Autor Christian Jeltsch über seinen Film
Die Ausgangssituation dieses Tatorts erinnert an den tragischen Tod von Flüchtlingen, die im August vergangenen Jahres an der österreichischen Grenze erstickt in einem Kühllaster gefunden wurden. War das der Anlass für Ihr Drehbuch? Gibt es überhaupt einen Anlass aus der Realität, um diese Geschichte zu erzählen?
Die Idee für unseren Tatort entstand vor über zwei Jahren; im Gespräch mit Brigitte Dithard, der Redakteurin. Zu dieser Zeit war das Thema "Flüchtlinge" bei uns leider nur präsent, wenn im Mittelmeer wieder einmal Menschen ertrunken waren. Da ich zu diesem Thema bereits gearbeitet hatte, erhielt ich damals schon viele Informationen darüber, dass die Entwicklungen in Afrika und im Nahen Osten zu einem Flüchtlingsproblem in ganz Europa führen werden. Bei der Arbeit an dem Tatort ergab sich dann schon früh die Einstiegsszene mit dem Lkw, da diese Art der Menschentransporte zum Alltag der Schleuser gehört. Mit dem Vorfall in Österreich wurde unsere Fiktion dann auf so schreckliche Weise von der Realität bestätigt. Der Kühllaster war also nicht der Anlass für das Drehbuch, wohl aber die damals schon abzusehende Flüchtlingsproblematik.
Es geht um Flüchtlinge in dem Tatort, vor allem aber um das Geschäftsmodell und die Motivation der Schleuser. Mit welchem Fokus?
Die Idee war, in einem spannenden Tatort die Strukturen bei Schleusungen sichtbar zu machen. Einerseits die international agierenden Organisatoren, die sich geschickt der Verfolgung entziehen. Andererseits die einzelnen Schleuser vor Ort, die selber meist nur wenig profitieren. Werden sie gefasst, sind am nächsten Tag schon neue Schleuser unterwegs. Das "Reservoir" dafür ist groß. Eine durchdachte Einwanderungspolitik der EU könnte diesen Organisationen ihre milliardenschweren Profite entziehen und den Flüchtlingen die gefährliche Flucht ersparen.
Sie sperren den Kommissar und sein Gegenüber in einen Raum ein und zwingen sie dort zur Auseinandersetzung. Ist Lannert dabei angreifbar, weil er ein Gewissen hat und sich Schuld zuschreiben lässt?
Es war eine der ersten Ideen zu unserem Tatort, Lannert in eine Art Patt-Situation zu treiben. Natürlich ist er durch diese Situation angreifbar. Genau das war das Ziel. Er ist gezwungen, sich dem Thema und damit sich selber zu stellen. Es geht darum, Leben zu retten und die Frage ist: Wie weit geht Lannert dabei? Wird er dafür alle dienstlichen Vorschriften über Bord werfen? Unserem Helden auf diesem Weg zuzuschauen, ist nicht zuletzt dank Richy Müllers Darstellung sehr, sehr packend, wie ich finde …
Auch die Ohnmacht des Polizisten angesichts der Flüchtlingssituation spielt in dem Film eine Rolle. Bewegt er sich damit in einem politischen Umfeld?
Natürlich bewegt sich der Film im politischen Umfeld; gerade weil das Thema so sehr an Brisanz gewonnen hat. Dadurch jedoch, dass die Schauspieler und der Regisseur Züli Aladag es so großartig geschafft haben, mit ihrem Spiel und der Inszenierung stets im Moment der Emotion und der Spannung zu bleiben, ist ein politischer Film gelungen, der ohne politische Statements auskommt.
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