Gespräch mit den Autor*innen Julia Penner und Andreas Wrosch
„Es ist ein Familienfilm, der jungen Menschen Mut machen soll“ – Gespräch mit den Autor:innen Julia Penner und Andreas Wrosch
Auf der Flucht vor der Mafia tarnt sich eine Dragqueen als Hetero-Mann und übernimmt an einer Vorortschule die Leitung der Musical-AG. Die Geschichte erinnert an „Manche mögen’s heiß“, nur geht sie hier andersherum. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?
Julia Penner: Das Buch ist der Mutter einer Kindheitsfreundin gewidmet. In der Familie ging es sehr streng zu, man bekam immer nur Sprudel-Wasser zu trinken, dann haben sich die Eltern getrennt. Jahre später traf ich meine Freundin zufällig in der Innenstadt wieder, und sie sagte: Feier’ doch Silvester mit uns! Ich dachte, hm, was wird das wohl für eine Silvesterparty? Aber dann kam ich da an, und das Haus war voller Dragqueens. Die Mutter hatte die Hälfte des Hauses an eine Dragqueen vermietet, um es halten zu können. Auf der Party gab es Playback-Wettbewerbe und Lip Sync-Battles. Es hat mich tief beeindruckt, wie lebensfroh alle waren. Viele Stoffe, die ich schreibe, haben mit Queerness zu tun, weil mich das Prinzip gewählter Familie fasziniert. Was soll man machen, wenn man Pech hat und die Herkunftsfamilie ist nicht so toll? Mit diesem Drehbuch wollten wir Wahlfamilien und besonders der Mutter, die einen queeren Mann in ihre Familie aufnimmt, ein Denkmal setzen.
Andreas Wrosch: Julia und ich kannten uns vom Theater. Wir haben zusammen das Stück „Der dicke Sternschnuppe“ geschrieben. Eines Tages brachte Julia diesen reizvollen Stoff mit. Auch meine Geschichten drehen sich oft um Familie und die Frage, wie Beziehungen auch anders verlaufen können als im traditionellen Verständnis. Plötzlich bricht eine Person aus, das Paar trennt sich und man muss sich neu erfinden, so wie die Lehrerin Katja, deren Ehemann mit der Referendarin ein neues Leben anfängt. Und ihr Sohn Lukas bekommt auf einmal ein ganz anderes Männerbild, als die Dragqueen Volker bei ihr einzieht. Für mich ist „Meine Freundin Volker“ tatsächlich ein Familienfilm, der jungen Menschen Mut machen soll, so zu sein, wie sie sind, zu sich selber zu stehen und damit nach außen zu gehen. Und ich wünsche mir, dass die Familien diese Veränderungen mittragen.
Beim Drag geht es nicht um Verkleidung, sondern um Verwandlung. Erfinden Dragqueens eine neue Person?
Julia Penner: Drag ist eine Kunstform, mit der man seine eigenen Superheld*innen erschaffen kann. In unserem Film verwandelt sich der schüchterne, ängstliche Volker in die selbstbewusste Dragqueen Vivian Bernaise. Sie hilft ihm, über den Verlust des Vaters hinwegzukommen, der ihn früh im Stich gelassen hat. Und sie tröstet ihn über die Einsamkeit und die Diskriminierung hinweg, unter der viele queere Menschen leiden. Manchmal hilft ein glamouröses Kleid, das alles zu überleben. Drag an sich hat auch damit zu tun, ins Innere des Menschen zu schauen und tief verborgene Aspekte hervorzubringen.
Andreas Wrosch: Es hat etwas total Befreiendes, wenn du deinen eigenen Superhero findest und dich traust, mit ihm auf die Bühne zu gehen, um jemand ganz anderes zu sein. Wenn du etwas groß machst, was immer in dir versteckt war, und dann siehst, wie es wächst und andere begeistert.
Julia Penner: Es war uns sehr wichtig, dass echte Dragqueens im Film mitspielen und dass wir es schaffen, der Community gerecht zu werden. Die Dragkünstler haben den Film unglaublich bereichert.
Hat es für diesen außergewöhnlichen Film einen besonders langen Atem gebraucht?
Julia Penner: Dass es ein Jahrzehnteprojekt wird, hatten wir aber nicht erwartet. Ich habe unsere Produzentin Doris Büning bereits 2015 beim Empfang der Filmhochschulen kennengelernt und ihr dort von der Geschichte erzählt. Sie gab Andreas und mir die Chance, ein Exposé zu schreiben. Es wurde trotzdem noch zweimal abgelehnt. Ich erinnere mich genau, wie ich in Spanien am Strand entlanglief, als mich Doris anrief und sagte, dass der NDR Interesse an der Geschichte hätte. Das war toll. Dann kam Axel Milberg dazu. Zwischen uns hat es von Anfang an gematcht. Andreas und ich haben ja beide einen Background als Schauspieler. Axel hat sich dadurch verstanden gefühlt, wenn es etwa darum ging, dass Schauspieler Futter brauchen, um spielen zu können.