Sa., 27.07.24 | 22:30 Uhr
Das Erste
Anke Prumbaum: Viel mehr als Sport
Olympia. Gestern die Eröffnungsfeier – und schon Sabotageakte. Heute der erste offizielle Wettkampftag – enorme Sicherheitsmaßnahmen in Paris. Ich hab ja auch eine Medaille aus Paris. Meine persönliche sportliche Höchstleistung, ein Halbmarathon. Mit großen Problemen an den Füßen danach. So weit war‘s also mit meiner Sportlichkeit, dass ich mich offenbar noch nicht mal um ordentliches Schuhwerk kümmern konnte. Naja, ich bin ja auch weder Funktionärin, noch Leistungssportlerin, noch Sponsorin – ich bin Pfarrerin. Und als solche schau ich mir Olympia an. Und ich bete, dass es keine weiteren Gewalttaten gibt.
Da seh ich natürlich erst einmal die Athletinnen und Athleten. Die, die sich jahrelang mit unendlicher Disziplin auf Wettkämpfe vorbereiten. Was für ein Druck! Was für eine Anstrengung! Und was für ein Lohn – wenn es denn einen gibt.
Ich sehe auch das andere: Stadionszenen der Solidarität, das gibt es ja, dass innegehalten wird, um anderen zu helfen oder mal ganz am Rand die Schönheit der Kostüme der mongolischen Delegation. Und das Team der Geflüchteten. Ich spüre Beklemmung, wenn ich lese, wie betroffen Frauen sind, weil ein Sportler antritt, der für ein Gewaltverbrechen verurteilt ist – auch wenn ich weiß, dass jeder Mensch eine 2. Chance verdient.
Ursprünglich sollte Olympia mal Grenzen zwischen Nationen überwinden. Die fünf Ringe stehen für die fünf Kontinente unserer Erde. Miteinander verbunden. Heute überwindet Olympia oft auch Grenzen des Anstands, des Machbaren, des Vertretbaren. Des Angemessenen. Das finde ich schade, und das ist weit weg von der neuzeitlichen olympischen Idee, die ja Ende des 19. Jh. durch Coubertin neu begründet worden ist. Seine Idee war so schlicht wie aktuell: Sport sollte Menschen aller Nationen zusammenbringen. "All sports, all nations", weltverbindend. Daher rührt auch der Gedanke, der in den letzten Tagen nochmal durch Einige betont worden ist: der des olympischen Friedens. In der Antike war das "nur" ein Wegfrieden, damit die Athleten unbeschadet zum Wettkampfort kommen konnten – wobei selbst das heutzutage ja großartig wäre. Man stelle sich das mal konkret vor! Gefahrlose Abreise der ukrainischen Athleten aus ihrem eigenen Land zum Wettkampfort – weil die Waffen schweigen. Wow.
Eigentlich war für Coubertin der Sport fast nur Mittel zum Zweck – damit Menschen zusammen etwas erlebten. Das war für ihn Schlüssel zu Frieden und Toleranz. Man kann heute noch ein bisschen davon ahnen, bei der Schlusszeremonie: Da kommen nämlich alle Sportlerinnen und Sportler bunt durcheinander, unabhängig von ihren Nationen, ins Stadion – anders als gestern, bei der Eröffnungsfeier. Wo alle schön hinter ihrer Fahne her geschippert sind.
Diese Buntheit ist für mich DAS Bild der Menschheitsfamilie und meine christliche Vorstellung daran: Wir Menschenkinder sind Gottes Kinder. Verbunden in einer vielfältigen Gemeinschaft. Klappt in der Realität oft nicht, aber ich halte trotzdem daran fest.
Und deshalb, wissen Sie: Ich glaube wirklich, dass Olympia tatsächlich Grenzen überwinden muss und dass das unserer Welt gut tut, nicht nur der Welt des Sports gut tut. Sondern echt Horizonte öffnet, Begegnungen schafft, große Momente schenkt.
Ich wünsche Ihnen, uns, tolle, faire, friedliche Spiele und einen gesegneten Sonntag.