So., 12.02.12 | 17:00 Uhr
Das Erste
Knallhart kalkuliert: Was kostet ein Schwein?
Hauptsache billig
Fleisch soll hygienisch sein, frei von Schadstoffen - hochwertig eben. Heute ist es aber vor allem eins: Billig. Discounter und Einzelhandelsketten überbieten sich mit Dumpingpreisen, Schweineschnitzel für vier Euro pro Kilo gibt es heute praktisch an jeder Ecke. Fast drei Viertel des Schweinefleischs gehen inzwischen im Rahmen von Sonderangeboten über die Ladentheke. Preisbewusste Verbraucher freuen sich darüber. Aber wie kann Fleisch zum Preis von vier Euro und weniger pro Kilo überhaupt produziert werden? Und was bedeutet das für Tiere und Mäster? W wie Wissen rechnet nach - bei einem Schweinehalter im Münsterland.
Schlechte Zeiten für Schweinehalter
Gut 30.000 Schweinehalter gibt es in Deutschland, 98 Prozent davon sind Familienbetriebe. So auch der von Markus Jeiler im Münsterland. Jeilers Großeltern kamen in den 1960er-Jahren noch mit 100 Mastschweinen über die Runden, ihr Enkel hat heute 3.000 Mastplätze. Damit ist sein Betrieb etwas größer als der Durchschnitt. Außerdem hält Jeiler 500 Muttersauen. Im Gegensatz zu den meisten Kollegen produziert er seine Ferkel also selbst. Jeiler betreibt eine "intensive" Mast, alles ist streng durchrationalisiert. Grundsätzlich kann er sich aber vorstellen, die Haltungsbedingungen seiner Schweine zu verbessern, den Tieren mehr Platz einzuräumen oder eine längere Mastdauer. Nur momentan ist daran nicht zu denken. Denn von dem, was er für seine Schweine bekommt, kann Markus Jeiler noch nicht mal seine Kosten decken.
167 Euro für ein Schwein
Das Leben eines Mastschweins dauert genau sechs Monate, vom "Abferkelstall" bis zum Schlachthof. Nach zwölf Wochen, wenn die Ferkel ein Gewicht von 30 Kilogramm erreicht haben, beginnt die eigentliche Mast. Bis hierhin kostet jedes Ferkel den Halter 63 Euro für Futter - aber auch für das Kastrieren der männlichen Ferkel. Das ist notwendig, da ansonsten ein Teil des Eberfleisches später einen strengen Geruch entwickelt und aussortiert werden muss. Um sein Schlachtgewicht von 120 Kilogramm zu erreichen, muss ein Mastschwein täglich 700 Gramm zunehmen. Allein fürs Futter zahlt der Schweinehalter 68 Euro pro Schwein. Dazu kommen fixe Kosten für Energie, Wasser, Stallgebäude, Versicherungen, Arbeitslohn und Transport der Tiere zum Schlachthof. Alles in allem muss Jeiler für ein Schwein also rund 167 Euro investieren. Um nur seine Kosten zu decken, müsste er pro Schlacht-Kilogramm Fleisch demnach etwa 1,70 Euro bekommen. Im Moment zahlt ihm der Schlachthof aber nur 1,50 Euro. Die Preise am Fleischmarkt variieren, aber zumindest zum Zeitpunkt der W wie Wissen-Recherchen verdient Jeiler an einem Schwein nichts - im Gegenteil, er zahlt sogar drauf.
Die Macht der Schlachtunternehmen
In Deutschland schlachten die drei größten Schlachtunternehmen mehr als die Hälfte aller Schweine - insgesamt über 50 Millionen im Jahr. Mit dieser Marktmacht können sie den Schweinehaltern ihre Preise fast nach Belieben diktieren, denn die haben kaum eine Wahl: Ins Regal können sie ihre lebendigen Produkte nicht zurücklegen. Sie müssen zu einem bestimmten Zeitpunkt verkaufen. Immerhin ein Fünftel des Fleisches verkaufen die Schlachtunternehmen an den Lebensmitteleinzelhandel. Bei ihrer Preisgestaltung lassen sich die Händler nicht in die Karten schauen, aber deutlich wird: An Sonderangeboten von vier Euro und weniger pro Kilogramm Schweinefleisch verdienen die Einzelhändler nichts. Solche Kampfpreise dienen einzig dazu, die Kunden in die Läden zu locken. Ein Preiskampf, bei dem die Schweinehalter die Verlierer sind - aber auch ihre Tiere. Denn höhere Standards in der Schweinehaltung wird es nur geben, wenn die auch bezahlt werden.
Verbraucher: Zünglein an der Waage
Hoffnung setzen Schweinehalter wie Markus Jeiler daher auf ein Umdenken bei den Verbrauchern. Aber würde sich tatsächlich etwas ändern, wenn die Verbraucher bessere Haltungsbedingungen einfordern würden - und dann bereit wären, dafür auch mehr Geld ausgeben? Christian Böttcher vom Bundesverband des deutschen Lebensmittelhandels ist sich sicher: "Wenn es eine höhere Verbrauchernachfrage nach qualitativ höherwertigen Produkten gibt, dann wird der Handel das auch bedienen, weil er darin einen Markt erkennt, in dem er höherwertige Produkte verkaufen kann." Eine Stellschraube im System von Angebot und Nachfrage sind also wir, die Verbraucher. Wenn wir bereit sind, für Fleisch tiefer in die Tasche zu greifen, werden die Erzeuger davon profitieren - und damit letztlich auch die Tiere.
Autor: Jakob Kneser (WDR)
Stand: 06.11.2015 13:49 Uhr