SENDETERMIN Sa., 26.10.24 | 23:35 Uhr | Das Erste

Pfarrer Wolfgang Beck: Lob des Unspektakulären

Pfarrer Wolfgang Beck: Lob des Unspektakulären | Video verfügbar bis 26.10.2029 | Bild: ARD

Lob des Unspektakulären

Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer,
ein ganz „normaler“, unspektakulärer Tag?! Wenn aufregende Ereignisse einfach ausbleiben, kann das auch etwas Großartiges sein. Ich kenne Familien, die sind mit Beruf, Kita und Schule so gestresst, dass ich häufig nur staune. Und ständig gibt es besondere Projekte, an denen in der Schule oder mit Kolleg:innen zu arbeiten ist. Manchmal ahne ich: Das haltet ihr vielleicht in dieser Form nicht lange durch. Passt auf Euch auf – auf Eure Gesundheit, auf Eure Beziehung. Dieser Stress gilt noch mehr für die Alleinerziehenden. Und für alle, die bei ihrer Arbeit so große Anforderungen an sich stellen, dass sie permanent an der Grenze ihrer Kräfte sind. Vielleicht hat mich deshalb die kleine Notiz so berührt, die von einer Erzieherin im Kindergarten berichtet: Sie wird am Morgen immer wieder von den Eltern der Kinder gefragt, was denn heute Besonderes gemacht wird und was „auf dem Programm steht“.

Irgendwann ist die Erzieherin so genervt von diesem Druck permanent ein besonderes Programm anbieten zu müssen, dass sie den Eltern einfach sagt: „Heute spielen wir, dann essen und trinken wir etwas, vielleicht gehen wir raus. Wir versuchen, uns so wenig wie möglich zu streiten und sind am Nachmittag sehr müde.“ Fertig. Das ist alles: Spielen, essen, weniger streiten. Fertig, so einfach. Nichts Spektakuläres. Kein Feuerwerk, weil immer etwas Besonderes die Eltern, die Kolleg:innen oder die Vorgesetzten beeindrucken muss. Ich finde die Reaktion der Erzieherin großartig. Denn in ihrer einfachen Antwort steckt eine große Gelassenheit. Die setzt sie dem Bedürfnis nach dem Spektakel entgegen. Sie hat vermutlich eine Ahnung davon, dass es viel hilfreicher und sinnvoller, viel lebensdienlicher sein kann, das Alltägliche liebevoll zu gestalten. Und wenn dann noch der Anspruch dazu kommt, zu versuchen, ein bisschen weniger zu streiten, ist das für einen normalen Tag im Kindergarten sicherlich gar nicht wenig.

Es mag zunächst banal klingen. Für mich steckt darin aber eine Wertschätzung für das Kleine, für das Alltägliche. Vieles ereignet sich ja ohnehin, ohne dass Menschen das als etwas Besonderes wahrnehmen. Es ist eben ein bisschen wir bei Jesus, von dem wir auch in der Bibel nur sehr wenig Informationen vorfinden. Erst nach dreißig Lebensjahren nehmen Menschen überhaupt von Jesus Notiz.

Drei Jahrzehnte seines Lebens liegen im Dunkeln, weil er offenbar ohne öffentliches Auftreten und ohne große Reden als normaler, einfacher Mensch gelebt hat. Eigentlich liegt in dieser Zeit, von der wir nicht viel wissen, eine große Liebe und Wertschätzung für das normale, für das alltägliche und unspektakuläre Leben.

Dieser Liebe zum Unscheinbaren, die in den dreißig Lebensjahren Jesu liegt, folgen auch Männer und Frauen, die sich als „Kleine Schwestern Jesu“ und „Kleine Brüder Jesu“ verstehen. Es ist eine Ordensgemeinschaft, die kaum wahrzunehmen ist. Denn diese Frauen und Männer leben ganz bescheiden und einfach. Sie sind nicht an ihrer Kleidung zu erkennen. Sie gehen normal arbeiten, in einfachen Berufen. Und sie kümmern sich – ganz unspektakulär! – um die Menschen in ihrer Nachbarschaft. Für mich: sehr beeindruckend! Weil sie so einfach und bescheiden leben. Da ist wenig Spektakuläres. Aber viel Zuwendung zu den Menschen in der Nachbarschaft. Klar, dazu muss man nicht zu einer Ordensgemeinschaft gehören. Egal ob Ordensleute oder nicht: Solche Menschen sind etwas Besonderes, gerade weil sie nichts Besonderes sein müssen. Wie bei der Erzieherin in der Kita: Spielen, essen und etwas weniger streiten. Manchmal genügt das schon für einen richtig guten Tag!

Sendetermin

Sa., 26.10.24 | 23:35 Uhr
Das Erste

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Norddeutscher Rundfunk
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DasErste