Sa., 29.07.23 | 23:35 Uhr
Das Erste
Anke Prumbaum: Nichtstun
Guten Abend!
Rehaklinik. Da war ich in den letzten Wochen. Ich stehe da mit der Ergotherapeutin, ich hab dieses rote Gummiband um meine Füße und schwitze. Das operierte Bein muss ich ausstrecken und noch hochziehen. Meine Muskeln zittern, es ist total anstrengend. Und dann darf ich endlich lockerlassen. Und als ich wieder anspannen will, hält sie mich zurück. Stop, sagt sie. Nicht so schnell. Die Pause ist wichtig!
Ich merk, ich kann das kaum akzeptieren. Ich will doch weiterkommen! Wieder fit werden, dafür bin ich doch in der Reha!
Sie sagt das, was im Grunde alle in dieser Klinik sagen: Das, was Sie erreichen möchten, passiert in den Pausen. Nicht in der Anspannung, sondern in der Entspannung. So ein Muskel heilt und wächst und nährt sich nicht in den Übungen, so kraftvoll sie auch sind, sondern danach. Da geht die Arbeit los.
Alle reden sie in der Reha von den Pausen. Und sie meinen die Pausen nicht zum Kraftschöpfen für die nächste Aufgabe, zur Regeneration, zum Relaxen. Sondern als Zeit des Aufbaus. Als Zeit, in der etwas passiert, ohne dass ich in dem Moment aktiv etwas dafür tue.
Nachdem ich das von etlichen Leuten da wieder und wieder gehört hatte, hat sich das echt in meinem Kopf festgesetzt. Sowas wie ein "Aha-Effekt". Und ich hab drüber nachgedacht, was mir das sagt – nicht nur als Patientin mit operiertem Bein, sondern als Mensch, als Christin, als Pfarrerin, als Seelsorgerin.
Ich seh mich in meinem vom Vorwärtsdrang bestimmten Leben, und da sind Geschichten aus der Bibel, die ich gerne mal übersehe. Die Pausengeschichten. Jesus hat ja auch immer wieder Pausen gemacht. Er ist weggegangen, ausgestiegen aus dem Rummel, aufs Boot, auf einen Berg, weg von den Menschen. Leute, die er geheilt hat, hat er vor die Stadt geführt - weg von den ganzen Menschen. Er hat geredet, gegessen und gepredigt, mittendrin. Aber dann hat er eine Pause gemacht. Immer wieder.
Das Wesentliche passiert in den Pausen. Wenn ich‘s recht bedenke, weiß ich das. Die besten Ideen habe ich, wenn ich den Kopf frei habe. Wenn ich einen Schritt zurück trete. Mit dem Hund raus, auf dem Fahrrad. Und die meisten Konflikte sortieren sich im
Nachhinein, nach dem Streiten, nach dem Diskutieren, wenn Ruhe einkehrt. Dann sehe plötzlich deutlicher, was der Punkt ist.
Ich stehe da mit meinem Reha-Trainingsplan und will alles ganz effektiv und möglichst viel - und muss das Umgekehrte lernen: Das, was ich will, passiert nach meiner Aktivität. In den Pausen.
Die braucht der Körper und die braucht die Seele auch. Jesus hat das schon gut erkannt. Und ich höre den alten Herrn in der Reha, lange schon im Ruhestand, der mit bitterem Zug in der Entspannungsrunde sagt: "Ja, sowas gibt es jetzt hier. Aber da draußen, im wahren Leben, da ist dafür kein Raum. Da geht es nur ums Machen, immer zügig, immer weiter. Und wir müssen alle mitmachen."
Wie traurig. Und wie gut so ein Gedanke, der so anders ist: Das Entscheidende geschieht in den Pausen.
Tja, und was ich manchmal übersehe: Ich begegne tatsächlich auch Gott eher in den Pausen. Weniger da, wo ich bete, rufe, frage oder diskutiere, sondern wo ich damit aufhöre und einfach nur höre, schweige, wahrnehme, verstehe.
So einfach kann das sein, manchmal, und doch so schwer. Vom roten Gummiband zum Gotteserleben. Was so eine Pause alles möglich macht!
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.