Sa., 31.08.24 | 23:20 Uhr
Das Erste
Stefanie Schardien: Falsche Propheten
Falsche Propheten
Auf 2000 Meter sieht man die Welt mit anderen Augen an. Und sich selbst vor allem. Das geht vielen Wandernden so, und ich hab das letzte Woche erlebt: Fast 2000 Meter hoch war ich. In den Hochalpen, riesige Felsmassive. Ein Berg höher als der andere. Später wurde es neblig, fast nichts mehr zu sehen. Und dann lagen auch noch Kühe mitten auf einem schmalen Grat. Bei aller Schönheit – eine Erfahrung nehme ich von Bergtouren vor allem mit: Demut! Was für Winzlinge sind wir Menschen! Und wieviel größer sind die Naturgewalten, unsere Welt und – die guten Mächte, die ich in meinem Glauben hinter ihr ahne.
Nun wieder unten, zurück im Alltag erlebe ich… wenig von Winzigkeit und Demut. Im Gegenteil. Wenn ich in diesen Tagen manche Reden und Interviews höre… puh: Da vergleicht sich der eine Politiker mit Jesus, die andere sieht ihre Partei in der Nachfolge von Luthers Reformation. Schulter an Schulter mit den großen Heilsbringern. Nichts von Demut zu spüren, nichts davon, dass sich Menschen manchmal wie ein Staubkorn fühlen, ja, und manchmal besser bitteschön auch so fühlen sollten.
Stattdessen: Großspurige Heilsversprechen. Die kommen in unsicheren Zeiten ja supergut an. In Krisen sehnen sich sehr viele nach Lichtgestalten am Horizont. Nach den starken Rettern mit den großen Lösungen. Gerade, wenn ich mich besorgt, gedemütigt, hilflos fühle angesichts der so furchtbar komplizierten Welt. Wie verlockend, wenn jemand so einfache Antworten parat hat: Wir lösen endlich alles, sofort. Nur wir haben richtige Ideen, räumen mal richtig auf. Nur wir sagen die Wahrheit. Die anderen verkaufen euch für dumm. Folgt uns nach!
Da machen sich einige größer und größer… und das widerspricht komplett meiner Bergerfahrung, vor allem aber meinem christlichen Glauben. Unser Experte in Sache Heil, Jesus, hat scharf davor gewarnt: „Hütet euch vor den falschen Propheten, die wie Wölfe im Schafspelz sind.“ Denn bei denen, die so auf Macht und Größe schauen – wer kommt da wohl am Ende schlecht weg? Die Armen und Schwachen, die Kleinen.
Aber hat Jesus nicht selbst mit dem Heil gelockt? Schon, aber sehr, sehr anders: Eben ohne Machtphantasien und Größenwahn: Wer unter euch herrschen will, soll dienen. Und: Die letzten werden die ersten, die ersten die letzten sein. Er selbst, als ersehnter großer Retter, reitet nicht auf edlen Rössern, sondern auf einem Esel. Aber alle, die kleingemacht werden, die Kinder und Ausgestoßenen, die Frauen und Fremden – die macht Jesus groß. Denen schenkt er Aufmerksamkeit, Liebe, gibt ihnen Würde, heilt und tröstet sie. Wollen wir echte von falschen Messiassen und Propheten unterscheiden, dann genau daran: „An ihren Taten sollt ihr sie erkennen… Wer handelt aus Liebe, wer aus Hass?
Ja, keine Frage: Solche guten Taten brauchen länger als die ach so einfachen Lösungen. Dafür wünsch ich uns Geduld. Berge erklimmt man langsam. Und ich wünsche uns noch was: Mut mitzuhelfen. Jesus wollte kein Soloheld sein. Wir sollen mitwirken am Heil, Auftrag von ganz oben. Mühsam? Wenn wir doch nur Winzlinge und Staubkörner sind? Ja, aber die gute Nachricht: Winzlinge und Staubkörner werden am besten getragen von den wirklich großen guten Mächten! Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Nacht.