Sa., 28.12.24 | 23:50 Uhr
Das Erste
Anke Prumbaum: Zwischen den Jahren
Guten Abend! Manche Leute nennen diese Zeit jetzt ja „Zwischen den Jahren“ Ist ja eigentlich Quatsch, wir sind nicht zwischen den Jahren, sondern noch im alten Jahr drin. „Zwischen den Jahren“ gibt es nicht, entweder man ist noch im Alten oder schon im Neuen. Echt? Oder steckt in dem Zwischenraum zwischen dem Alten und dem Neuen eine tiefere Wahrheit? Ich hab im Krankenhaus, in dem ich als Seelsorgerin arbeite, letzte Woche mit einer Patientin gesprochen, sie war beim Routinecheck, und plötzlich war klar: da ist was, das gehört da nicht hin. Das muss man abklären.
Und dazwischen zu sein – diese Unsicherheit kennen wir alle - zu wissen: Mein Leben wird sich verändern, aber eben noch nicht zu wissen, was da kommt – sie hält’s kaum aus, sagt sie. Dazwischen. Was mir vertraut ist, worauf ich mich bisher verlassen hab, gilt nicht mehr. Aber zugleich weiß ich noch nicht, was das Neue bringt. Eine Kollegin von mir wechselt die Stelle. Im Moment arbeitet sie noch im alten Arbeitsfeld, aber irgendwie ist sie auch schon aufgebrochen zum Neuen. Sie hat innendrin schon Abschied genommen, ohne schon das Neue angefangen zu haben. „Ich weiß gar nicht, wo ich hingehöre“, sagt sie. „Ich häng´ irgendwie dazwischen.“ Zwischen alt und neu. Ich bin schon raus aus dem, was war, aber noch nicht im Neuen angekommen.
Das gibt es, und ich kenne das genauso wie Sie. Und wir wissen, wie unangenehm das sein kann, krisenhaft, und oft auch Kampf bedeutet, harten Kampf. Das erleben Menschen seit Urzeiten und selbst die Bibel kennt das. Dieses „Dazwischen“ ist Thema einer meiner absoluten Lieblingsgeschichten. Sie ist geheimnisvoll, kaum zu verstehen. Sie handelt von jemandem, der schon einiges erlebt hat, viel Mist, aber dann auch viel Erfolg. Er macht sich auf den Weg, will sich mit seiner alten Familie versöhnen. Er kommt an einen Fluss, er heißt Jabbok. Und er lässt sein ganzes Gepäck schon rüberbringen ins neue Land, in die Zukunft quasi. Aber er selbst bleibt noch für eine Nacht allein zurück im Alten. In dieser Nacht – und das ist eine Nacht des Dazwischenseins – muss er kämpfen - mit einer Gestalt. Er weiß nicht, wer das ist, aber er weiß, dass er kämpfen muss - darum, dass er am nächsten Tag in´s Neue weitergehen kann. Und während des Kampfes merkt er langsam, mit wem er es da zu tun hat.
Er kämpft mit – Gott! So steht es im ersten Buch Mose. Es ist ein ewig langes Ringen, keiner gibt nach, eigentlich gibt es keinen Sieger und keinen Besiegten, aber als am Morgen die Sonne aufgeht, hat sich der Mensch irgendeine Art von Segen für seine Zukunft erkämpft. Aber er hat dafür bezahlt. Er kann nur hinkend weitergehen. Ich finde die Geschichte so wahr. Dazwischen zu sein bedeutet so oft, kämpfen zu müssen. Zwischen den Jahren. Es gibt ziemlich vieles, weswegen ich aktuell mit Gott kämpfe, hier, zwischen den Jahren.
Diese ganzen Kriege, so viel Gewalt, Hoffnungslosigkeit. Und Fragen. Die alte Regierung ist Geschichte, im Februar ist Wahl, und was kommt dann? Wie wird das Dazwischen gestaltet? Die Bibelgeschichte, von der ich erzählt habe, verspricht mir: Mit Gott kämpfen ist richtig. Ringen, schütteln, festhalten, beten, dranbleiben. Und auch wenn ich mit einem blauen Auge, oder hinkend, aus diesem Ringen rausgehe, geh ich gesegnet raus. Das ist dann kein easy happy end. Ohne Blessuren geht’s nicht, wenn ich so ein „Dazwischensein“ aushalten muss.
Aber weitergehen kann ich als Gesegnete. Das ist meine Hoffnung. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch ein paar gesegnete Tage zwischen den Jahren!