So., 19.02.12 | 17:00 Uhr
Das Erste
Haarausfall - die Gene sind schuld
Ein Milliardengeschäft
Haarausfall ist ein Problem, unter dem zahlreiche Menschen leiden. Fallen die Haare aus, reagieren viele panisch. Schließlich kratzt der Verlust der Haarpracht massiv am Selbstbewusstsein. Die Betroffenen fühlen sich entstellt und fürchten, weniger attraktiv zu sein. Um den Haarausfall zu verhindern, werden Milliarden für Wässerchen und Mittel aller Art ausgegeben. Doch bringen die wirklich was? Die meisten Forscher sind sich einig: Der Großteil des Haarausfalls ist genetisch bedingt.
Simon M. auf dem Weg zum Hautarzt. Auch wenn man es auf den ersten Blick nicht sieht, der 35-Jährige leidet unter Haarausfall. Susanne Greve soll helfen. Die Hautärztin betreibt in Darmstadt eine Praxis, die sich auf Haarausfall spezialisiert hat. Den Hinweis, dass ihm die Haare ausgehen, bekam Simon M. beim Haare schneiden. "Ich bin schon längere Zeit beim beim selben Friseur. Und der hat festgestellt, dass es im Wirbelbereich immer lichter wird und so langsam die Kopfhaut sichtbar wird. Und daraufhin hab ich mir meine Gedanken gemacht."
Vier von fünf Männern betroffen
Um herauszufinden, was der Grund für den Haarausfall ist, macht Susanne Greve bei ihrem Patienten eine Anamnese. Klärt, ob Eltern oder Großeltern an Haarausfall leiden. Dann sucht die Hautärztin den Kopf ihres Patienten nach kahlen Stellen ab. Sie will wissen, wie viele Haare ihm ausfallen. Das ist ein Hinweis, um das Problem einzuordnen: "Grundsätzlich ist krankhaft, wenn dem Patienten 100 - 150 Haare am Tag ausfallen. Da das aber nicht immer der Fall ist, also auch schubweise verlaufen kann, muss man das ein bisschen genauer eingrenzen. Ob nicht vielleicht Mangelerscheinungen zugrunde liegen. Wir müssen Blut abnehmen und weitere Diagnostiken machen", erklärt die Hautärztin. Außerdem wird Simon M. an kleinen Stellen der Kopf rasiert, um den so genannten "Trichoscan" vorzubereiten. Drei Tage sollen die Haarwurzeln mit einer Kamera abgescannt werden, um zu sehen, wie viele Haare überhaupt noch wachsen. Dass Menschen unter Haarausfall leiden, dieses Problem ist weiter verbreitet, als man denkt. Bis ins hohe Alter sind bundesweit 80 Prozent aller Männer davon betroffen, mehr oder weniger stark. Und auch bei den Frauen leidet jede dritte unter krankhaftem Haarverlust.
Haarausfalls ist oft genetisch bedingt
Den Ursachen des Haarverlustes sind die Forscher des Bonner Universitätsinstituts für Humangenetik auf der Spur. Es ist bundesweit führend auf diesem Gebiet. Seit Jahren suchen die Wissenschaftler die Gene, die für den erblichen Haarausfall verantwortlich sind. Noch haben sie diese nicht eindeutig identifiziert. Doch sie sind schon nahe dran. Felix Brockschmidt vom Institut erklärt: "Die meisten Leute denken, dass Testosteron alleine den Haarausfall bewirkt. Aber das stimmt nicht ganz. Es ist vielmehr ein Zusammenspiel aus genetischen und hormonellen Faktoren. Und unsere Aufgabe in der Forschung ist es, die beteiligten Gene zu identifizieren, um demnach auch die Erklärung zu liefern, warum das Haar ausfällt."
Zudem sind sich die Forscher sicher: Ähnliche Faktoren sind auch für den Haarausfall bei Frauen verantwortlich. Allerdings spielt hier das weibliche Sexualhormon Östrogen eine entscheidende Rolle. Weshalb beim Haarausfall nur der Kopf, aber nicht die Körperhaare betroffen sind, ist noch unbekannt. Erst wenn die Forscher das Wechselspiel zwischen Genen und Hormonen endgültig geknackt haben, können tiefgreifende Therapien entwickelt werden. Das aber kann noch einige Zeit dauern
Welche Therapien helfen
Was aber hilft dann bei erblichem Haarausfall? Schließlich machen Pharma- und Kosmetikindustrie Milliardenumsätze mit vermeintlich wachstumsfördernden Mitteln. Felix Brockschmidt: "Es gibt zwei Medikamente, die in der Therapie gegen den Haarausfall eingesetzt werden, Das ist Minoxidil und Finasterid. Beide Medikamente schaffen es, weiteren Haarausfall zu verhindern, sind aber nicht in der Lage, einmal verloren gegangenes Haar zu ersetzen. Entscheidend für eine erfolgreiche Therapie ist, dass das Medikament dauerhaft eingenommen wird, nur so kann weiterer Haarsausfall verhindert werden!"
Bei Simon M. haben die Untersuchungen gezeigt, dass er nicht unter Mangelerscheinungen leidet. Der Trichoscanner wertet aus, welche Haarwurzeln noch aktiv sind, wo also Haare wachsen und wo nicht. Die Ergebnisse sind ernüchternd. Hautärztin Susanne Greve: "Unsere Ergebnisse zeigen hier, dass sich tatsächlich zu viele Haare in der Ausfallphase befinden. Zusammen mit den Blutergebnissen und der Familienanamnese kann man eigentlich ziemlich sicher sagen, dass es sich hier um einen genetischen Haarausfall handelt."
Mit diesem Ergebnis hat Simon M. schon gerechnet. Von Susanne Greve lässt er sich Haarwasser-Extrakte und Medikamente zeigen, die tatsächlich wirken. Allerdings sind die Tabletten rezeptpflichtig und werden von der Krankenkasse nicht bezahlt. 40 Euro kosten die Therapien pro Monat und sie können auch Nebenwirkungen haben. Eine weitere Möglichkeit: Die Haartransplantation. Doch sie ist sehr teuer -der Erfolg nicht 100prozentig sicher. Simon M. will sich noch Zeit lassen. Denn auch wenn es möglich sein sollte, Haarausfall mit medizinischen Mitteln zu bremsen – fraglich bleibt, ob es sich lohnt, dafür lebenslang Medikamente zu nehmen. Oder es nicht besser ist, sich dem natürlichen Lauf der Dinge zu ergeben.
Autor: Dirk Kunze (HR)
Stand: 10.11.2015 14:17 Uhr