"Man muss sich nicht verrückt machen"
Interview mit Tim Mälzer
Wenn Sie an der Studie teilgenommen hätten, welche Kost hätten Sie selbst zwei Wochen lang eher gegessen: Fast Food oder Hausmannskost?
Vom Geschmack her auf jeden Fall die Hausmannskost – aber wahrscheinlich hätte ich mich für die Fast-Food-Gruppe entschieden, aus Neugier, wie es mir dabei geht.
Sie selbst haben sich für den Film auch zum Versuchskaninchen gemacht. Welches Experiment/welcher Test hat Sie am meisten verblüfft?
Am erstaunlichsten fand ich, dass sich meine Blutwerte durch das Grünkohlessen nicht verändert haben – da war wirklich alles drin, was wir gemeinhin für ungesund halten. Ich war mir sicher, dass sich das auswirkt.
Das Ergebnis der Ernährungs-Studie ist tatsächlich verblüffend: Die Probanden der Fast-Food-Gruppe haben sich genauso gesund ernährt wie die anderen. Warum sollte man sich dennoch nicht bedenkenlos mit Fast Food von McDonald's, Burger King und Co. ernähren?
Unsere Studie zeigt ja auch, dass es mit Fast Food schwieriger ist, die unbedenkliche Kalorienmenge einzuhalten. Wer immer nur Burger ist, läuft Gefahr, zu viel zu essen. Und dann ist es natürlich rein geschmacklich einfach sehr langweilig!
Die Universität Heidelberg hat für die Studie insgesamt 64 Rezepte nach streng wissenschaftlichen Maßstäben entwickelt. Ist es Ihnen und Ihrem Team manchmal schwer gefallen, die Gerichte ganz genau nach der Vorgabe zu kochen?
Also einmal gab es bei der Mittelmeergruppe Nudeln mit Sardellen, die waren mir definitiv zu würzig. Und über manche Zutaten habe ich mich gewundert. Aber es war ja wichtig, die Rezepte genau einzuhalten, sonst hätten die Kalorienmengen ja nicht mehr gestimmt.
Essen Sie nach den Erfahrungen aus der Doku anders als zuvor?
Nein, ich habe mein Verhalten nicht verändert. Seitdem ich mich mit dem Thema "gesunde oder ausgewogene Ernährung" intensiver beschäftige und dazu die Dokumentationen fürs Erste drehe, hat sich allerdings mein Verständnis dafür immer weiter vertieft. Ich bin eher bei Themen entsetzt, wie bestimmte Lebensmittel hergestellt werden, wie Tiere für industrielle Produktion aufwachsen und "verwertet" werden oder wie wir von manchen in der Lebensmittelbranche durch Werbeversprechen oder unsere eigenen Illusionen und Wünsche getäuscht werden. Das war auch eine Motivation zu checken, ob es "die gesunde Ernährung" eigentlich wissenschaftlich nachweisbar wirklich gibt.
Was ist Ihr Resümee nach vier Monaten Dreharbeiten für den Film?
Es ist bei der Ernährung schon so, dass es gut ist, richtig informiert zu sein. Man muss sich aber auch nicht verrückt machen. Ich habe bei den Dreharbeiten einmal mehr gelernt – und das beweist auch unsere Studie –, dass bei der Ernährung andere Faktoren wichtiger sind als die reine Zusammensetzung der Nährstoffe. So etwas wie das soziale Miteinander beim Kochen und Essen, ein gutes Ich-Gefühl für mich und meinen Körper und vor allem: Jede gern gegessene, also wirklich genossene Mahlzeit ist wichtiger und besser als jede nicht genossene, die man nur zu sich nimmt, weil sie nach irgendwelchen Regeln oder Gesundheitskriterien angeblich gut für einen selbst sein soll. Das lässt sich rein medizinisch nämlich nicht nachweisen. Also lieber entspannen.
Womit hat gesunde Ernährung mehr zu tun – mit Geld oder mit Bildung?
Wohl eher mit Bildung, denn es geht vielmehr um das Wissen um die Lebensmittel und das, was uns ganz individuell schmeckt und zu unserem Wohlbefinden beiträgt und nicht so sehr darum, ob ich teure oder billige Lebensmittel einkaufe. Die Studie von Prof. Nawroth belegt das ja in unserer Dokumentation. Dass wir grundsätzlich mehr Geld für Lebensmittel ausgeben sollten, steht auf einem ganz anderen Blatt. Hier geht es dann um bessere Produktqualität, um verbesserte Produktionsbedingungen für die Erzeuger oder auch bessere Lebensumstände für die Tiere, die zu Lebensmitteln verarbeitet werden. Das ist aber eine ganz andere Diskussion als die Frage nach der gesunden Ernährung.
Kommentare