Martin Wuttke
Hauptkommissar Andreas Keppler
Andreas Keppler interessiert sich einfach für alles. Er lässt sich Zeit, um die Dinge zu betrachten, das Wesen einer Sache wirklich zu verstehen. Manchmal sitzt der Kommissar stundenlang allein an einem Tatort, lässt die Umgebung auf sich wirken, spielt in Gedanken x-mal den Tathergang durch und prüft dabei jedes Detail aufs Neue und aus verschiedenen
Blickwinkeln. Fast meditativ. Und fast immer mit erstaunlichen Ergebnissen.
Keppler benimmt sich überall, als wäre er zuhause. Er bringt es fertig, den Inhaber einer Wohnung glatt zu übersehen, um sich umso geschäftiger gleich und ohne zu fragen über eine Schublade, ein Fotoalbum oder auch einen Kochtopf herzumachen, nur, um zu schauen, was drinnen ist. Wohl kein zweiter Polizeibeamter wird so oft verwundert nach einem Durchsuchungsbeschluss gefragt wie er. Häufig antwortet Eva für ihn: "Seien Sie froh, dass er keinen hat!" Denn eine Durchsuchung führt Keppler auf seine Art durch: professionell, akkurat, penibel, detailbesessen. Aber meistens "guckt er ja bloß mal" und entschuldigt sich auch sofort dafür, wenn er damit jemandem zu nahe tritt – was häufig der Fall ist.
Andreas Keppler ist neugierig – und misstrauisch. Seltsame Mischung, vielleicht eine Folge des Polizeiberufs. Keppler ist keiner, der sein Herz auf der Zunge trägt. Gefühle zeigt er nur selten, was ihn manchmal sehr abgeklärt und unberührt wirken lässt. Aber das täuscht. Eva weiß, dass er die Dinge in sich hineinfrisst und mit sich herumträgt. Ein langsamer Brüter, dieser Keppler. Seine ungeduldige Kollegin und Ex-Frau Eva wird manchmal verrückt bei seiner Bedächtigkeit. Keppler hasst Eile und Oberflächlichkeit. Folgerichtig ist er ein Fußgänger, liebt die langsame Bewegung, schaut sich um. Gründlich. Im Einsatz nimmt er natürlich den Dienstwagen, aber es ist ihm lieber, wenn Eva fährt.
Noch immer geht ihm jeder Mord nahe. Er weiß, was Schmerz bedeutet – für das Opfer, für die Hinterbliebenen. Eine Leiche ist für ihn kein "Fall". Ein Mensch wurde gewaltsam aus dem Leben gerissen. Aus dem Verstehen der Tatumstände wird bei Keppler nie ein Verständnis für den Täter. Der Kommissar vergisst nicht, er lässt nicht nach, ist unerbittlich
und gründlich bis zum Ende.