Interview zu "Der verlorene Sohn" mit Regisseur und Co-Autor Friedemann Fromm und Autor Christoph Fromm
Der Autor und Regisseur Friedemann Fromm gilt als Krimispezialist. Zudem gilt er als Fachmann für deutschdeutsche Stoffe. Sein älterer Bruder Christoph gehört zu den renommiertesten Drehbuchautoren Deutschlands und ist auch als Autor von Kinderbüchern und Politthrillern erfolgreich. Beide Brüder wurden mehrfach für ihre Arbeiten ausgezeichnet.
Im Interview erzählen die beiden über ihre Arbeit zu "Der verlorene Sohn".
Als der MDR einen neuen Polizeiruf entwickelt hat, waren Sie beide erste Wahl. Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen Ihnen beiden an dem Drehbuch vorstellen?
Friedemann Fromm: Wir reden viel im Vorfeld. Wir ergänzen uns und kennen unsere jeweiligen Stärken und Schwächen gut. Wir vertrauen uns und lassen uns auch in schwierigen Situationen nicht auseinander dividieren. Denn ohne ein solches Vertrauen sind schwierige Stoffe wie dieser kaum noch realisierbar
Christoph Fromm: Ich als Autor würde sagen, dass ich so ein brisantes Thema nicht ohne einen Regisseur angehen würde, der zu 1000 Prozent hinter mir steht. Gerade wenn man es so differenziert erzählen will, mit ambivalenten Figuren, und nicht schwarz-weiß.
Wie ist die Idee für das Drehbuch entstanden?
Friedemann Fromm: Hier war die Realität die Inspiration. Der Film handelt – leider – von einem mittlerweile beinahe alltäglichen Phänomen: Dass rechtsradikales Gedankengut sich zumindest in Teilen seinen Weg in Richtung bürgerlicher Mitte bahnt und vor allem bei Jugendlichen Wirkung hinterlässt. Und zwar bevorzugt dort, wo sich die Politik wegduckt, bzw. ein Vakuum hinterlässt. Die ganze Debatte um die Thesen von Thilo Sarrazin ist ein gutes Beispiel dafür. Es ist natürlich ein Thema, das ganz Deutschland angeht und ist u. a. auch im Ruhrgebiet, z. B. in Dortmund sehr präsent. Der Fall könnte also in vielen deutschen Städten spielen, aber eben auch in Magdeburg.
Christoph Fromm: Uns war ganz wichtig, diesen Rechtsextremismus nicht zu reduzieren auf Glatzen, Tätowierungen, Hardcore-Musik, Bier und Prügelei und eben nicht nur auf Skinheads. Es ist mittlerweile auch so, dass die Mehrheit dieser rechtsextremen Jugendlichen ganz normal aussieht, die erkennt man nicht mehr und ebenso verstecken sich die rechtsextremen Ansichten zwischen Werten, die man erst einmal unverdächtig finden kann, wie Solidarität, Mut zu klaren Worten, sozialem Engagement.
Die Hauptfiguren bestechen durch ihre Gegensätzlichkeit. Wie lassen sie sich charakterlich beschreiben?
Christoph Fromm: Es war schnell klar, wie Hauptkommissarin Brasch, zumindest in groben Zügen, sein sollte: physisch stark, Ex-SEK-Frau, kompromisslos, rebellisch gegenüber Autoritäten, gut vernetzt im Milieu, ein Herz für sozial Schwache. Danach haben wir nach ihrer persönlichen Schwachstelle gesucht – und haben ihren Sohn erfunden. Sie lässt sich nichts gefallen, also gerade auch körperlich nicht. Auch nicht von ihrem Sohn und das ist elementarer Teil der Figur. Hauptkommissar Drexler ist eine Figur, die bereits zu DDR-Zeiten Polizist war und es geschafft hat, übernommen zu werden – was nicht selbstverständlich war. Er hat gelernt, dass man ganz genau die Vorschriften befolgt, damit man überhaupt weiterkommt. Doch in Drexler brodelt auch etwas. Er ist viel leidenschaftlicher als man anfangs vermutet und ich denke, in einer der weiteren Folgen wird auch mal hinter diese Fassade geblickt. Wir haben ja noch sehr viel mehr Backstory auf Lager. Eine frühere, spannende Verwicklung Braschs ins kriminelle Milieu, und dann wäre da auch noch die Frage: Wer ist der Vater von ihrem Sohn? In weiteren Folgen würde ich gerne aufzeigen, wie die Grenzen zwischen legaler und illegaler Wirtschaft auch in diesem Land immer brüchiger werden.
Friedemann Fromm: Wir haben hier mit diesen beiden Hauptkommissaren und mit dem Sohn von Doreen Brasch eine außergewöhnliche Konstellation. Mit dem Film gehen wir inhaltlich und auch hinsichtlich der Figurenzeichnung sehr weit in der Krimilandschaft; diese Kompromisslosigkeit, sowohl inhaltlich, als auch bei der Hauptfigur und der Umsetzung, ist eine große Qualität.
Friedemann Fromm, ist es ein anderes Arbeiten, wenn man als Autor den Stoff entwickelt und als Regisseur umsetzt?
Friedemann Fromm: Man ist natürlich viel näher dran, schreibt schon im Hinblick auf die Umsetzung, steckt tief in der Recherche und kennt die Figuren bis ins Detail, von Geburt an. Diese Nähe ist sehr hilfreich, aber man muss auch in der Lage sein, wieder zurückzutreten, und das Ganze aus der Distanz zu betrachten. Loslassen wird dann wieder ganz wichtig.
Gedreht wurde im Mai und Juni in Magdeburg – einer Stadt voller Kontraste. Friedemann Fromm, Sie kennen Magdeburg schon von früheren Dreharbeiten: Was macht die Stärke dieser Stadt aus?
Friedemann Fromm: Magdeburg hat für mich eine große filmische Qualität jenseits eines beliebigen Postkartenidylls. Die Stadt ist ein spannender Drehort, weil sie viel Unterschiedliches bietet und eben auch cineastische Qualität hat – wie die Straßen gebaut sind, wie die Häuser und die Stadtsilhouette angelegt sind. Mir gefällt zudem diese Mischung aus Rauheit und einer speziellen Form von Romantik.
Christoph Fromm: Also was mich persönlich am meisten beeindruckt hat, waren diese gigantischen alten Fabrikanlagen, die alle stillgelegt sind.
Die Dreharbeiten fanden unter erschwerten Bedingungen statt. Stichwort Elbehochwasser ...
Friedemann Fromm: Die Dreharbeiten wurden davon recht stark beeinflusst. Für uns war ganz klar, dass das Hochwasser nicht Teil des Films sein kann. Menschen kämpfen um ihr Hab und Gut, dort haben wir mit Dreharbeiten nichts zu suchen. Wir haben in einigen Motiven gedreht, die dann kurz darauf überspült waren, wie das Fitnessstudio und die Elbinsel. Insofern hat das Hochwasser dann auch den Dreh mit seiner Dynamik bestimmt.
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