Ulrike Folkerts und Lisa Bitter zum 75. Lena-Odenthal-Tatort

Ein trauriger Fall für Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter), die den gewaltsamen Tod eines Schülers aufklären müssen.
Ein trauriger Fall für Lena Odenthal und Johanna Stern, die den gewaltsamen Tod eines Schülers aufklären müssen. | Bild: SWR / Christian Koch

Ulrike Folkerts und Lisa Bitter im Gespräch

Frau Folkerts, „Tatort – Marlon“ ist Lena Odenthals 75. Fall. Welche ihrer Stärken setzt sie denn darin besonders ein?

Ulrike Folkerts: Wie so oft geht Lena komplett mit Ihrem Bauchgefühl, intuitiv und emotional. Sie versucht eine Nähe zu den Kindern herzustellen, deren Situation nie außer Acht zu lassen und nimmt sie in Schutz, weil ein Kind nie Schuld hat an seinem Verhalten, sondern irgendetwas anderes dahinter stecken muss. Lena ist in Momenten unberechenbar, streitet sich, wird laut, ist wütend, zeigt ihre eigene Aggression und ist impulsiv. Johanna hat einiges mit Lena durchzustehen, sie auf den Teppich zu holen, ihr contra zu bieten. Das tut den beiden für ihre Arbeitsbeziehung sehr gut, sie lernen einander immer mehr zu vertrauen.

Frau Bitter, wie ist es mit der Zusammenarbeit Lena – Johanna? Gibt es in diesem Fall besondere Momente des Zusammenspiels?

Lisa Bitter: Die Besonderheit in diesem Fall ist eine, wenn man so will, erhöhte Dramatik, weil es sich bei dem Todesopfer um ein Kind handelt. Deshalb sind wir als Kommissarinnen besonders mitgenommen, stehen unter dem Druck die Ermittlungen schnell zu konkreten Ergebnissen zu führen. Lena und Johanna kennen sich inzwischen immer besser, die gegenseitige Empathie und der Respekt, den die eine der anderen gegenüber zollt, schließen auch die unterschiedlichen Ermittlungsstrategien ein. Lena lässt sich häufig von ihrer Intuition leiten und liegt aufgrund ihrer Erfahrung damit häufig richtig. Johanna hingegen ist immer bemüht einen kühlen Kopf zu bewahren und so analytisch wie möglich an die Fakten heranzugehen. Irgendwann stellen Lena und Johanna den möglichen Tathergang nach. Vielleicht ist das ein besonderer Moment im Film, in dem man sieht, wie souverän, vertraut und erfolgreich die Zusammenarbeit zwischen den beiden inzwischen ist.

Sie hatten einige Drehtage in einer Schule. Hat das Erinnerungen geweckt? Angenehme oder auch eher unangenehme?

Ulrike Folkerts: Meine Schulzeit liegt wirklich lange zurück. Ich bin immer gern dorthin gegangen. Ich hatte Lieblingslehrerinnen, das war wichtig. Jetzt war ich fasziniert und habe nicht schlecht gestaunt, wie agil dies Kids sind, in den Pausen permanent rennen und schreien und toben und lachen, herrlich, aber ein wirklich wilder Haufen. Ich habe großen Respekt vor den Lehrer:innen und ihrer Arbeit. 

Lisa Bitter: Ich war gar nicht darauf gefasst, wie sehr mich ein Schulgebäude in meine eigene Zeit als Schülerin zurückwerfen würde. Allein der spezielle Geruch in diesen Gebäuden – Linoleumboden, bisschen Kantine, bisschen Turnhalle – hat mich direkt in die Vergangenheit katapultiert. Gleichzeitig entstand ein Gefühl der Dankbarkeit einen Ort besucht haben zu dürfen, an dem man Zeit mit seinen Freunden verbracht hat, Bildung genießen durfte, sportliche Auslastung erfahren hat und künstlerische Fächer wie Musik und Kunst hatte, die für mich und meine spätere Laufbahn prägend waren.

