Sa., 22.04.23 | 23:35 Uhr
Das Erste
Annette Behnken: Noch zu retten?
Haben Sie das auch schon mal gemacht? "ChatGPT" ne Frage gestellt? Ich hab dieser künstlichen Intelligenz - oder KI - mal eine der ganz großen Fragen gestellt: Kannst du die Welt retten? Ich find das ja schon 'n bisschen unheimlich mit dieser KI. Die kann mir jede Frage irgendwie beantworten. Aber selbst Fachleute sind sich nicht einig, wie sich das weiterentwickeln wird. Ob`s Fluch ist oder Segen.
Naja. Die Welt retten kann ChatGPT nicht. Auf meine Frage kommt die Antwort: „Es liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen von uns, die Welt zu einem besseren Ort zu machen“ und dann kommen die bekannten Hinweise, ökologischer Fußabdruck, Nachhaltigkeit.
Alles richtig. Aber irgendwas fehlt mir.
Es ist ja so: Was wir jetzt gerade erleben, sowohl in der digitalen Welt als auch mit der Natur, mit dem Klima - das ist mit nichts vergleichbar, was bisher war. Digital: mit nichts, was wir schon kennen. Und das Klima: Mit nichts zu vergleichen seit dem Ende der Eiszeit. Das sind Megathemen und Megakrisen. Und die machen viele von uns nervös. Und wir werden depressiv, aggressiv, hyperaktiv. Und wenn jetzt die letzte Generation in Berlin in ihren Methoden krasser wird, dann versteh ich, ob ich nun die Methoden befürworte oder nicht, ich versteh die Verzweiflung dahinter.
Aber irgendwas fehlt mir. Und ich hab den Eindruck, das geht nicht nur mir so.
Ich möchte endlich wieder mit sowas wie Zuversicht und Hoffnung in die Welt gucken. Obwohl ganz viel dagegen spricht. Ich will wieder Zukunftslust haben. Ohne dabei irgendwas kleinzureden.
Ein paar Leute, denen es so ähnlich ging, haben gesagt: Eigentlich brauchen wir ein Ministerium für Neugierde und Zukunftslust. Und ich finde, sie haben recht: Wir brauchen Ministerien für Zukunftslust, Labore für Neugier, Werkstätten für Staunerei.
Neugierig sein. Also mit offenem Geist die Welt betrachten. Staunen. Fasziniert sein von Unbekanntem. Neugierig gucken, was passiert, wenn ich was Ungewohntes ausprobiere. Wie ein Kind, wenn es stundenlang den Holzspielstein untersucht, bis es weiß, wie er schmeckt, wie er klingt, wenn er auf den Boden fällt. Ob er in Marmelade schlechter schwimmt als in Apfelsaft. So erkundet man die Welt, und es macht auch noch Spaß.
Einer hat gesagt: Wenn ihr nicht werdet, wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Kleine Himmelreiche hier auf der Erde entdecken. Mit Neugier haben Menschen Kontinente oder die Relativitätstheorie entdeckt, den Geschmack von Kirschmarmelade, eine neue Seepferdchenart oder die Schönheit einer Kathedrale.
Neugier. Das mag mickrig und naiv klingen angesichts dieser mehr als ernsthaften Megathemen. Aber es ist tatsächlich wissenschaftlich belegt: Neugier macht uns motivierter, lernfreudiger, glücklicher, gesünder, kreativer. Und macht uns so fast wie nebenbei zu Problemlösern. Neugier ist eine Meta-Kompetenz.
Und Neugier-Labore können überall entstehen: In Sandkästen, am Frühstückstisch, in Museen, Kirchen, Kneipen, im Wald – einzige Voraussetzung: Wir lassen uns auf eine Begegnung mit Unbekanntem ein. Sei es die mit dem Heiligen oder die mit einem Holzbaustein.
Gottes Zusage: Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Und solange die Erde steht, sind wir es, die dafür sorgen können, dass wir nicht die letzte Generation sind.