Pamela Pabst
Es scheint noch immer eine Ausnahme in deutschen Fernsehserien zu sein, Figuren mit einer Behinderung in den Fokus zu stellen. Wie erklären Sie sich das?
Eine Behinderung wird oft als Schicksalsschlag wahrgenommen. Wenn es – wie bei Romy – nicht vorrangig darum geht, warum die Figur blind ist, denken einige Macher:innen vermutlich: Wozu eine Behinderung erzählen? Denn wenn man Blindheit authentisch darstellen will, muss man sich sehr damit befassen, um es realistisch und nicht peinlich aussehen zu lassen. Dafür braucht es viel Aufwand und Sachverstand. Warum einen einbeinigen Schauspieler suchen, wenn es genug auf zwei Beinen gibt?
Sie haben sich als erfolgreiche Anwältin durchgesetzt, so auch Ihr fiktionales Alter Ego Romy Heiland. Gibt es Ihrer Meinung nach Aspekte in der Serie, die noch nicht ausreichend beleuchtet wurden?
Es gäbe noch Einiges: vor allem Szenen, die den Umgang mit blinden Menschen zeigen. Zum Beispiel den Umstand, dass gern in der dritten Person über die Person gesprochen wird, statt sie direkt anzusprechen, weil der Blickkontakt fehlt. Darüber hinaus wäre es wichtig, auch Szenen zu zeigen, in denen Hilfsmittel vorgestellt werden, z. B. eine sprechende Haushaltswaage, ein sprechendes Fieberthermometer oder ein Farberkenner beim Wäschesortieren. Aber natürlich muss das im Einklang mit Szenen stehen, die die Story vorantreiben.
Romy wird in der Serie mit sehr unterschiedlichen Mandaten betraut. Gibt es ein Mandat, das Sie juristisch besonders interessiert hat?
Während meiner Ausbildung war ich auch bei der Staatsanwaltschaft in der Abteilung für Tötungsdelikte tätig. Hier hatte ich zu prüfen, ob sich ein Arzt nach dem damaligen Embryonenschutzgesetz strafbar gemacht hatte, wenn er im Reagenzglas gezeugte Embryonen vor dem Einsetzen in den Körper der Patienten daraufhin untersuchte, ob behinderte Kinder geboren werden würden und diese sodann ggf. vernichtete. Das fand ich extrem spannend, und meine Arbeit an diesem Fall trug auch dazu bei, dass das Gesetz geändert wurde. Auf diesem Wege quasi Rechtsgeschichte mitzuschreiben, ist schon toll.
Die Serie läuft nun schon in der vierten Staffel. Haben Sie, rückblickend, mit diesem Erfolg gerechnet?
Man hat ja keine Glaskugel. Aber dass den Menschen die Serie gefallen würde, hatte ich schon gedacht. Die Figuren sind toll und es wird ein reales Bild gezeichnet – ohne übersinnliche Fähigkeiten der blinden Anwältin und ohne platte Darstellungen, wie einer schwarzen Brille und drei schwarzen Punkten auf der Armbinde. Wenn ich gefragt werde, ob es auch noch eine fünfte Staffel geben wird, so denke ich, dass uns die Zuschauer:innen auch hierfür einen Auftrag erteilen werden. Und wenn es nicht so ist, dann war es eine wunderschöne Zeit.