Lachen musste ich immer in den Momenten sehr, wenn die Pausenglocke klingelte. Scheinbar ist man als Kind wirklich nicht in der Lage langsam zu gehen und in normaler Lautstärke zu sprechen: ein Gerenne und Gewusel und ein Geschrei war das! Respekt den Lehrer*innen, die täglich versuchen, Ruhe ins Chaos zu bringen.

Hat die Arbeit mit den Kindern die Dreharbeiten besonders geprägt?

Ulrike Folkerts: Auf jeden Fall. Alle Rollen der Kinder waren nicht einfach zu spielen. Sie hatten viele Konflikte, untereinander und auch zu Hause, dementsprechend gab es viele sehr emotionale Szenen. Dank der Kindercoachin Monika Steil waren alle sehr gut vorbereitet und es hat mir große Freude gemacht mit ihnen zu spielen. Das war richtig intensiv und ging mir teilweise unter die Haut.

Lisa Bitter: Wenn man mit Kindern dreht, muss vor allen Dingen deren Arbeitssicherheit geschützt sein, das betrifft vor allem die Arbeitszeit, die Begrenzung auf ein paar Stunden. Als „erwachsene“ Schauspielerin ist es wichtig, sich darauf einzustellen, weil es bedeutet, dass man bestimmte Einstellungen, die in der Szene noch fehlen, später sogar gegebenenfalls ohne das Kind nachdreht und sie vom Regie-Assistenten eingesprochen werden. Da gilt es die Konzentration ebenso zu erhalten wie im direkten Dialog mit dem jeweiligen Anspielpartner.

Marlon“ erzählt eine ergreifende Geschichte über Überforderung bei allen, denen die Kommissarinnen begegnen, trotz viel gutem Willen. Welcher Nachhall bleibt bei Euch nach einer solchen Episode? Ist der mehr vom Film oder von den Dreharbeiten geprägt?

Lisa Bitter: Bis der Film im Programm läuft, ist bei mir das Gefühl dazu eher von den Dreharbeiten geprägt. Wie der Film ankommt, wie ich ihn erlebe mit einem gehörigen Zeitabstand, und wie er bei meinen Freunden und der Familie ankommt, das prägt dann eher im Nachhinein die Wirkung des Films. Daher fällt es mir im Moment schwer etwas darüber zu sagen. Aber bereits als ich das Drehbuch las, habe ich mich über die Thematik des Umgangs mit Kindern die scheinbar „schwerer zu erziehen“ sind als andere, sich unkonventioneller verhalten, anstrengend werden können, gefreut, da ich es für ein sehr wichtiges und sensibles Thema halte.

Ulrike Folkerts: Der Film hat einen großen Nachhall bezüglich des Themas Aggression ausgelöst. Wie gehen wir damit um? Wie gehen Kinder damit um, wie Erwachsene? Was löst Aggressionen aus, welche Hilflosigkeit steckt dahinter, welche Aussichtslosigkeit? Das sind spannende Themen, über die ich weiter nachdenken muss.

Frau Folkerts, 75 Fälle ist eine stolze Zahl und umspannen einen beträchtlichen Zeitraum. Haben Sie den Eindruck, dass sich die Zeitspanne auch in den Ermittlungsmethoden der Kommissare abbildet?

Ulrike Folkerts: Natürlich entwickeln sich Kommissarinnen weiter, haben mehr Erfahrung, Ermittlungsmethoden haben sich weiterentwickelt, sind hilfreicher. Aber am Ende sind wir immer wieder auf gute Drehbücher angewiesen, die darüber erzählen und uns kluge Polizistinnen spielen lassen mit diversen Ecken und Kanten. Karlotta Ehrenberg hat hier ein sehr gutes Gefühl für die beiden Vermittlerinnen entwickelt und sie gemeinsam durch diesen Fall gejagt.

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