Zum Hintergrund – wie konnte es so weit kommen?

Flowtex – Einer der größten Betrugsfälle der Nachkriegsgeschichte

1986 gründete Manfred Schmider gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Klaus Kleiser in Ettlingen die Firma Flowtex, die neuartige Horizontalbohrsysteme zum minimalinvasiven Verlegen von Versorgungsleitungen verkaufen sollte. Die europäischen Vertriebsrechte hatten sie in den USA erworben. Der Plan war durchaus erfolgversprechend, die technischen Voraussetzungen in Deutschland aber andere als in den USA. Die Aufträge für die zu vermietenden Maschinen blieben aus. Als Liquiditätsengpässe entstanden, begann die Flowtex mit nicht existierenden Bohrsystemen zu jonglieren. Mit Krediten wurden immer neue Bohrsysteme finanziert, die die Unterfirma KSK an Leasinggesellschaften verkaufte und die Flowtex dem Anschein nach leaste. Um die Leasingraten zahlen zu können, wurde das Schneeballsystem immer weiter ausgebaut. Statt der laut den Geschäftsunterlagen finanzierten über 3000 Bohrsysteme gab es in Wirklichkeit nur knapp 270.

Manfred Schmider lebt heute auf Mallorca. In der Doku von Martina Treuter erinnert er sich zurück.
Manfred Schmider lebt heute auf Mallorca. In der Doku von Martina Treuter erinnert er sich zurück. | Bild: SWR

Milliardenschaden, Luftbuchungen und Scheinfirmen

Manfred Schmider lebte mit seiner Frau und zwei Kindern auf großem Fuß, mit Anwesen in Karlsruhe, etlichen weiteren Villen und Häusern auf der ganzen Welt. Er pflegte Beziehungen zu Politik und Finanzwelt, war großzügiger Sponsor des badischen Kulturlebens. Mit Unterstützung von Regionalpolitikern engagierte sich Schmider im Umbau der brachliegenden ehemaligen kanadischen Nato-Airbase in Rheinmünster-Söllingen, wo 1996 wurde der Betrieb als Flughafen KarlsruheBaden-Baden aufgenommen wurde. Manfred Schmider war Hauptanteilseigner und hatte selbst mehrere Flugzeuge und einen Hubschrauber auf dem Gelände stehen.

1996 gingen anonyme Anzeigen gegen Flowtex wegen der Nichtexistenz von Bohrsystemen ein. Vorermittlungen wurden eingeleitet, im Jahr darauf jedoch eingestellt. 1999 wurden neue Untersuchungen aufgenommen, ausgelöst durch spanische und portugiesische Geldwäschefahnder, die mit Karlsruher Finanzbeamten, portugiesischen Behörden und dem Bundeskriminalamt in Wiesbaden zusammenarbeiteten. Im Februar 2000 kam es zum Showdown. Manfred Schmider wurde in seiner Firma verhaftet und in ganz Deutschland wurden bei Banken und Leasinggesellschaften Konten eingefroren und Akten beschlagnahmt. Angeklagt wurden zunächst Schmider, Mitgeschäftsführer Klaus Kleiser, Angelika Neumann als Geschäftsführerin der Leasingtochter KSK sowie der ehemalige Finanzchef Karl Schmitz. In weiteren Ermittlungsverfahren kam es zu über 40 Anklagen.

DIe Urteile: Knapp zwölf Jahren Gefängnis für Schmider

2001 wurde vor dem Landgericht in Mannheim das Verfahren gegen die Hauptangeklagten eröffnet. Alle vier legten Geständnisse ab. Manfred Schmider wurde zu 12 Jahren – nach einem Revisionsprozess auf 11 Jahre und sechs Monate reduziert – Gefängnis verurteilt, Klaus Kleiser zu neuneinhalb und Angelika Neumann zu siebeneinhalb Jahren. Im Jahr darauf erhielt Matthias Schmider, Geschäftsführer von zum FlowTex-Komplex gehörenden Scheinfirmen, eine Haftstrafe von sechs Jahren und neun Monaten. Insgesamt wurden 123 Ermittlungsverfahren durchgeführt und 110 Beschuldigte verurteilt. Der Gesamtschaden wurde vom Landgericht auf über zwei Milliarden Euro beziffert. Manfred Schmider kam 2007 nach achteinhalb Jahren Gefängnis auf Bewährung frei und lebt heute auf Mallorca.

Der Landtag von Baden-Württemberg setzte 2002 einen Untersuchungsausschuss ein, der über drei Jahre arbeitet. Im Umkreis dessen trat der baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring nach einer Verurteilung wegen uneidlicher Falschaussage zurück, auch Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck gab ihr Amt auf.

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