Die wahre Geschichte der Villa Emma

Bietet die Villa den Flüchtenden endlich Sicherheit?
Szene aus dem Film: die Ankunft in Italien. | Bild: ARD Degeto/ORF/Graf Film / Volker Glaeser

Recha Freier lebte seit 1926 in Berlin, wo sie bereits zwei Jahre vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten erkannte, dass es für Juden keine Zukunft in Deutschland geben würde. Sie gründete eine jüdische Hilfsorganisation, die Kinder und Jugendliche nach Palästina bringen sollte. Das Geld trieb sie bei jüdischen Organisationen auf und bereitete die illegale Auswanderung vor. Als sie selbst flüchten musste, vertraute sie in Zagreb die Kinder drei jungen Zionisten an – einer von ihnen war der 20-jährige Joško Indig.

Nach der Besetzung durch deutsche und italienische Truppen im April 1941 wurde Jugoslawien aufgeteilt. Zagreb fiel unter deutsche Besatzung, die Lage war damit für die Gruppe lebensbedrohlich geworden. Für die geflüchteten Mädchen und Jungen sowie deren BegleiterInnen besorgte Indig eine Einreisegenehmigung in den von Italien annektierten Teil Sloweniens. In Lesno Brdo in der Nähe von Ljubljana fand die Gruppe in einem Jagdschloss Unterschlupf. Dort blieben sie von Juli 1941 bis Juli 1942 und wurden überwiegend von der italienischen Hilfsorganisation Delasem finanziert. Die Mittel waren knapp, oft gab es nicht genügend zu essen. Indig und die BetreuerInnen führten einen Lehrplan ein, der die Kinder auf das Leben in Palästina vorbereiten sollte. Im Frühjahr 1942 begann der Partisanenkampf der Slowenen gegen die italienische Besatzungsmacht. Die Delasem beschloss, die Gruppe nach Italien zu holen. Nach der Genehmigung durch das italienische Innenministerium wurde dazu am Rande von Nonantola die Villa Emma angemietet.

Als die Gruppe am 17. Juli 1942 dort ankam, stand das Haus vollkommen leer – die erste Nacht wurde auf dem Boden geschlafen. In den darauffolgenden Wochen wurde die Villa Emma von den Jugendlichen hergerichtet. Anfangs gab es eine Ausgangsbeschränkung aus Angst vor den Behörden. Doch aufgrund fehlender Arbeitskräfte in Nonantola waren die Kinder der Villa Emma bald überall im Dorf zu sehen. Das ist sicher mit einer der Gründe, dass heute viele der ehemaligen Kinder von einem glücklichen Alltag berichten. Im April 1943 kamen weitere Kinderwaisen aus Split in die Villa Emma dazu. Für die nun 73 Kinder und 13 BetreuerInnen war das Haus eigentlich viel zu klein. Auch die Sprachbarriere sorgte für Probleme. Als am 25. Juli 1943 Mussolini abgesetzt und am 8. September der Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten verkündet wurde, war das Leben der Gruppe erneut bedroht. Doch Indig und seinen Helfern gelang es, die Kinder innerhalb von 24 Stunden bei Familien und in der Kirche in Nonantola zu verstecken. Die Flucht in die Schweiz wurde vorbereitet. Auch Recha Freier, die immer Kontakt zu der Gruppe hielt, half dabei.

Nach fünf Wochen konnte die Gruppe bei niedrigem Wasserstand den Grenzfluss Tresa überqueren. Bis auf Salomon Papo aus Sarajevo wurden alle Kinder aus der Villa Emma gerettet. Er war nach einem kurzen Aufenthalt in der Villa in eine Lungenheilanstalt gebracht worden. Sein Name taucht das letzte Mal im März 1944 auf einer Transportliste vom Lager Fossoli nach Auschwitz auf. Die geflüchteten Mädchen und Jungen blieben bis zum Ende des Krieges in der Schweiz. Am 29. Mai 1945 schloss sich der Großteil mit Indig der ersten Fahrt nach Palästina an. Für Recha Freier, die unzählige Kinder vor der Vernichtung durch das Nazi-Regime nach Palästina rettete, wurde in ihrem Todesjahr 1984 im Jüdischen Gemeindehaus in Berlin eine Gedenktafel enthüllt.

 (Wissenschaftliche Beratung: Klaus Voigt)

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