Interview mit Karoline Schuch

Anne Bach (Karoline Schuch) hat einen schweren Stand unter ihren männlichen Kollegen
Anne Bach hat einen schweren Stand unter ihren männlichen Kollegen | Bild: NDR

Sie spielen eine junge Polizistin, die mit mehreren grausamen Verbrechen konfrontiert wird und auf zahlreiche Hindernisse bei ihren Ermittlungen stößt. Was hat Sie an dem Drehbuch bewegt?

Ich habe diese Drehbücher wahnsinnig schnell gelesen, fand sie sehr packend geschrieben. Ich konnte gar nicht fassen, wie ein renommierter und gut vernetzter LKA-Chef so viele Steine in den Weg gelegt bekommt und wie fahrlässig ermittelt wurde. Bei manchen Handlungssträngen und Wendungen denkt man, das sind Drehbuchfehler, das kann alles nicht wahr sein – und trotzdem ist es passiert!

Gab es diese Anne Bach im Ermittlerteam tatsächlich?

Diese Figur ist eine Synthese aus verschiedenen Personen. In der Fiktionalisierung musste es bei der Weesenburger Polizei jemand geben, der den Fall vorantreibt, sonst wären die Konfliktlinien nicht erzählbar gewesen. Aber in dem Kernteam, das Wolfgang Sielaff später selbst zusammengestellt hat, war eine Polizeipsychologin, an die meine Figur angelehnt ist. Sie ist eine erfahrene Fallanalytikerin, die mich bei der inhaltlichen Vorbereitung meiner Rolle sehr unterstützt hat. Aber es gibt viele biografische Unterschiede zwischen uns. Anne Bach ermittelt erst bei den Weesenburgern und quittiert dann aus Frustration über die Feigheit und Illoyalität ihrer Kollegen den Dienst, um Psychologie zu studieren, und dann später, bei der Aufklärung des Falls mitzuwirken.

 Als junge Polizistin bietet Anne Bach viele kluge Ermittlungsansätze, kann sich damit aber in ihrem Team, das ausschließlich aus Männern besteht, nicht durchsetzen. Warum lässt sie sich dieses Macho-Gehabe so lange bieten?

Anne Bach ist getrieben von dem Wunsch, gute kriminalistische Arbeit zu leisten. Von ihren männlichen Kollegen wird sie allerdings nicht ernstgenommen und permanent ausgebremst, obwohl sie genau die richtigen Hypothesen aufstellt. Sie muss sich ständig unterordnen und für ihre klugen Fragen entschuldigen. Ich hatte bei der Vorbereitung oft gedacht, Anne Bach müsste noch viel mehr auf den Tisch  hauen, aber ihr Verhalten ist im Kontext der Zeit zu sehen. Die 80er und 90er Jahre waren noch viel stärker von patriarchalen Strukturen geprägt, nicht nur bei einer Institution wie der Polizei.

Auf ihrer Dienststelle wird Anne Bach übersehen oder abgekanzelt. Ist so ein Verhalten heute noch vorstellbar?

Ich glaube, dass solche abwertenden Dialoge auch heute noch stattfinden, aber der Umgang mit männlichen Überlegenheitsfantasien und die Wehrhaftigkeit der Frauen haben sich geändert. Das ist natürlich von Frau zu Frau verschieden und auch eine Frage von Mut und Standhaftigkeit. Wir haben noch längst nicht einen akzeptablen Status Quo erreicht.

Mut beweist Anne Bach, als ihr Chef die Ermittlungen einstellen will, weil der mutmaßliche Mörder sich erhängt hat. Warum schmeißt sie da endgültig hin?

Ihr Chef unterstellt ihr, dass die ergebnislose Ermittlungsarbeit ihr Fehler sei. Ihr enger Kollege verlangt von ihr, dass sie ihn deckt, obwohl er mehrere grundsätzliche Ermittlungsfehler begangen hat. Da rastet sie aus, sie ist nicht länger bereit, für die Nachlässigkeiten ihrer Kollegen den Kopf hinzuhalten. Ihre männlichen Kollegen versteifen sich früh auf die Theorie, dass der Ehemann der Mörder war. Nach dem Motto: Wir sind länger im Business und wissen alles besser. Auch wenn ich jetzt darüber rede, möchte ich am liebsten vor Wut schreien.

Ist diese Ignoranz der alteingesessenen Ermittler ein Grund, warum die Aufklärung des Falls so lange dauerte?

Diese mangelnde Fehlerkultur hat sicher dazu geführt, dass lange nicht aufgeklärt wurde, dass Ermittlungen so schleppend liefen. Gerade in sehr maskulin dominierten Berufen wie der Polizei stellte man sich lange Zeit zu selten die Frage, ob man Fehler gemacht hat oder die eigenen Einschätzungen  revidiert werden müssen. Ich finde, gerade an der Figur der Anne werden viele große Themen angerissen. Es ist die Emanzipationsgeschichte einer jungen Frau innerhalb von festgefahrenen Polizeistrukturen. Es geht um Moral und ethisches Handeln und welchen Preis man bereit ist, dafür zu zahlen. Und es geht um eine Polizistin, die den Schmerz der Hinterbliebenen erkennt und auch deshalb das Verbrechen aufklären will.

Spannend ist, wie nach dem Tod des Verdächtigen die Tat entschlüsselt wird. Sehen wir hier die Geburtsstunde einer Profilerin?

Genau. Das Profiling kommt aus Amerika. Beim FBI hat man in den späten 70er Jahren angefangen, die Biografie eines Tatverdächtigen als Ermittlungsgrundlage bei den Fallanalysen zu berücksichtigt. Die Denkansätze sind mir vertraut, denn ich habe das Fach Psychologie studiert.  Es ist spannend, wie Anne Bach mit dem Team von Thomas Bethge alle Details über die Kindheit des Tatverdächtigen zusammenträgt und ihm aufgrund seiner narzisstischen Persönlichkeitsstörung auf die Spur kommt.

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