Interviews mit Stab und Schauspielern
Interview mit Ben Braeunlich (Drehbuch)
Wie kam es zu der Idee, im "Tatort: Schwerelos" über Fallschirmspringer und insbesondere über "Base-Jumping" zu erzählen?
Mein Ansatz war vorerst weniger über Fallschirm- oder Base-Jumper zu erzählen, als viel mehr ein Abbild unserer modernen Leistungsgesellschaft. Es gibt mehr und mehr Menschen, die den an sie gestellten Erwartungen im beruflichem Alltagskampf, als Eltern oder Partner, nicht mehr gewachsen sind – und sich der Verantwortung verweigern. Der Sprung in die Tiefe ist ein kontrollierter Kontrollverlust und ein gelebter Eskapismus, der perfekte Ausdruck für einen übersteigerten Freiheitsdrang einer überforderten Generation auf der Suche nach Identität.
Die Drehbücher der ersten Fälle stammen von Jürgen Werner. Fühlten Sie sich der Vorlagen stark verpflichtet?
Natürlich. Es war eine herausfordernde Aufgabe, die Arbeit von Jürgen Werner aufzunehmen und die Figuren in seinem Sinne zusammen mit der Redaktion weiterzuentwickeln. Und ich hoffe sehr, dass dies mir bei meiner Bucharbeit einigermaßen geglückt ist. Der Kern des Dortmunder "Tatorts" sind die Kommissare, und genau wie die Springer befinden sie sich in "Schwerelos" – jeder auf seine Weise – im freien Fall: zwischen Freiheitsdrang und Verantwortung.
Interview mit Züli Aladag (Regie)
Wie spiegelt sich das Thema des Films und die Geschichte in Ihrer Inszenierung wieder?
Im "freien Fall" befinden sich nahezu alle Charaktere des "Tatort: Schwerelos", auch unsere Kommissarinnen und Kommissare. Der Fall und die Geschichte spiegeln ein Stück weit auch ihre persönlichen Bruchstellen und ihre Entwicklungslinien wider. Spannend fand ich, alle vier Ermittler nahezu gleichwertig zu erzählen und deren persönliche Stränge mit denen der Episodencharaktere zu verknüpfen. Auf der Bildebene wollte ich etwas Pulsierendes, Schwebendes und Gleitendes erzeugen. Kamerafahrten, Vogelperspektiven, fliegende und stürzende Kameras, Zooms und Variationen in der Bildgeschwindigkeit gehörten u.a. zu den gestalterischen Mitteln, um diese Geschichte zu transformieren und mich der Emotionalität der Figuren zu nähern.
Interview mit Jörg Hartmann (Kommissar Peter Faber)
Kommissar Faber baut in diesem Fall eine Bindung zum Sohn des Mordopfers auf. Warum?
Fabers Familie wurde ermordet, also weiß er, was es bedeutet, einen nahestehenden Menschen zu verlieren. Doch der Tod von Frau und Tochter allein hat Faber nicht zu dem Menschen gemacht, der er jetzt ist. Schon in seiner Kindheit hatte er es mit einschneidenden Erschütterungen und Verletzungen zu tun. Und wenn er jetzt den Jungen sieht, wie dieser gezwungen ist, dem Vater beim Sterben beizuwohnen, dann sieht Faber auch sich selbst, sich selbst mit elf oder zwölf Jahren.
Die Grenzüberschreitungen überlässt Kommissar Faber dieses Mal eher seinen Kollegen. Er selbst bleibt ungewohnt ruhig, oder?
Der Junge fördert ungeahnte Züge bei Faber zu Tage. Sein Beschützerinstinkt wird wachgerufen, Provokationen wären hier fehl am Platz. Aber diese scheinbare Gesundung Fabers wird schon in den nächsten Folgen kein Thema mehr sein, und das ist auch gut so.
Interview mit Anna Schudt (Hauptkommissarin Martina Bönisch)
Martina Bönisch steht unter Hochdruck: Wie ist es um die Work-Life-Balance der Kommissarin bestellt?
