Interview mit August Wittgenstein
Welchen Anteil hat der Polizist Jan Gerke daran, dass das Verschwinden der Barbara Neder und die Ise-Morde von der ermittelnden Behörde nicht aufgeklärt werden?
Jan Gerke ist gefangen in einem Geflecht von festgefahrenen Strukturen in einer männlich dominierten Welt. Es gibt einen männlichen Staatsanwalt, männliche Vorgesetzte – und er will dazugehören. Für mich war es reizvoll, so einen Macho-Bullen zu spielen. Dann kommt diese neue Kollegin, von der man weiß, dass sie eigentlich das Richtige tut, aber weil sie eine Frau ist, wird ihre Kompetenz angezweifelt. Sie kämpft darum, gegen einen Tatverdächtigen ermitteln zu dürfen, und Gerke schafft es nicht, ihr zur Seite zu stehen.
Warum geht er trotzdem eine Beziehung mit ihr ein?
Gerke bewundert sie, weil sie schnell denkt, sich behauptet und sich nicht einschüchtern lässt. Diese Beziehung könnte für Gerke ein Weg aus der Provinz sein. Anne kommt aus der Großstadt und ist ein kleiner Rettungsring, den er zugeworfen bekommt. Das Tragische ist, dass er ihn nicht festhalten kann. Da ist sicher auch eine gewisse Feigheit mit im Spiel.
Ist Gerke ein typischer Mitläufer?
Gerke ist ambivalent und steht sich selbst im Weg. In einem Moment hat er etwas wahnsinnig Chauvinistisches und im nächsten Moment gibt er doch wieder Gas und will helfen. Das ist ein ständiges Auf und Ab. Letztlich findet er nicht den Mut, sich seinem Vorgesetzten zu widersetzen.
Männliche Seilschaften vermutet man, als Anne Bach und Jan Gerke in Anwesenheit des Staatsanwalts den Tatverdächtigen Becker vernehmen…
Der Tatverdächtige Jürgen Becker ist absolut manipulativ und weiß, wie man beide Geschlechter um den Finger wickeln kann. Er ist charmant und sieht gut aus. Nur Anne Bach wittert, dass da etwas nicht stimmt. Den Männern signalisiert er bei der Vernehmung: Wir sind doch alle aus dem gleichen Holz geschnitzt. Das ist natürlich haarsträubend, denn er hatte als junger Mann eine Frau vergewaltigt, und da müssten alle Alarmglocken läuten. Wenn man die wahre Geschichte recherchiert, kann man vermuten: Die Polizisten haben sich verleiten lassen, dem Mann zu vertrauen.
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