Interview mit dem Regisseur Martin Eigler

Ein Zeuge, der vor seiner Befragung Selfies macht, ist Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) noch nie begegnet … Anton Maler (Christopher Schärf) demonstriert seine Gelassenheit.
Szene aus dem Film: Ein Zeuge, der vor seiner Befragung Selfies macht, ist Lena Odenthal noch nie begegnet. Anton Maler demonstriert seine Gelassenheit. | Bild: SWR / Benoit Linder

Es herrscht Sommerhitze im "Tatort – Der böse König", man spürt es von der ersten Einstellung an, wenn Lena sich in der lauen Sommernacht durch die Innenstadt treiben lässt. Was hat Sie bewogen, die Geschichte in der Hitze zu erzählen?

Wir haben im Hochsommer gedreht und wollten die Geschichte im Kiez von Lena Odenthal erzählen, wo das Leben im Sommer draußen auf der Straße, auf Balkonen und Plätzen stattfindet, wo man sich kennt und jeder etwas beobachtet haben könnte... und Odenthal mittendrin ist.

Mit der Sommeratmosphäre korrespondieren die ungewöhnlich starken Farben. Die vielen Rot- und Gelbtöne, selbst im Präsidium lebhaftes Türkis statt kaltem Krimiblau, die Farben prägen die Atmosphäre. Welche Überlegungen stecken hinter dieser Ästhetik?

Zum einen wollten wir das Präsidium mit leuchtendem Sonnenlicht aufladen, um es näher an die Farben und die Stimmungen im sommerlichen Innenstadt-Kiez von Ludwigshafen heranzubringen.

Zum anderen steht im Zentrum unserer Geschichte eine Figur mit zwei Gesichtern, zwei Seiten. Die eine Seite dieser Figur will sich zeigen und in "gutem Licht" erscheinen und versteckt so die darunterliegende dunkle, destruktive Seite. Durch viel Licht und leuchtende Farben wollen wir diese verborgene Seite betonen.

Wenn die Kommissarinnen die Geheimnisse der Figuren aufdecken, geht es bei einem der beiden Hauptverdächtigen eher um klassische Verstrickungen. Der andere irritiert durch seine Verhaltensweisen, beunruhigt, bis ihnen klar wird, dass sie es mit einer narzisstischen Persönlichkeit zu tun haben. Wie würden Sie eine solche Persönlichkeit beschreiben und was hat sie zu einer interessanten Krimifigur gemacht? Hatte die Idee dazu womöglich etwas mit einem ehemaligen Präsidenten zu tun?

Man muss unterscheiden zwischen den (normalen) narzisstischen Bedürfnissen von Menschen und einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Was eine narzisstisch gestörte Person ausmacht, ist sicherlich seit Trump jedem klar. Lügen und Halbwahrheiten werden hemmungslos eingesetzt, wenn es dem eigenen Vorteil und der eigenen Überhöhung dient. Kombiniert wird damit ganz regelmäßig eine systematische Abwertung und Entwertung von Anderen, um sich selbst zu erhöhen.

Stößt der narzisstisch Gestörte damit auf Widerstand, stellt er sich sofort als Opfer einer "Hexenjagd" dar und beschwert sich über das unfaire Verhalten der Anderen. Extreme Kritikunfähigkeit führt dazu, dass Konfliktbeilegung mit narzisstisch Gestörten oft nur durch die totale Unterwerfung der Anderen möglich wird. Auf der weltpolitischen Bühne sind solche Menschen eine Katastrophe, im privaten Umfeld zerstören sie das soziale Miteinander. Und leider kommt so eine Störung nicht so selten vor. Zwischen 0,4%-1% der Bevölkerung haben diese Persönlichkeitsstörung. Wenn man mit so einem Menschen zu tun hat, wird man vielleicht anfangs beeindruckt sein von dessen "verführerischen" Wesen und dann in einem Strudel aus Lügen und Manipulationen versinken.

Anton Maler ist eine manipulierende Persönlichkeit, im Kleinen kommt das zum Vorschein, wenn er Frau Keller bei Johanna Stern beschuldigt, was ja auch funktioniert. Seine Lügen sind von anderer Art als die Verdeckungslügen anderer Figuren. Macht das beim Drehbuchschreiben einen Unterschied? Und macht es besonderen Spaß, diese Fäden zu spinnen?

Es ist auf jeden Fall faszinierend, sich in diese Gedankenwelt hinein zu begeben, denn die Lügen von narzisstisch Gestörten sind nicht rein funktional. Sie manipulieren und beschuldigen andere, um sich selbst aufzuwerten. Ein tief sitzendes Minderwertigkeitsgefühl muss kompensiert und überspielt werden. Das macht solche Menschen unberechenbarer und irrationaler in ihrem Vorgehen als andere Täter.

Gibt es Verhaltensweisen, die darauf hindeuten, dass man es mit einem narzisstisch gestörten Menschen zu tun hat?

Es gibt vielfältige Hinweise – die aber für Betroffene schwer zu erkennen sind.

Ein Beispiel aus dem Film?

Das massive Einfordern von "Entschuldigungen"! Dabei geht es nicht um Versöhnung, sondern um Unterwerfung.

Wie haben Sie sich diesem Persönlichkeitstyp angenähert?

Ich hab natürlich viel gelesen und recherchiert. Insbesondere ein längeres Gespräch mit einer Kriminalpsychologin hat mich beeindruckt, die einen sehr klaren Blick auf die Bedürftigkeit dieser Personen hatte, aber eben auch auf die Strategien, mit denen narzisstisch gestörte Menschen versuchen, "ihre" Welt im Griff zu behalten. Oftmals erschließt sich der Sinn dieser Lügen und Manipulationen erst dann, wenn die Betroffenen untereinander Kontakt aufnehmen und überprüfen, was über sie in Umlauf gebracht wurde. Allerdings ist das ist nicht leicht, denn narzisstisch Gestörte verwenden viel Energie darauf, Verbindung zwischen ihren Opfern zu verhindern oder diese gegeneinander auszuspielen. Bis die Opfer das begreifen, sind sie oft im Netz der Lügen gefangen.

Was verlangt der Umgang mit dieser Persönlichkeit von den Kommissarinnen?

Gute Nerven und einen klaren Blick. Narzisstisch gestörte Menschen handeln oft irrational und zerstören lieber ihre Opfer und sich selbst, bevor sie dem anderen den "Sieg" zugestehen. Und gerade diese Irrationalität macht solche Menschen zu besonders schwer berechenbaren Tätern, was letztlich auch für Lena Odenthal und Johanna Stern die größte Herausforderung ist.

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