Interview mit dem Redakteur Christian Granderrath (NDR)
Wie ist das Projekt zustande gekommen?
Marc Conrad wollte dem NDR über den "Zeit"-Artikel zu den "Göhrde-Morden" eigentlich eine ganze Serie über "Cold Cases" mit verschiedenen Fällen verkaufen. Zum damaligen Zeitpunkt gab es schon viele Vermutungen von Wolfgang Sielaff und dem Kernteam zum Täter und wo seine Schwester zu finden sein könnte. Es fehlten aber noch die letzten Beweise, auch für einen möglichen Mittäter. Seine Schwester hatte er damals noch nicht gefunden. Ich habe dem Produzenten dann nach einem ersten Gespräch mit Wolfgang Sielaff, Reinhard Chedor und Claudia Brockmann eine Dokumentation des Originalfalls und einen fiktionalen Dreiteiler dazu vorgeschlagen – inspiriert von der realen Geschichte.
Warum wollten Sie diese Geschichte erzählen?
Mich hat nicht nur der furchtbare Täter oder das über Jahrzehnte unfassbare und rätselhafte Versagen der örtlichen Staatsanwaltschaft und Polizei fasziniert. Zentral war die sehr besondere Perspektive eines LKA-Chefs, der seine verschwundene Schwester sucht – und dass wir dabei von der Ohnmacht eines Opfers, das zugleich ein hoher Polizist ist, gegenüber staatlichen Behörden erzählen. Unsere Hauptfigur ist eine Koryphäe auf ihrem Gebiet, die mit einer Familientragödie konfrontiert wird. Ganz besonders beeindruckt hat mich das Bild eines Sohnes, der mit dem Selbstmordversuch seiner verzweifelten Mutter umgehen muss. Der daraus entstehende unausgesprochene Vorwurf sich selber gegenüber, eine solche Tragödie nicht verhindern zu können, obwohl man doch eigentlich ein hochkompetenter Kriminologe ist und diesen Fall aufklären können müsste – das hat mich gepackt. Das Gefühl, in einer solch tragischen Geschichte gegenüber der eigenen Mutter zu versagen, fand ich als Motor für eine Figur extrem stark. Und natürlich gab es auch eine Vielzahl irrwitziger Details und besonderer Bilder – ein großes Waldgebiet, in dem getötet wird, ein zweiter Doppelmord an einem Liebespaar quasi vor den Augen der Polizei, während sie gerade den ersten Doppelmord untersuchen, eine Tochter, die ihren Vater als verdächtigen Mörder ihrer Mutter wahrnimmt, ein im Garten vergrabenes Auto, ein Galgen in einer Garage, ein Friedhofsgärtner, der mit einer ehemaligen Schönheitskönigin verheiratet ist, ein sadistischer Serienmörder, der über Jahrzehnte unentdeckt morden konnte und ein verdächtiger, aber bis heute nicht überführter mutmaßlicher Mittäter – da kam ungewöhnlich viel zusammen.
Was war Ihnen wichtig bei der fiktionalen Umsetzung des Stoffs?
Wir wollten aus der Geschichte kein Spektakel machen. Das Leid der Opfer sollte bei unserer Adaption der wahren Geschehnisse im Mittelpunkt stehen, das hatte ich Wolfgang Sielaff versprochen. Natürlich musste Autor Stefan Kolditz bei diesem epischen Stoff dann einiges verdichten und umschichten. Wir haben ja kein Doku-Drama produziert, sondern frei nach wahren Ereignissen eine fiktionale und zugleich authentische Geschichte erzählt.
Welche Diskussionen soll der Dreiteiler auslösen?
Es wäre im Sinne des NDR und der ARD Degeto, wenn durch den Film ein stärkeres Bewusstsein für das Leid der Opfer und für eine bessere Fehlerkultur bei Polizei und Staatsanwaltschaft gesorgt würde. Wir präsentieren "Das Geheimnis des Totenwaldes" auch deswegen sehr konzentriert eine Woche vor der Ausstrahlung als Dreiteiler im Ersten als sechsteilige Miniserie in der ARD-Mediathek mit einer dreiteiligen Doku-Serie. Und last not least ist diese unfassbare Geschichte auch als fünfteilige Podcast-Serie in der ARD-Audiothek zu hören.
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