Ziemlich chaotisch. Während sie beruflich versucht, alles unter Kontrolle zu halten und eine gute Kommissarin zu sein, läuft ihr Privatleben aus dem Ruder, was ihr zusätzlich zu den aufwühlenden Fällen sehr zu schaffen macht.
Wie gelingt es Ihnen persönlich, Familie und Beruf in Einklang zu bringen?
Ein gutes Netzwerk an familiärer und außerfamilärer Hilfe ist unumgänglich. Wenn es den Kindern gut geht, kann man gut arbeiten, wenn nicht, leidet die Arbeit, da der Fokus dann nicht justiert ist. Dort, wo man sich befindet, sollte man zu 100 Prozent anwesend sein und Freude an dem haben, was man gerade macht. Wir persönlich haben das große Glück, das wir viel Unterstützung haben.
Interview mit Aylin Tezel (Polizeioberkommissarin Nora Dalay)
Nora ist traumatisiert und immer mehr bereit, über Grenzen zu gehen. Was reizt Sie an der Rolle der Kommissarin Dalay?
In "Schwerelos" verliert Nora im wahrsten Sinne des Wortes den Boden unter den Füßen. Die Abtreibung ihres Kindes und die Trennung von Daniel haben sie in eine Situation gebracht, in der sie sich isoliert fühlt. Ihrem Schmerz versucht sie mit einer Mischung aus Gleichgültigkeit und Waghalsigkeit zu begegnen. Sie testet Grenzen aus und stürzt sich kurzerhand in ein Abenteuer mit einem Tatverdächtigen. Nora probiert sich noch aus, macht Fehler und bewegt sich gleichzeitig in einem Beruf, bei dem sie große Verantwortung trägt und mit viel Leid und den dunklen Seiten des Lebens konfrontiert wird. Mit Ende Zwanzig ist Nora noch mitten im Prozess ihre Rolle als Polizistin und als Frau zu finden; das Erwachsenwerden dieser jungen Kommissarin zu zeigen reizt mich.
Stichwort Höhenangst: Gab es bei diesem Film auch für Sie als Schauspielerin Situationen, bei denen Sie sich überwinden mussten?
Ich hatte tatsächlich ein wenig Höhenangst, die ich überwinden musste als wir auf der Spitze des Hochofens Phoenix West gedreht haben. Jörg und ich haben auf einer schmalen Metallbrücke in 70 Metern Höhe gespielt. Da musste ich schon mal kurz tief durchatmen bevor es losging. Während der Szene habe ich mich aber an die Höhe gewöhnt und hatte am Ende des Drehtags meine Höhenangst überwunden.
Interview mit Stefan Konarske (Polizeioberkommissar Daniel Kossik)
In Daniel Kossik brodelt es: Wie viel Eifersucht ist da in seinem Verhältnis zu Nora Dalay noch im Spiel?
Daniel ist eher enttäuscht über das Verhalten seiner Exfreundin. Die Abtreibung ist immer noch ein großes schmerzendes Thema für ihn. Eifersucht ist da weniger im Spiel – er ist eher verletzt von ihrem Verhalten!
Seine Kollegin Nora Dalay überschreitet Grenzen. Wie geht Daniel Kossik damit um: Schützt er sie, bremst er sie oder verrät er sie?
Er lässt sie gewähren, da er eh weiß, dass er machtlos ist wenn Nora entschieden hat ihren eigenen egoistischen Weg zu gehen!
Mussten Sie sich auch als Schauspieler während des Drehs mit Grenzsituationen auseinandersetzen, bei denen es ihnen "zu riskant" wurde? Wie sind Sie damit umgegangen?
Ich habe während des Drehs festgestellt, dass ich Höhenangst habe und habe mich mehr als einmal in – für mein Empfinden – riskante Situationen gebracht, mit denen ich mich auseinandersetzen musste.
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