Sa., 15.08.20 | 16:00 Uhr
Das Erste
Hygiene: Ansteckungsgefahr öffentliches WC?
Sie besteht nur aus einer großen Unisex-Kabine, die Oberflächen sind aus ansprechendem Edelstahl. Das Material der Sitzbrille ist keimhemmend. Die Spülung löst mithilfe eines Sensors kontaktlos aus. Und sobald die Bewegungsmesser melden, dass der Raum verlassen wurde, reinigt sie sich automatisch: die selbstreinigende Toilette.
Die neuartige Hightech-Toilette tritt an, das Schmuddel-Image der öffentlichen Toilette zu verbessern. Denn viele verbinden mit dem Gang auf das öffentliche Klo noch immer schlechte Erfahrungen – zu Recht? Sabine R. Mück kennt sich aus mit öffentlichen Toiletten. Die Hygiene-Expertin aus Cuxhaven gibt bundesweit Schulungen bei den Reinigungsunternehmen öffentlicher WC-Anlagen und weiß genau, wie die Realität aussieht: "Leider fällt die Bewertung nach wie vor sehr unterschiedlich aus. Denn gerade Toiletten sind einer der typischen Bereiche, wo gerne auch mal gespart wird: An den Reinigungsintervallen oder auch an der Zeit, die eine Reinigungskraft für die Reinigung hat. Entsprechend fällt die Qualität der Reinigung aus. Der Kunde ist dann zurecht skeptisch, ob das eigentlich noch etwas mit Hygiene zu tun hat."
Und dann beginnen die Nutzer damit, was das Ganze noch verschlimmert: mit der Akrobatik. Sie legen die Sitzbrille aufwendig mit Klopapier aus. Vermeiden direkten Kontakt. Oder sie stellen sich sogar mit den Füßen auf die Sitzbrille. Oft hinterlassen sie das stille Örtchen so deutlich dreckiger, als sie es vorgefunden haben. Der nächste Nutzer findet die Toilette entsprechend verunreinigt – die Negativspirale nimmt ihren Lauf.
Viele Reinigungsunternehmen machen ähnliche Erfahrungen mit Vandalismus: Ist die Wand erstmal beschmiert, scheint eine unsichtbare Grenze durchbrochen. Wenige Tage später folgt die zweite Schmiererei. Wenige Wochen später ist der ganze Raum verunstaltet. Umso wichtiger sind regelmäßige Kontroll- und Reinigungsintervalle.
Nach jeder WC-Nutzung: Reinigung
Und genau da kommt die selbstreinigende Toilette ins Spiel. Am Münchener Partnachplatz wurde im Rahmen einer städtischen Toiletten-Offensive eine solche Anlage installiert. Herzstück der neuartigen Anlage ist der Technikraum. Dorthin wird die Toilettenschüssel nach der Benutzung eingezogen und unter Hochdruck mit Desinfektionsmittel gereinigt. Beim Rausfahren wird die Brille wieder getrocknet, sodass der nächste Nutzer eine saubere Kontaktfläche vorfindet. In regelmäßigen Abständen kommt eine Bodenreinigung dazu. Dafür wird aus der Sprühleiste gegenüber des WC-Topfes mit Hochdruck Wasser über den Boden geschossen. Die gesamte Technik wird per Fernwartung überwacht und meldet Defekte sofort automatisch an die Zentrale in Burbach in Nordrhein-Westfalen. Aktuell laufen darüber hinaus Tests mit einem keimhemmenden Oberflächenspray, das häufig angefasste Oberflächen vor Keimen schützen soll.
Die selbstreinigende Toilettenanlage hat nicht nur den Vorteil, dass alle Spuren des Vorgängers garantiert beseitigt sind. Sie reduziert auch die notwendigen Reinigungsintervalle. Je nach Nutzerfrequenz muss die Reinigungskraft unter Umständen nur noch einmal täglich zur Kontrolle vorbeischauen. Grundsätzlich gilt: Es gibt kein festgelegtes, standardisiertes Reinigungsintervall für öffentliche Toiletten - die Reinigungsintervalle werden in den Wartungsverträgen zwischen Reinigungsunternehmen und Kommunen festgelegt und bei auftretenden Hygieneproblemen oder beispielsweise auch in Ausnahmesituationen wie Corona angepasst.
Vielerorts lauern mehr Keime als auf dem Klo
Nicht zuletzt aufgrund solcher Maßnahmen gehört das schlechte Image der öffentlichen Toilette für Sabine R. Mück auch vielerorts der Vergangenheit an. Das zeigt auch ein einfaches Experiment: Abklatschproben von verschiedenen Alltagsorten, die für 36 Stunden bei 30 Grad im Wärmeschrank gelagert wurden.
Die Proben stammen von:
- einem Aufzugschalter in einem Einkaufszentrum
- von einer Handyoberfläche nach einem Tag bei einer normalen Nutzung ohne Zwischenreinigung
- einem Spültuch nach zwei Tagen Nutzung in einer Haushaltsküche
- eine Probe von einem gereinigten (nicht desinfizierten) Toilettensitz.
Die Proben wurden sowohl auf die Gesamtkeimzahl (Bakterien) als auch auf Pilze oder Hefen untersucht.
Das Ergebnis: Ein im normalen Zyklus gereinigter Toilettensitz weist deutlich weniger Keime auf als die vermeintlich harmloseren Vergleichsobjekte Handy, Spüllappen und Aufzugschalter.
Vor einer weiteren Beobachtung warnt Sabine R. Mück bei ihren Schulungen immer wieder: "40 Prozent der Nutzer waschen sich nach dem Toilettenbesuch nicht die Hände und gehen dann an ihren Arbeitsplatz. Sie haben Kontakt zu anderen Menschen oder fassen Dinge an. Die Einschätzung, dass Händewaschen etwas bringt, ist so ein bisschen verloren gegangen. Früher hatten wir klassisch diese Kinderreime. 'Nach dem Spielen, vor dem Essen Händewaschen nicht vergessen." Viele machen das aber nicht mehr."
Gerade Türklinken, Tasten und Schalter werden so zu echten Keimfallen, die weitaus infektiöser als die eigentliche Toilette sind und die man deshalb beim Toilettenbesuch möglichst nicht direkt anfassen – und sich die Hände gründlich waschen sollte. "Dafür muss man die Menschen wieder sensibilisieren", sagt Mück. Ihr Tipp zum Verhalten auf öffentlichen Toiletten fällt daher – unabhängig von Corona – entsprechend kurz aus: "Hände waschen. Hände waschen. Hände waschen."
Autor: Fabian Wolf (WDR)
Stand: 15.08.2020 17:27 Uhr