Alois Moyo als Jon Makoni
Die Figur Jon Makoni
Jon Makoni ist ein sanfter Mann. Er überlegt sorgfältig, bevor er etwas sagt. Und wenn er spricht, dann leise. Aber er ist auch beharrlich. Wie sonst hätten er und seine Frau Hope nach der Flucht aus Simbabwe elf Jahre ohne offiziellen Status in Deutschland durchgehalten? Wie hätten sie einen Sohn großziehen und unter dem Radar durch die Schule bringen können? Wie sonst hätten sie jetzt eine bescheidene, fast bürgerliche, aber heimliche und bedrohte Existenz? Mit einem leisen Stolz spricht er von seiner – schlecht bezahlten – Schwarzarbeit im Großmarkt, auf Baustellen, bei der Altkleidersammlung. Und jetzt braucht Jon all seine Beharrlichkeit, denn sein Sohn Noah ist verschwunden. Jon ist ein größerer Optimist als Hope, ironisch angesichts ihres Namens. Er spricht Deutsch, sehr zum Missfallen von Hope, die seine Anpassung ablehnt. Jon glaubt an so etwas wie universelle Rechte. Ein verschwundener Junge muss doch die Polizei mehr interessieren als ein fehlendes Ausweisdokument. Ein Irrtum – und ein Glück, dass er in höchster Not Thorsten Falke begegnet, der ihn einfach mitnimmt, raus aus dem Revier. Was Jon schnell begreift: Er ist Falke als Türöffner nützlich, als Reiseführer in eine Community, für die Polizei nicht Recht und Ordnung, sondern Angst und Abschiebung bedeutet. Aber viel wichtiger: Er vertraut Falke. Jedenfalls fast.
Alois Moyo als Jon Makoni
Erzählt der Film auch Ihre eigene Fluchtgeschichte?
Meine persönlichen Erlebnisse sind in den Film eingeflossen. Ich stamme aus Makokoba, dem ältesten Township der Stadt Bulawayo in Sim - babwe, so wie meine Figur Jon. 1980 erlangte Simbabwe seine Unabhängigkeit von Großbri - tannien. Zu der Zeit war ich Mitglied in einem Karateclub, aus dem wir das erste afrikanische Theater „Amakhosi Township Square Cultural Centre“ entwickelten. Wir machten politisches Theater in einer Mischung aus einheimischen Sprachen und Englisch als Unterhaltung, Information und politische Bildung. In unseren Stücken haben wir Gesang, Tanz und volkstümliche Erzählungen miteinander verbunden, das Publikum konnte sich aktiv beteiligen. Wir waren die Stimme des Volkes. Aber das passte der Regierung nicht immer. Sie ließ uns überwachen und schickte Sicherheitsleute ins Publikum und hinter die Bühne. Damals traten wir oft in Schulen und Internaten auf, wo viele Lehrer aus Europa unterrichteten. Über sie bekamen wir Kontakt zu einem Theaterfestival in Glasgow. So konnten wir Anfang der 90er-Jahre auf Tournee durch Europa und die USA gehen.
Wie kamen Sie dann nach Deutschland?
Ich war 2001 an einem deutsch-simbabwischen Wandbild-Kunstprojekt am Amakhosi Theater beteiligt. Über die deutsche Gastkünstlerin erhielt ich eine Einladung nach Deutschland. Von hier aus bin ich wegen der großen Commu - nity mit Leuten aus Simbabwe nach England gegangen. In Großbritannien habe ich Asyl beantragt, aber mein Antrag wurde abgelehnt, und ich wurde zurück nach Deutschland abgeschoben. Ich war damals 35 Jahre alt, ohne meine Familie und sprach kein Deutsch. Ich konnte nicht legal als Künstler arbeiten und wäre gern zur Theater- oder Filmhochschule gegangen. Aber zu der Zeit durfte man als Geflüchteter weder arbeiten noch studieren. Man wird verrückt, wirklich. Es war eine schwere Zeit. Was sollte ich tun? Für mich begann eine wahre Odyssee. Zehn Jahre lang pendelte ich zwischen Simbabwe und Deutschland. Ich beantragte in der deutschen Botschaft in Simbabwe ein Künstlervisum, damit durfte ich mich zwölf Monate in Deutschland aufhalten. Nach Ablauf kehrte ich nach Simbabwe zurück und besorgte mir ein neues Visum für Deutschland. Es war ein ständiges Hin und Her. Mit diesem Künstlervisum konnte ich in Deutschland als selbstständiger Künstler arbeiten. Ich habe an Schulen und Kin - dergärten als Trommellehrer gearbeitet, kleine Theaterstücke für Kinder geschrieben und Theaterprojekte durchgeführt. Mit „Afrika Montage“ konnte ich 2007 mein erstes eigenes Theater - stück in Deutschland produzieren. Seitdem habe ich auch in mehreren TV-Produktionen mitgespielt. Seit vier Jahren habe ich jetzt einen deutschen Pass.
Haben Sie mit Jon vieles gemeinsam?
Ja, nicht nur, dass wir beide aus Simbabwe sind. Auch Jon wollte anfangs nach England auswandern und blieb dann in Deutschland hängen. Er hat sich hier irgendwie eingerichtet, weil er sagt: Es gibt Schlimmeres, es ist besser als nichts! So habe ich damals auch gedacht. Im Gegensatz zu mir ist Jon mit seiner Frau und seinem Sohn eingereist. Hope ist eine gebildete Frau. Sie hat in Simbabwe studiert und könnte eigentlich als Lehrerin arbeiten. Für sie ist es schrecklich, in Deutschland ohne Papiere zu leben und putzen zu gehen. Sie hatte sich ein besseres Leben erhofft.
Sind die schweren Jahre beim Drehen wieder lebendig geworden?
Die Geschichte ist mir sehr ans Herz gegangen. Beim Spielen schossen mir manchmal die Tränen in die Augen. Dieser Film bedeutet mir sehr viel. Denn ich fühle mich wie Jon. Der „Tatort“ erzählt auch meine Geschichte, und ich finde es gut, dass sich jetzt Millionen Zuschauer ein Bild davon machen können, wie schwer es für Geflüchtete ist, ohne Papiere in Deutschland zu leben.
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