Gespräch mit Til Schweiger
Interview mit Til Schweiger über seinen ersten Tatort "Willkommen in Hamburg", seine Rolle des Nick Tschiller und seine Rückkehr ins Fernsehen.
Sie sind als Schauspieler, Autor, Regisseur und Produzent für einige der erfolgreichsten deutschen Kinoproduktionen der 90er- und 2000er-Jahre verantwortlich. Nun kehren Sie erstmals wieder ins Fernsehen zurück – was hat Sie dazu bewegt?
Genre funktioniert in Deutschland mit ganz wenigen Ausnahmen nicht. Als Fan des Polizeithrillers blieb mir keine andere Wahl. Außerdem ziehe ich wieder nach Hamburg und zufälliger Weise wurde die Stelle frei.
Wie wichtig war es Ihnen, in Hamburg den Job als "Tatort"-Kommissar zu übernehmen?
Hamburg ist die schönste Stadt in Deutschland, die außer Berlin die besten Filmlocations hat. Damals in L. A. habe ich schon gesagt, wenn ich nach Deutschland zurückgehe, dann nach Hamburg.
Ihr Regisseur Christian Alvart sagt: "'Tatort' ist eine starke Marke, Til Schweiger ist eine starke Marke – beide addieren sich nicht, die multiplizieren sich." Welchen Synergieeffekt verspricht diese Verbindung aus Ihrer Sicht?
Nun "Tatort" ist eine sehr starke Marke ohne Til Schweiger – schon immer gewesen. Ich hoffe, dass wir die Marke bereichern können.
Sie sind bei vielen ihrer Filme gleichzeitig in verschiedenen Departments tätig. Wie war die Erfahrung, bei "Willkommen in Hamburg" die Verantwortung auf verschiedene Schultern verteilt zu wissen?
Super. Das Arbeiten ist viel entspannter. Man muss nur seinen Text können, sich seinen Charakter verinnerlichen und dann nur noch pünktlich zur Arbeit erscheinen.
Es gibt für einen "Tatort" überdurchschnittlich viele Action-Szenen und Schusswechsel, auch wenn klar ist, dass man deutsche Fernsehaction nicht mit amerikanischen Kinofilmen vergleichen kann. Sind Sie mit klaren Vorgaben an die Rolle und die Geschichte gegangen oder ergab sich das Film- und Serienkonzept im Team- Pingpong?
Alle Beteiligten, Sender, Redaktion, Produktion und Regie wollten dasselbe: einen etwas anderen "Tatort" machen. Alle hatten Lust drauf, das bitte ich zu bedenken, bevor ich wieder alles abkriege (grinst).
Was für ein Charakter ist Ihr Kommissar?
Nick Tschiller ist ein Mann der emotionalen Gerechtigkeit. Er will die organisierte Kriminalität mit allen – legalen – Mitteln bekämpfen.
In der klassischen Dramaturgie besitzt jeder Held seine Achillesferse. Welchen Grundkonflikt hat Nick Tschiller?
Nun, dem Schauspieler, der ihn verkörpert, ist vor ein paar Jahren eben diese gerissen. Nick Tschiller ist nicht mehr so gut auf den Beinen und er ist auch nicht mehr der Jüngste. Nick hat keinen Grundkonflikt, das unterscheidet ihn von vielen anderen Fernsehkommissaren. Seine Ehe ist gescheitert, aber er bemüht sich trotzdem, ein guter Vater zu sein.
"Willkommen in Hamburg" besitzt ein prekäres Grundthema – menschenverachtende Machenschaften einer vom Staat bislang offenbar geduldeten Verbrechersippe. Sehen Sie eine echte und aktuelle Gefahr in Deutschland durch eine solche Parallelgesellschaft?
Puuuh, wir haben viele Parallelgesellschaften, in keinem Land der Erde ist die Mafia so gut strukturiert wie hier – höchstens noch in Italien. Und das ist nur eine von ganz vielen. Ich würde schon sagen, dass dies eine Bedrohung für unsere Gesellschaft bedeutet. Ich bin aber nicht bei der Staatsanwaltschaft und auch nicht bei der Polizei. Ich bin ein Schauspieler, der eine Fernsehreihe macht.
Ist Nick in seiner Grundausstattung einem amerikanischen Cop näher als einem deutschen Polizisten – und damit automatisch prädestiniert, mit dem deutschen Staatsbeamtentum in Konflikt zu geraten?
Was ist denn ein amerikanischer Cop? Was meinen Sie? Einen echten, oder einen wie Sylvester Stallone? Nick ist ein Polizist, wie ich ihn beschrieben habe, er war beim SEK und deshalb ist er besser in der Lage, sich in einem Feuergefecht zur Wehr zu setzen, er ist drauf trainiert. Er schießt aber nur in Notwehr.
Nick muss mehrfach in Notwehr töten. Was für eine Haltung hat er zum Schusswaffeneinsatz?
Da Nick keinen an der Waffel hat, will er nicht töten. Niemandem, auch wenn er noch so trainiert ist, fällt es leicht zu töten, es sei denn, er ist ein Soziopath. Das ist aber Nick nicht. Wie er seelisch mit der Situation umgeht, sagt er in der ersten Folge nicht, dazu hat er auch gar keine Zeit, denn schließlich muss er Leben retten.
Im familiären Hintergrund des Kommissars wird eine ungewöhnliche Situation gezeichnet. Er kommt mit seiner Tochter Lenny nach Hamburg, fortan alleinerziehend, weil seine Frau ihren eigenen Karriereweg gehen will. Wie ist diese Idee entstanden?
Ich würde mal sagen, das liegt auf der Hand.
Nick Tschiller ist ein Mann, der in der Regel nicht viele Worte macht oder sich von anderen in die Karten schauen lässt. Aber seine 15-jährigeTochter darf tief in sein Herz und den Polizistenalltag blicken. Mutet er ihr damit zu viel zu oder hat er niemand anderen, dem er sich anvertrauen kann?
Nein, er mutet sich nicht zu viel zu, ihretwegen ist er in die Stadt gezogen und vom SEK weg. Er macht es, weil er sie abgöttisch liebt.
So schillernd-böse Nicks Gegenspieler sind, so sehr traut man ihnen auch zu, dass sie Nicks Tochter Lenny attackieren werden. Ist es da und in Zukunft bei anderen gefährlichen Fällen nicht etwas leichtfertig vom Vater, seine Tochter bei sich zu haben?
Was für eine Alternative hätte er denn? Kündigen und auf Steuerberater umschulen? Das würde nicht zu ihm passen.
Was werden Sie am Sonntag, den 10. März 2013, um Viertel nach Acht machen?
Kommt aufs Konkurrenzprogramm an, mal sehn. Vielleicht schau ich mir Christian Alvarts Film mal an. Ich hab gehört, der er ist ziemlich gut geworden ...
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