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Eisbären in Sibirien

Folgen des Klimawandels

Eisbär
Der Lebensraum der Eisbären wird kleiner. | Bild: Martin Thoma

Eisbären schmilzt ihre Nahrungsplattform buchstäblich unter den Tatzen weg. Geht das arktische Meereis weiter so zurück wie innerhalb der letzten 30 Jahre, rechnen Experten damit, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts ein Großteil des heutigen Eisbärenbestandes verschwunden ist.

Meereis in der Beringstraße - Fehlanzeige

Eisbrecher "Professor Khromov" fährt durch Beringstraße
Kein Eis behindert den Eisbrecher "Professor Khromov" in der Beringstraße. | Bild: Martin Thoma

Arktischer Sommer in der Beringstrasse. Früher blockierte zu dieser Jahreszeit häufig Treibeis den Schiffsverkehr in der Meerenge zwischen Russland und Alaska. Heute kreuzt der Russische Eisbrecher "Professor Khromov" ungehindert auf dem eisfreien Seeweg zwischen Pazifik und Nordpolarmeer, 600 Kilometer jenseits des nördlichen Polarkreises. Er ist auf dem Weg zu einer weit abgelegenen Insel, neun Zeitzonen östlich von Moskau, die zum Weltnaturerbe zählt - die Wrangel Insel.

Die Wrangel Insel - ein Naturschutzgebiet am östlichen Ende der Welt

Igor Olejnikov
Wildhüter Igor Olejnikov | Bild: Martin Thoma

Wildhüter Igor Olejnikov, einer von nur sechs Bewohnern der Insel, wartet bereits seit Wochen auf die Ankunft des Schiffes. Zwei Mal im Jahr versorgt Alexander Gruzdev, oberster Naturschützer der russischen Provinz Tschukotka, den Wildhüter und seine fünf Kollegen mit Ausrüstung, Proviant, Post und Neuigkeiten vom sibirischen Festland.

Diesmal hat Gruzdev hat schlechte Nachrichten: Es gibt kein Geld, um den Schrott zu beseitigen, den das Militär beim Abzug hinterlassen hat. Und die Aussichten für die Insel sind auch sonst nicht rosig: "Die Klimaerwärmung hat leider großen Einfluß auf den Zustand der Insel. Die See gefriert viel später als sonst. Die Wellen spülen immer mehr Land weg und wir können nichts dagegen tun", erklärt Alexander Gruzdev.

Die Kinderstube der Eisbären

Eisbären im ehemaligen Fischerdorf Somnitelnaja an der Südküste der Insel
Eisbären kommen auch in die ehemaligen Siedlungen. | Bild: Martin Thoma

Die Klimaerwärmung hat auch Folgen für den König der Arktis. Die Insel gilt als "Kinderstube der Eisbären". Nirgendwo sonst in der Arktis werden jährlich mehr Eisbären geboren als hier. Jetzt bekommen sie Probleme. "An der Südküste der Wrangel Insel schmilzt das Meereis seit knapp zehn Jahren immer früher. Das macht den Eisbären schwer zu schaffen, da sie ihre Beute nur auf dem Eis jagen können. Robben und Walrossherden ziehen früh im Sommer übers offene Meer nach Norden. Viele Bären schaffen die lange Strecke nicht. Deshalb suchen sie in den Dörfern nach Essbarem oder jagen Lemminge. Noch ist ihr Bestand relativ stabil. Ich fürchte, das wird nicht so bleiben," erklärt Wildhüter Olejnikov.

Der Klimawandel und sein Einfluss auf die "Arche Noah der Arktis"

Wildhüter Olejnikov fährt mit Allradfahrzeug aus Ushakovskoje auf Patrouille
In den eisfreien Monaten werden Tiere gezählt. | Bild: Martin Thoma

Längere Sommer bedeuten "spätes Eis" und kaum Beute. Der größte Räuber der Arktis droht während des Sommers schlicht zu verhungern. Ranger Olejnikov fährt während der eisfreien Monate Patrouille durch die subarktische Wildnis, um die Tierbestände zu registrieren.

Das Naturreservat gilt als "Arche Noah der Arktis". Hier leben doppelt so viele Tier- und Pflanzenarten wie auf vergleichbaren Tundraflächen. Auch das Mammut hat auf der Wrangel Insel 6.000 Jahre länger überlebt als auf dem Festland. Wildhüter Olejnikov registriert auf seinen Patrouillen allerdings, dass es mit dem arktischen Paradies bald vorbei sein könnte.

Schnee-Eulen fanden hier jahrelang ein einzigartiges Jagd- und Brutrevier. Nun scheint ihr Bestand rückläufig und der Ranger ahnt, woran das liegt. Es ist die Feuchtigkeit des angetauten Permafrostbodens, die auch den Herden ausgewilderter Moschusochsen schwer zu schaffen macht. Höhere Durchschnittstemperaturen verwandeln das Inselinnere in ein feuchtes Biotop. Kälte macht den Urzeittieren nichts aus - ihnen fehlen jedoch Talgdrüsen, die ihr Fell gegen Nässe schützen.

Das nördlichste Weltnaturerbe ist in Gefahr

Eisschmelze nah
Die Bedingungen auf der Insel ändern sich.

Igor Olejnikov ist wenig optimistisch, wenn er beim Schwemmholzsammeln auf die Ostsibirische See blickt. Allein in den letzten zehn Jahren hat sich das Packeis - die Lebensgrundlage der Eisbären - im Sommer um 100 Kilometer nach Norden verschoben. Bei gleich bleibenden Bedingungen rechnen Experten damit, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts zwei Drittel des heutigen Eisbärenbestandes verschwunden sind. Schmilzt das Meereis komplett, ist es unwahrscheinlich, dass 'Myedvyed' - der 'Weiße Bär', wie er auf Russisch heißt, überlebt.

Noch führt die UNESCO das letzte unberührte Naturparadies nordwestlich der Beringstraße als Weltnaturerbe. Wie lange es uns noch erhalten bleibt, kann selbst Ranger Igor Olejnikov nicht absehen. Die Bewohner der Wrangel Insel jedenfalls bekommen die Folgen des Klimawandels schon jetzt zu spüren.

Literatur

Polar Bears – Living with the white Bear

Autor: Nikita Ovsyanikov
Swan Hill Press

Autor: Martin Thoma (SWR)

Stand: 03.11.2015 13:52 Uhr

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