Im Gespräch mit Lisa Maria Potthoff
Sie spielt Julia Thiel in "Mörderhus – Der Usedom-Krimi"

Mutter und Tochter, braucht es noch mehr Zutaten für einen spannenden Film?
Diese Konstellation finde ich generell sehr spannend. In unserem Film ist das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter extrem zerrüttet. Ich spiele eine Polizistin, die mit ansehen musste, wie ihre Mutter den Vater tötete. Sie verlor mit dieser Tat beide Eltern. Obwohl sie der Mutter, einer Ex-Staatsanwältin, nicht verzeihen kann, sucht sie nach Jahren deren Nähe. Sie sehnt sich danach, wieder eine Mutter zu haben, trotz des traumatischen Erlebnisses. Ich war von Anfang an begeistert von dem Stoff.
Katrin Sass spielt die Mutter. Haben Sie für einen Moment befürchtet: Hoffentlich werde ich nicht an die Wand gespielt?
Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht. Unter Schauspielern gilt der Satz: Du bist so gut wie deine Kollegen. Und von einer herausragenden Kollegin wie Katrin Sass kann man nur profitieren. Schauspielerinnen ihres Kalibers gibt es nur wenige in Deutschland. In unserem Beruf sind wir zwar Einzelkämpfer, aber wenn die Kamera läuft, ist unsere Arbeit Teamsport.
Die Tochter verlangt eine Erklärung für die Tat. Doch die Mutter weist sie ein ums andere Mal ab.
Die Tochter prallt an dieser strengen, verschlossenen Frau immer wieder ab. Manchmal bricht dann die ganze Wut aus ihr heraus. Fatalerweise unterscheidet sie sich in solchen Momenten überhaupt nicht von ihrer Mutter. Auch die hat die Neigung, aus dem Affekt zu handeln. Die Verzweiflung der Tochter kann ich übrigens sehr gut nachvollziehen. Ich könnte auch Amok laufen, wenn ich an eine Person, die mir viel bedeutet, partout nicht herankomme.
Die Polizistin hat einen liebenswerten Mann, eine bezaubernde Tochter, ein Haus, sichere Arbeit. Warum setzt sie alles aufs Spiel?
In ihre Ehe ist der Alltag eingekehrt. Das Leben ist zur Routine geworden. Eingeschlafene Füße. In dieser Situation beginnt sie eine Affäre mit dem polnischen Kollegen. Sie spielt mit dem Feuer. Sogar in der Öffentlichkeit lässt sie ihren Liebhaber ziemlich nah an sich heran. Man könnte sagen, sie legt sich eine Schlinge um den Hals. Warum sie das tut? Unterbewusst versucht sie vielleicht etwas zu provozieren.
Welche Szene hat Sie am meisten gefordert?
Als meine Mutter die Jubiläumsfeier meines Mannes fluchtartig verlässt, renne ich ihr auf dem Steg hinterher und stelle sie zur Rede. Voller Wut darüber, dass sie mir Antworten schuldig bleibt. Diese wichtige Szene war schwierig auf den Punkt zu bringen, auch weil es meine allererste Szene an meinem allerersten Drehtag war. Ich kannte das Team noch nicht und wusste nicht, wohin die Reise geht. Es war der klassische Sprung ins kalte Wasser. Aber ich hatte keine Wahl, der Drehplan geht vor. Nur ein paar Stunden später drehten wir meine Sexszene mit dem Liebhaber. Den hatte ich vorher noch nie gesehen. Man gab sich die Hand und sagte, gut, dann fangen wir mal an.
Ihre Rolle ist vielschichtig. Haben Sie vor dem Drehstart lange diskutiert, wie Sie die Figur spielen?
Wir sind an einem langen und intensiven Probentag von vorne bis hinten durchs Buch gegangen. Ich stimmte mit dem Regisseur Andreas Herzog völlig darin überein, wie er die Figur sah. Am Drehort waren wir im ständigen Austausch darüber, an welche Extreme wir die Figuren führen wollen.
Autoren und Regisseure schwärmen vom horizontalen Erzählen. Was bedeutet das für Sie als Schauspielerin?
Man weiß sehr viel über eine Geschichte und nimmt dieses Wissen wie ein Päckchen mit an den Set. Das horizontale Erzählen hat den Vorteil, nicht alles in einer Episode auspacken zu müssen. Wir müssen nicht mehr alles auserzählen, schlimmer noch, eins zu eins erklären. Dieser Mut zur Lücke gefällt mir. Als Zuschauer finde ich es ärgerlich, wenn ein Film mir keinen Raum lässt, die Dinge verschieden sehen zu können. Wenn er mich in meiner Fantasie unterfordert. Vielleicht deute ich "Mörderhus" ja ganz anders als der Zuschauer neben mir auf dem Sofa.
Haben Sie eine besondere Beziehung zu Usedom?
Ich bin gebürtige Berlinerin und habe meine Kindheit in Bayern verbracht. Aber meine Familie kommt aus der Gegend südlich von Stralsund. Mein Onkel lebt auf Usedom. Mein Großvater war Gemüsebauer in Mecklenburg, meine Mutter ist dort groß geworden. Ich habe also eine große Affinität zu der Region.
Was zeichnet die Menschen auf der Insel aus?
Der Mecklenburger allgemein ist bodenständig, geradeheraus, hand- und trinkfest, so lauten jedenfalls die bekanntesten Klischees. In meiner Familie mütterlicherseits ist mir tatsächlich etwas Besonderes aufgefallen: Die Leute packen an und lassen sich nicht unterkriegen. Sie sind Kämpfernaturen.
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