SENDETERMIN So., 05.08.12 | 17:00 Uhr

Pferderennen – schnell um jeden Preis?

Royal Ascot Rennen
Royal Ascot - eines der wichtigsten Pferderennen  | Bild: NDR

Pferderennen sind in Großbritannien ein Volkssport und nach dem Fußball der wirtschaftlich wichtigste Sport - mit einem Umsatz von sage und schreibe 4,5 Milliarden Euro jährlich. Hohe Preisgelder locken bei den Rennen. Doch der hohe Druck fordert auch Opfer.

Royal Ascot ist so etwas wie die Champions-League des Pferdesports. Die besten Vollblüter laufen hier. Und das Ganze hat Tradition! Das fünftägige Rennsportereignis wird seit über 300 Jahren von den Royals eröffnet. Auch Queen Elizabeth II. hat in diesem Jahr kein einziges Rennen verpasst. Ihr Pferd wurde allerdings nur Zweiter. Der König der Rennbahn heißt im Moment Frankel. Der gewann sein Rennen mit coolen 11 Pferdelängen Abstand vor dem Rest des Feldes. Sein Wert wird auf etwa 75 Millionen Euro beziffert. Doch er steht nicht zum Verkauf.

Große Gewinne winken

Vollblüter fangen mit dem Training an
Vollblüter fangen mit dem Training an. | Bild: BR

Bei solchen Summen wird einem fast schwindelig. Doch inzwischen mischen nicht mehr nur Superreiche oder Adelige mit. Die deutschen Möbelhausbesitzer Heiko und Helmut Volz ersteigerten die Stute Danedream für gerade mal 9.000 Euro. Heute hat sie schon mehr als zwei Millionen Euro Preisgeld eingelaufen. Anteilseigner an einem Rennpferd kann jeder werden. Besitzer sind heute oft Syndikate, Aktiengesellschaften oder Familien, die zusammenlegen.

Paul Webber trainiert in Banbury im Südwesten Englands 60 Vollblüter. Früh am Morgen geht es los mit dem Training. Das wichtigste dabei, so Paul:, die Pferde müssen Spaß haben und ihre Ausdauer und Geschwindigkeit langsam aufbauen. Überfordert man sie durch zu frühes Training, hat man Probleme.

Zu früh, zu viel, zu schnell - Knochenbrüche drohen

Danvilla im Galopp
Danvilla im Galopp  | Bild: BR

Rennpferde werden schon in jungen Jahren trainiert, wenn sie am schnellsten sind. Doch wenn man sie zu früh auf die Rennbahn schickt, riskiert man Knochenbrüche oder Sehnenrisse und somit den eventuellen Tod des Vierbeiners. Einer von Pauls Hoffnungsträgern ist die vierjährige Stute Danvilla. Sie musste schon mit zwei Jahren ihr erstes Rennen laufen, denn ihre Besitzer wollten unbedingt wissen, ob die Stute es wert war, sie noch länger im Training zu halten. Sie verletzte sich zum Glück nicht, hatte aber auch keine Erfolge. Paul Webber gibt ihr Zeit. Jetzt mit vier Jahren ist sie der Herausforderung körperlich und mental besser gewachsen, und Paul kann mit einem sanften Training neu beginnen.

Geduld und Vorsorge

Ein Pferd im "Pferdebad"
Das tägliche Bad | Bild: BR

Nach dem Galopptraining heißt es für Pauls Pferde immer: ab ins Wasser! Wassertreten und Schwimmbad stehen auf dem Programm, denn durch das viele Galoppieren bildet sich in den Sehnen eine enorme Hitze. Diese Hitze kann unter Umständen das Collagen der Sehnen zum Schmelzen bringen, und dann sind Verletzungen vorprogrammiert.

Geduld und Vorsorge sind notwendig, doch das Wichtigste ist, laut Paul: Wenn man ein junges Pferd hat, muss man es geduldig und gut behandeln – und ihm gute Manieren beibringen. Dann findet sich für das Tier, auch wenn es im Rennzirkus nicht erfolgreich ist, andere Aufgaben. Nicht alle Rennpferde haben erfolgreiche Karrieren. Doch wenn sie nette, gut erzogene Pferde sind, findet sich jemand, der sie als Freizeitpferd verwendet und pflegt.

Das Schicksal ausrangierter Rennpferde

Ein Mann führt ein Pferd
Dene Stansall rettete La Vizelle vor dem Schlachter  | Bild: BR

Leider sind nicht alle Trainer so fürsorglich wie Paul Webber. Die Organisation Animal Aid schätzt, dass im Jahr circa 1.000 Rennpferde in Großbritannien beim Schlachter landen. Das Fleisch wird dann oft exportiert. Der Tierschützer Dene Stansall war einmal ein Wettkönig. Er hat als Mathematiker und Enkel eines Buchmachers alle Tricks und Wahrscheinlichkeiten studiert, die es ihm erlaubten, hohe Gewinne beim Wetten auf Rennpferde zu machen. Irgendwann fing er jedoch an, sich für das Schicksal ehemaliger Rennpferde zu interessieren und war entsetzt herauszufinden, dass ein solch großer Anteil im Schlachthaus endet. Seitdem kämpft er dafür, dass die Rennindustrie einen bestimmten Prozentsatz der Gewinne für die Altersvorsorge von Rennpferden zur Verfügung stellt.

Er fordert auch, dass eine unabhängige Organisation Rennveranstaltern, Besitzern und Trainern auf die Finger schaut. Es kommt immer wieder zu schlimmen Unfällen und Knochenbrüchen auf den Rennstrecken – das ist vermeidbar, sagt der Tierschützer. Seine Kritik: viele Pferde werden überfordert, es wird zu viel von ihnen verlangt. Auf der Webseite von Animal Aid führt Dene eine sogenannte Todesliste, in der alle Pferde aufgeführt werden, die auf den Rennbahnen umkommen. In den letzten 2.000 Tagen sind 840 Rennpferde gestorben. Wenn das Publikum das wüsste, sagt Dene, würden nicht mehr so viele wetten oder Rennen besuchen. Die Industrie müsse transparenter werden und besser aufklären, denn im Moment, so Dene, erfülle sie ihre Aufgabe nicht.

Autorin: Nicoletta Renz (BR)

Literatur:
Das Schicksal der weißen Pferde: Eine andere Geschichte des 20. Jahrhunderts
Frank Westermann
Beck Verlag; München; 2012
287 Seiten, Gebundene Ausgabe, 19.95 Euro

Zusatzvideo: Sich einmal fühlen wie auf dem Sattel eines Rennpferdes: Aus der Jockey-Perspektive wird deutlich, wie rasant es im Reitsport zur Sache geht. Viele Pferdetrainer muten ihren Tieren immer schnellere und waghalsigere Rennen zu. Das Training ist oft brutal und riskant. Doch es gibt auch Ausnahmen wie der Trainer dieser Rennpferde im englischen Banbury. Mit Geduld und Sorgfalt versucht er seine Tiere auf den Rennsport vorzubereiten. Er ermöglicht ihnen damit ein würdevolles Leben auch nach ihrer Rennkarriere, zum Beispiel als Freizeitpferd.

Stand: 07.11.2012 20:11 Uhr