So., 18.12.11 | 17:03 Uhr
Das Erste
Im Darm der Termiten
Der Wiener Chemieprofessor und Filmemacher Alfred Vendl plant eine dreiteilige Serie über "die Geheimnisse der Mikrowelt". Er fragt sich: Wie können wir in einem Wissenschaftsfilm Dinge und Prozesse sichtbar machen, die der Mensch mit seinen Sinnen nicht wahrnehmen kann, weil sie zu klein, zu groß, zu langsam oder zu schnell sind? Er schart deshalb ein Team von Wissenschaftlern um sich und entwickelt ein Verfahren, das sensationelle Bilder liefert.
Dafür wurde das Team 2008 mit dem Emmy Award für besondere photografische Gestaltung ausgezeichnet. Das Verfahren hat er inzwischen noch weiter verbessert und mehrfach angewendet - zum Beispiel für einen Film über Termiten.
Eine Termite im Computertomografen
Bisherige 3D-Animationen sind nur nachempfunden und nicht naturgetreu. Damit wollte sich Alfred Vendl für die Produktion des Termitenfilmes nicht zufrieden geben. Zu den verschiedenen Wissenschaftlern, die er zusammengebracht hat, gehört auch Stephan Handschuh. Er ist der Biologe des Teams, das Geschichten aus der Mikrowelt erzählen und das Unsichtbare sichtbar machen will.
Dafür soll die Termite erst einmal per Computertomografie untersucht werden. In verschiedenen Arbeitsschritten bereitet der Biologe die Termite für die Mikro-Computertomografie vor. Gar nicht so einfach bei einem Tier, das etwa fünf Millimeter lang und dessen Verdauungstrakt so dünn ist wie ein Menschenhaar.
Das Mikro-CT zerlegt die Termite in Tausende von Bildschnitten. Heraus kommen dabei auf dem Monitor dreidimensionale Bilder. Daraus errechnet Stephan Handschuh ein erstes Modell der Termite mit naturgetreuen Proportionen. Um auch Details genau modellieren zu können, hat der Biologe auch noch hauchdünne physische Schnitte der Termite gemacht, die er digitalisiert und dann dreidimensional darstellt.
Unterm Rasterelektronenmikroskop
Jetzt hat er genügend Informationen, um verschiedene Modelle am Computer zu errechnen. Sie entsprechen exakt den Ausmaßen des Termitendarms. Aber die Auflösung ist nicht fein genug, um die Oberflächen naturgetreu gestalten zu können.
An der Abbildung dieser Oberflächenstruktur arbeitet Physiker Rudi Erlach an der Universität für Angewandte Kunst in Wien - mit Hilfe eines Rasterelektronenmikroskops. Der Einsatz dieses teuren Geräts für einen Film ist ein absolutes Novum. Die zigtausendfache Vergrößerung macht zum Beispiel den Kopf der Termite bis in den Nanometerbereich sichtbar. Rudi Erlach erstellt auf diese Weise auch hoch auflösende Bilder vom Inneren der Termiten-Darmwand. Der Nachteil: das Rasterelektronenmikroskop liefert nur unbewegte zweidimensionale Bilder - sie müssen jetzt auf die dreidimensionalen Modelle aus der Mikro-CT übertragen werden.
Aus zwei mach drei: die 3D-Animation entsteht
Bei Reinhold Fragner laufen alle Bilder zusammen. Er ist Spezialist für 3D-Animationen. Er hat die schwierige Aufgabe, die Oberflächen des dreidimensionalen Modells von Stephan Handschuh mit den hoch auflösenden Bildern des Rasterelektronenmikroskops auszukleiden und die Bewegungen des Termitendarmes in einer 3D-Animation darzustellen.
Das Ergebnis der monatelangen Zusammenarbeit des Wissenschaftsteams: Fantastische Einblicke in den Darm der Termite: Man sieht sogar die von der Termite zerkleinerten Holzpartikel im sogenannten Sack, dem größten Teil des Darms. Dort helfen Protozoen, das sind Einzeller, die wie Quallen aussehen, die Holzstückchen zu verdauen.
Autorin: Angelika Lizius (BR)
Stand: 10.11.2015 14:53 Uhr