Sa., 18.01.20 | 16:00 Uhr
Das Erste
Mikrobiom: Reise zum Mittelpunkt des Menschen
Als sich im Jahr 1966 in dem Science-Fiction-Film "Die phantastische Reise" eine Gruppe von Menschen in einem geschrumpften U-Boot auf eine Reise durch die menschlichen Blutgefäße aufmacht, war die Begeisterung beim Publikum groß. Heute ist zumindest eine Reise durch den menschlichen Verdauungstrakt dank neuartiger, verschluckbarer Kamerasysteme möglich. Sie bieten Einblicke in Bereiche des Körpers, die lange Zeit für die Medizin ein "Schwarzes Loch" waren – wie etwa der Dünndarm, der mit herkömmlichen endoskopischen Verfahren praktisch nicht untersucht werden konnte. Erst seit einigen Jahren lässt sich der faszinierende Weg unserer Nahrung durch das Verdauungssystem lückenlos abbilden.
Die Reise der Nahrung beginnt ruppig – im Mund
Der Akt unserer Nahrungsverdauung beginnt bereits im Mund. Hier wird die Nahrung nicht nur grob zerkleinert, auch Enzyme im Speichel beginnen bereits, einige Bestandteile der Nahrung zu zersetzten. Nach dem ruppigen Auftakt der Reise, geht es dann die Speiseröhre hinab. Dabei fällt die Nahrung nicht einfach nach unten, die wird dank sogenannter peristaltischer Bewegungen in den Magen befördert. Wir könnten sie also auch herunterschlucken, wenn wir auf dem Kopf stehen. Im Magen wartet dann ein Bad aus schwacher Salzsäure auf die bereits zerkleinerte Nahrung, in dem sie rund 1 bis 3 Stunden verbleibt.
Der Dünndarm – unser Hauptverdauungstrakt
Der sogenannte Pförtnermuskel gewährt den Nahrungsresten schließlich nach und nach Einlass in den Dünndarm, sobald der Nahrungsbrei ausreichend zersetzt ist. In diesem Abschnitt findet der wichtigste Teil der Verdauung statt. Alle verwertbaren Bestandteile der Nahrung, die unser Körper mithilfe von Enzymen selbst aus der Nahrung herauslösen kann, werden hier bereits den Speiseresten entzogen. Das gelingt unserem Körper dank einer auf unzählige kleine Zotten verteilten und damit stark vergrößerten Darmoberfläche, durch die Nährstoffe aus unserer Nahrung in die die Blutbahn gelangen. Rund 3 bis 7 Stunden dauert die Wanderung durch diesen etwa sieben Meter langen Teil unseres Darms. Übrig bleiben jetzt nur noch unverdauliche Bestandteile, die gemeinhin als Ballaststoffe bezeichnet werden.
Im Dickdarm übernehmen die Bakterien
Um auch aus diesen Resten noch die letzten wertvollen Bestandteile herauszuholen, setzt unser Dickdarm auf die Hilfe einer ganzen Armee von Mikroorganismen - auf unser Mikrobiom. Es besteht aus über 1.000 verschiedenen Spezies von Viren, Pilzen, vor allem aber Bakterien - sie machen über 90 Prozent unserer Darmflora aus. Rund 100 Billionen von ihnen leben in uns. Besonders begehrt sind bei unseren Untermietern die Ballaststoffe und die darin enthaltenen Polysaccharide. Die Bakterien bauen sie ab und machen daraus kurzkettige Fettsäuren, wie die Buttersäure. Das darin enthaltene Butyrat können die Zellen in Darm prima verwerten. Dafür brauchen sie aber genügend Ballaststoffe aus pflanzlicher Nahrung.
Antibiotika zerstören das Mikrobiom-Gleichgewicht
Gerät das Gleichgewicht zwischen den Bakterien in unserem Darm in Schieflage, kann es zu gefährlichen Erkrankungen wie Entzündungen der Darmwand kommen. Das geschieht beispielsweise, wenn nützliche Bakterien durch Antibiotika aus Medikamenten oder Rückständen in Lebensmitteln traktiert werden. Dann können sich schädliche Organismen wie das stark antibiotikaresistente Bakterium Clostridium difficile plötzlich ungehemmt vermehren und dabei ein Gift produzieren, das die Membran in der Darmwand schädigt, die unseren Körper vor Infektionen schützt. Eine gesunde Ernährung bewahrt uns allerdings vor so einem Ungleichgewicht.
Am Ende der Verdauung bleibt fast nichts übrig
Nach durchschnittlich 25 bis 30 Stunden im Dickdarm verlassen die Überreste unserer Nahrung den Körper. Ausgeschieden werden am Ende allerdings fast keine Nahrungsreste, sondern neben abgestorbenen Zellen hauptsächlich Bakterien und andere Mikroorganismen. Auch Dank unseres Mikrobioms könnten praktisch alle Nährstoffe aus unseren Nahrung verwendet werden.
Beim letzten Akt der Verdauung könnte unser Darm allerdings ein wenig Unterstützung gebrauchen: Oft sitzen wir falsch auf der Toilette. Durch unsere typische Sitzhaltung auf dem Klo klemmen wir den letzten Teil unseres Darms ein wenig ab. Viel gesünder wäre es, das Geschäft in der Hocke zu verrichten. Ein kleiner Schemel vor der Toilette kann helfen, unsere Beine ein wenig anzuheben und den Darm so gerade zu halten.
Autor: Frank Bäumer (BR)
Stand: 15.08.2020 12:37 Uhr