Interview mit Regisseur Jens Wischnewski
Im "Tatort: Anne und der Tod" spielen Alter und Pflege eine große Rolle. War das eine thematische Grundierung, die Sie angesprochen hat?
Schon beim ersten Lesen des Drehbuchs von Wolfgang Stauch war ich sofort Feuer und Flamme. Das lag vor allem an der Art und Weise, wie er von dem Thema Alter und Pflege erzählt. Darin habe ich vieles von dem erkannt, was ich aus eigenen Erfahrungen kenne. Ich hatte direkt einen sehr persönliches Zugang. Davon abgesehen ist es ja aber auch eines der gesellschaftlich wichtigsten Themen unserer Zeit. Die Gelegenheit, mich in einem Film damit auseinandersetzen zu können, fand ich großartig.
Worauf kam es Ihnen bei der Umsetzung an und wie haben Sie es umgesetzt?
Bei der Umsetzung des Drehbuches war es meinem Team und mir wichtig, so glaubhaft wie möglich zu erzählen. Angefangen bei den pflegebedürftigen Menschen, in deren Leben wir teilweise nur einen kurzen Einblick erhalten und in kürzester Zeit das Gefühl erzeugen wollten, dass ein ganzes Leben hinter ihnen liegt. Über alle Details, die es mit sich bringt, einen Pflegedienst zu erzählen – wir haben penibel recherchiert, um jede Kleinigkeit wie Patientenakten und Dienstpläne originalgetreu einfangen zu können. Bis hin zu der schauspielerischen Umsetzung.
Unsere Hauptdarstellerin Katharina Marie Schubert hat sich intensiv mit dem Beruf auseinandersetzt und sich mit Hilfe von realen Pflegern jeden Handgriff angeeignet. Darüber hinaus wollten wir jede Figur mit emotionaler Tiefe füllen und haben für jeden Schauspieler einen persönlichen, emotionalen Zugang gesucht. Auch den Look des Films wollten wir so natürlich wie möglich gestalten. Deshalb haben wir uns dafürentschieden, ausschließlich mit Handkamera zu drehen und wenn immer es geht mit natürlichem Licht zu arbeiten.
Der "Tatort: Anne und der Tod" arbeitet mit unterschiedlichen Zeitebenen, die als Rückblenden das intensive Verhör der Hauptverdächtigen unterbrechen. Wie und mit welcher Intention sind Sie dabei vorgegangen?
Wolfgang Stauch erzählt die Geschichte von Anne und dem Tod unchronologisch. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Auch mein Kinofilm "Die Reste meines Lebens" ist wild durcheinander erzählt. Als Filmemacher gibt mir das die Möglichkeit, pointiert Details aus der Vergangenheit zu enthüllen, die großen Einfluss auf die Gegenwart haben. Ich liebe es, dem Zuschauer erst nach und nach das ganze Mosaik zu zeigen. So kann ich mit jeder Szene neue und unerwartete Wendungen erzählen und überraschende Emotionen erzeugen. Der spielerische Umgang mit den Zeitebenen und auch der Einsatz von assoziativen Schnitten, macht mir großen Spaß. Ich glaube, dass es auch für den Zuschauer großes Unterhaltungspotential bietet.
Es gibt eine ganz klare Verdächtige, die als Episodenhauptfigur im Mittelpunkt der Ermittlungen steht und von Katharina Marie Schubert dargestellt wird. Was machte sie zur idealen Darstellerin der Anne Werner?
Das Drehbuch von Wolfgang Stauch bietet trotz des zunächst schwer anmutenden Themas, einige humorvolle Momente. Die Pflegerin, die von Anfang an die Hauptverdächtige ist, sollte vor allem zu Beginn des Verhörs eine Leichtigkeit mit sich bringen. Im Laufe des Verhörs lernen wir sie besser kennen. Wir sehen ihre dunkle Seiten, ihre Geheimnisse und sollten uns sogar vorstellen können, dass diese Frau in der Lage ist, einen Mord begehen. Unsere Schauspielerin musste also sowohl die Tonalität des Humors treffen als auch in der Lage sein, die Ernsthaftigkeit des Themas ausfüllen und die Verzweiflung der Figur glaubhaft vermitteln. Katharina Marie Schubert überzeugt in jeder Hinsicht und glänzt auf der vollen Bandbreite. Ihre Leistung ist für mich der Kern des gesamten Tatorts.
Indem das Leben von Anne Werner aufgedröselt wird, wird um sie herum eine ganze Riege von Figuren plastisch, gespielt von Darstellern wie Harry Täschner, Hans-Peter Hallwachs oder Christoph Bantzer. Wie war das Arbeiten mit den Herren?
Bei dem Dreh zu unserem Tatort kam ich in den Genuss, mit wunderbaren Schauspielern zu arbeiten, die ihren Beruf länger ausüben, als ich lebe. Sie haben es, finde ich, meisterhaft geschafft, ihren Figuren in Sekunden mit nur wenigen Pinselstrichen die Bandbreite zu verleihen, die es benötigt, um als Zuschauer das Gefühl zu haben, nicht nur einem Schauspieler bei der Arbeit zuzusehen, sondern eine in sich stimmige Filmfigur vor sich zu haben, bei der man den Schauspieler dahinter völlig vergisst. Solch kunstfertigen Schauspielern bei der Arbeit zusehen zu dürfen, war für mich eine ganz besondere Ehre.
Kommentare