Ernte wird jede Menge Wasser zum Reinigen der Früchte und zum Lösen der Bohnen vom Fruchtfleisch benötigt. Von der Plantage bis zum Endverbraucher fließen für ein Kilo Kaffee circa 21.000 Liter Wasser. Das sind pro Tasse 140 Liter. Und so geht es munter weiter: für das Frühstücksei sind 12 Liter fällig, für das Glas Milch 200 Liter und für 250 Gramm Käse 1.000 Liter Wasser. Aber selbst dieser Wert lässt sich steigern. Ein Kilo Rindfleisch verschlingt rund 14.000 Liter virtuelles Wasser im Laufe seiner Produktion. Denn Rinder saufen nicht nur, sie wollen auch gefüttert werden. Für ein Kilo Fleisch frisst die Kuh 10 Kilo Soja, und für jedes Kilo Soja werden mehr als 1.000 Liter Wasser benötigt.
Fehlende Kennzeichnung
Der Verbraucher steht hier vor einem Problem, denn er kann natürlich nicht erkennen, wie viel Wasser für ein Produkt aufgewendet wurde, ob es diesbezüglich effizient hergestellt worden ist. Martin Geiger meint, dass man über saisongerechten Einkauf dennoch Einfluss nehmen könne, "indem man zum Beispiel statt im Frühjahr Obst und Gemüse aus dem Mittelmeerraum zu kaufen, dann einfach auf andere Produkte zurückgreifen" solle.
Doch nicht nur in Lebensmitteln, auch in unserer Kleidung steckt viel unsichtbares Wasser, besonders in solcher aus Baumwolle. Sie wächst am besten in heißen Gegenden und braucht viel Wasser, wovon das meiste in der Hitze verdunstet. Und weil Baumwolle in Monokulturen angebaut wird, ist sie anfällig für Schädlinge und wird mit Pestiziden besprüht. Deshalb muss die Baumwolle vor der Verarbeitung gereinigt werden und auch für das Färben der Stoffe wird viel Wasser benötigt und verunreinigt. Insgesamt verbraucht ein einziges T-Shirt bis es bei Familie Schell landet bis zu 4.000 Liter Wasser.
Weltweit gesehen ist die Landwirtschaft eindeutig der größte Wasserverbraucher. In vielen Regionen der Welt wird das Wasser ineffizient genutzt und auch verschwendet. Martin Geiger moniert, dass die Politik dafür eine Mitverantwortung trage, denn "durch die Agrarsubventionen wird ineffiziente Bewässerung in der Landwirtschaft gefördert, statt sie zu unterbinden, - und die Unternehmen haben auch eine Verantwortung in Deutschland, indem sie nämlich bei den Zulieferbetrieben sicherstellen, dass eben auch nicht Wasser verschwendet, sondern effizient genutzt wird."
Wasser steckt in jedem Industrieprodukt
Für die Herstellung eines Notebooks zum Beispiel fließen etwa 20.000 Liter Wasser. Insgesamt errechnet sich so aus unserem Konsum ein täglicher durchschnittlicher Wasserbedarf von 5.288 Liter pro Person. Am globalen Wasserverbrauch kann Familie Schell natürlich nur wenig ändern. Ein bisschen Einfluss hat sie trotzdem: durch den Einkauf regionaler Produkten der Saison kann sie ihren persönlichen Wasserfußabdruck zumindest etwas reduzieren.
Adressen & Links
WWF Deutschland-Zentrale
Rebstöcker Straße 55
Postfach 190440
60326 Frankfurt
Autor: Markus Hubenschmid (SWR)
Stand: 24.09.2015 14:12 Uhr