Sa., 12.10.24 | 23:45 Uhr
Das Erste
Lissy Eichert: Wunschzettel
Guten Abend.
Spontan ergattere ich eine Mitfahrgelegenheit. Die Anschnallgurte klicken. Es kann losgehen. Die Fahrerin schließt ihre Augen und drückt beide Daumen. "Alles in Ordnung?“, frage ich irritiert. "Ja, klar", sagt sie und startet. "Ich habe uns beim Universum nur schon mal einen Parkplatz bestellt." Käme bei der Parkplatzsituation bei mir in Berlin-Neukölln einem Wunder gleich.
Wir quälen uns durch den Feierabendverkehr. Derweil erfahre ich von ihrem größten Wunsch: "Ich habe mir beim Universum einen Mann gewünscht, also eher bestellt, mit allem Drum und Dran, treu, klug, umwerfend sexy. Nur beim Lieferdatum werde ich langsam unruhig." Familienplanung, die biologische Uhr… Aha, das Universum lässt sich Zeit beim Wünsche erfüllen. In Sachen Parkplatz hat es aber fix gearbeitet: eine freie Parklücke direkt vor der Tür. Scheint in diesem Fall funktioniert zu haben.
Wünsche und Bitten an eine Macht zu richten, die größer ist als ich, damit sie mich unterstützt - kann ich total verstehen. Und Anliegen hat ja jede und jeder, ganz alltägliche wie Parkplatz, ganz existentielle wie Gesundheit und - um Himmels Willen - endlich Frieden.
Das Universum als Adresse für Wünsche und Sehnsüchte wird immer beliebter. Aber warum? Ich denke: Weil der Begriff „Gott“ für viele verbraucht ist. Oder weil er mit Kirche verbunden wird. Und die hat viel Vertrauen verspielt, an Glaubwürdigkeit verloren. Viele tun sich auch schwer mit einem personalen Gott, also mit einem Gott, zu dem ich Du sagen kann. Dann doch lieber das große „Es“ des Universums.
Ich finde ja gerade dieses „Du“ Gottes hilfreich. Die Bibel beschreibt Gott als das Leben. Als Quelle des Lebens. Fülle des Lebens. Als Geheimnis des Lebens. Schaue ich ins Universum, kann ich etwas erahnen von diesem Geheimnis. Auf „Du und Du“ sein zu können mit dem Urheber allen Lebens - das fasziniert mich.
Nicht Wenige halten das für Wunschdenken, für spirituellen Humbug. Und natürlich kann ich meine Verantwortung für das, was ich selber tun kann, nicht wegschieben, nicht auf Gott und nicht aufs Universum.
Auf „Du und Du“ mit Gott. Das bedeutet allerdings auch, mich auf eine partnerschaftliche Beziehung mit meinem Gegenüber einzulassen. Also dass nicht nur ich Gott mit meinen Bitten bestürme, sondern genauso frage: Was wünschst Du Dir von mir? Welche Bitte willst Du mir aufs Herz legen? Was meine oft doch recht egozentrische Wunschliste erstaunlich erweitert: Ich werde angeregt, größer oder ganz anderes zu denken.
In manchen Kirchen liegen Fürbittbücher aus. Ein Stift daneben zum Reinschreiben, was einem auf dem Herzen liegt – dass es mit der Bewerbung klappt, zum Beispiel, oder die OP des Freundes gut ausgeht. Es geht um Versöhnung oder die Angst vor der Matheklausur. Und oft steht dort einfach nur „Danke!“ Da scheinen Gebete erhört worden zu sein.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag.