Sa., 12.04.25 | 23:45 Uhr
Das Erste
Magdalena Kiess: Keine Eselei
Guten Abend
In Süddeutschland gibt es diese schöne Tradition: Die Person, die am Palmsonntag am längsten schläft, ist der Palmesel. Ich hab früher oft gewonnen ;)
Ein heiterer Moment zu Beginn der ernsten Karwoche. Und ein Scherz, der dazu passt, dass Esel ja gerne Mal belächelt werden.
In der Geschichte des Palmsonntags spielt ein ESEL eine BEKANNTE, aber wenig beachtete Rolle. Jesus reitet auf einer Eselstute nach Jerusalem ein - wo er mit seinen Freundinnen und Freunden das Pessachfest feiert, bevor er verraten und gekreuzigt wird.
Warum ausgerechnet eine Eselin? Ok, Jesus erfüllt damit eine prophetische Weissagung des Alten Testaments. Und er setzt ein Zeichen: Er kommt nicht als mächtiger König auf einem Kriegspferd daher, sondern auf dem Tier der EINFACHEN Leute. Ich bin einer von euch, sagt er damit – einleuchtend.
Aber da muss noch mehr sein: Esel scheinen es Jesus ja irgendwie angetan zu haben. Einer begleitet ihn nicht nur am ENDE seines Lebens, sondern auch an dessen Beginn: VOR seiner Geburt trägt ein Esel die hochschwangere Maria nach Betlehem. Von der Krippe bis zum Kreuz ist der Esel dabei. Ein schönes Symbol: Gott wählt nicht Prunk und Prestige, sondern Einfachheit und Demut.
Eine wichtige Erinnerung! Denn oft übersehen wir das Unscheinbare und Bescheidene. Oft belächeln wir das Langsame und Ruhige. Und schnell kann man sich selbst wie der Esel unter den Pferden fühlen: auf einer Party, wo alle glänzen – und man selbst ist unsicher; oder im Beruf, wenn es bei anderen mühelos läuft und man selbst scheinbar nur die Lasten trägt. [Was kann ich schon beitragen? Was zählt meine Stimme?] Der Palmsonntag zeigt: Gott sieht das Unscheinbare und er baut sogar darauf. Er wählt die Eselin - aus gutem Grund.
Denn so ein Esel hat viele Stärken: Was oberflächlich als "Sturheit" abgetan wird, ist in Wahrheit unterscheidende Klugheit. Wenn ein Weg sicher ist, geht en Esel mutig und ausdauernd voran. Wenn nicht, dann nicht. :)
Jesus - verkörperte DIESELBE Weisheit der Unterscheidung. Er sagte "JA" zu seinem Auftrag und entschieden "Nein" zu erstarrten religiösen Vorschriften. Er brachte eine Revolution – aber durch WERTE.
Die Jerusalemer Menge jubelt ihm zu, hat aber seine wahre Botschaft nicht verstanden. Die Begeisterung schlägt um. Viele Menschen, die "Hosianna" rufen, schreien wenige Tage später "ans Kreuz mit ihm!" Warum? Weil er doch nicht ihren Erwartungen entspricht.
Erschreckend aktuell! Promis, die heute gefeiert werden, stehen morgen oft schon im digitalen Kreuzfeuer. Freunde werden nach einem Streit plötzlich ignoriert. Oder Nachbarn werden wegen irgendeiner Kleinigkeit zum Gesprächsthema.
Die Eselin vom Palmsonntag lehrt uns Besseres: Nicht blind folgen, sondern klug Abwägen ist ihre Strategie. Statt hastiger „Likes“ und schneller Empörung lädt die Eselin dazu ein, stehen zu bleiben, still zu werden und zu hinterfragen. Welchen falschen "Hosianna-Rufen" sollten wir mit derselben Unterscheidungskraft begegnen? Wo wäre ein mutiges "Ja" zum Richtigen und ein ebenso mutiges "Nein" zum Falschen nötig?
Der Palmsonntag fordert uns heraus: Entwickle deinen moralischen Kompass! Habe den Mut, zu unterscheiden, welcher Stimme du folgst! Ob energisch wie Jesus oder still und bedacht wie die Eselin.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Nacht.