"Einmal tiefe Gefühle zeigen"

Sven Martinek und Ingo Naujoks über den Sprung ins Hauptabendprogramm, über das Gefühlsleben der Kommissare und starke Frauenfiguren

Showdown: Kann Finn (Sven Martinek, M.; mit Ingo Naujoks, l., und Jonas Minthe) mit Elkes Entführerin verhandeln?
Showdown: Kann Finn mit Elkes Entführerin verhandeln? | Bild: ARD/NDR/ARD Degeto / Thorsten Jander

Sven Martinek und Ingo Naujoks über den Sprung ins Hauptabendprogramm, über das Gefühlsleben der Kommissare und starke Frauenfiguren

Nach 140 Folgen und Zuschauerbestmarken am Vorabend kommt „Morden im Norden“ mit einem Spielfilm ins Hauptabendprogramm. Was bedeutet Ihnen das?

SVEN MARTINEK: Natürlich sind wir stolz auf diesen Erfolg. „Am Abgrund“ ist ein eigenständiger Spielfilm mit einer tiefgehenden Geschichte, inhaltlich losgelöst von der Serie, aber mit den bekannten Charakteren. Wir wollten eine Geschichte erzählen, die auch jene Zuschauer verstehen und fesselt, die bisher keine einzige Folge von „Morden im Norden“ gesehen haben.

INGO NAUJOKS: Im Vorfeld wurde natürlich diskutiert, wenn wir auf 20:15 Uhr gehen, dann muss es eine großartige Geschichte sein. Dann las ich das Drehbuch und dachte: wow, der Hammer, spannend und voller unerwarteter Wendungen! Eine Freude, ein solches Buch zu drehen!

MARTINEK: Jetzt hoffen wir, dass unser erster Spielfilm viele Zuschauerinnen und Zuschauer in die Primetime zieht und die Quoten von „Morden im Norden“ weiter steigen. Es macht für uns aber keinen Unterschied, ob wir einen anderthalbstündigen Spielfilm für den Hauptabend oder einen 45-minütigen Vorabendkrimi erzählen: Wir gehen mit derselben Leidenschaft und derselben Professionalität an die Arbeit und geben in allen Fällen unsere vollen 100 Prozent.

Im Film „Am Abgrund“ wird Finn Kiesewetter nach einem tödlichen Einsatz suspendiert. Ist der Kommissar hier Täter und Opfer?

MARTINEK: Finn erschießt einen bewaffneten Geiselnehmer, um Lars zu retten, der in die Schusslinie geraten ist. Als eine Zeugin aussagt, er habe ohne Not geschossen, wird er als Mörder abgestempelt. Es ist ein knallharter Thriller, der in meinen Augen so besonders ist, weil wir uns intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt haben: Was macht es emotional mit einem Polizisten wie Finn, einen Menschen getötet zu haben? Wie geht er mit der Tat um? Mit seinen Schuldgefühlen und Selbstzweifeln? Darin bestand die Herausforderung für mich als Schauspieler, und ich bin wahnsinnig dankbar für diese Rolle.

NAUJOKS: Für mich kam es beim Spielen auf mehrere Faktoren an. Da ist zum einen die Dankbarkeit des Kommissars Lars Englen, dank Finn noch am Leben zu sein. Aber es schwingt auch eine gewisse Skepsis mit, ob der Kollege Kiesewetter sich in diesem Fall richtig verhalten hat. Dazu kommen die tief empfundene Freundschaft und der enorme Druck, seinem Kumpel aus dieser Situation heraushelfen zu wollen.

Welchen Einfluss haben die Ermittlungen auf die Freundschaft der Kommissare?

NAUJOKS: Als Kommissar habe ich keine andere Wahl, als der Rechtsgrundlage zu folgen und Ermittlungen gegen meinen Freund aufzunehmen. Lars ist der Wahrheit verpflichtet, und die lautet auf den ersten Blick: Finn ist der Täter. Es spielt ja keine Rolle, was Lars glaubt oder nicht. Er muss seine Position als Polizist behaupten, auch wenn es ihm weh tut.

MARTINEK: Am Anfang des Films sind alle gegen Finn, alles spricht gegen ihn. Er ist schockiert, dass Lars ihm nicht vorbehaltlos vertraut. Er wird vom Dienst suspendiert, eine interne Ermittlerin geht dem Verdacht auf Totschlag nach, Journalisten erklären ihn zum „Todesschützen von Lübeck“. In diesen Momenten sehen wir, dass Finn eben nicht nur so ein tougher Typ ist. Nachts reißen ihn Albträume aus dem Schlaf. Wie im Wahn holt ihn die Situation immer und immer wieder ein.

Lernen die Zuschauer die Kommissare einmal ganz anders kennen als in der Serie?

NAUJOKS: Natürlich ist Finn Kiesewetter einer der robusteren Charaktere. Den Kerl wirft so leicht nichts um. Aber in unserem Spielfilm ging es darum, die weichen Seiten dieses Mannes hervorzuheben. Und da möchte ich meinem Kollegen auch einmal sagen: Das ist dir großartig gelungen, Sven! In einer Serienfolge sind ja oft Dialog an Dialog getaktet, damit das Ding rockt. Ein 90-minütiger Spielfilm bietet dagegen viel mehr Freiraum für Emotionen. Wir konnten uns auch mal trauen, die Stille auszuhalten. Einer sagte etwas, ohne dass der andere sofort antwortete.

MARTINEK: In einem Spielfilm können wir das Gefühlsleben unserer Figuren viel genauer ausloten, als es in einer Serienfolge möglich ist. Ich fand es richtig geil, hier einmal tiefe Gefühle zu zeigen, statt so viel zu reden. Beim Spielen hatte ich manchmal Gänsehaut-Momente. Unser Regisseur Dirk Pientka hat uns sehr fein und sehr klar geführt, damit wir emotional an unsere Grenzen gehen konnten.

Maja Jurić spielt die Widersacherin der Kommissare. Ist sie eine große Entdeckung?

MARTINEK: Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine kleine und zarte Person. Aber wenn sie vor der Kamera steht, platzt eine so ungeheure Energie aus ihr heraus, dass man fast erschrickt: Wow! Dann verwandelt sie sich in eine große, schillernde Persönlichkeit. Und man versteht sofort, warum sie uns Kommissaren so schwer zusetzt. Sie hat ihre Rolle herausragend gespielt.

NAUJOKS: Maja kann in einem Moment von null auf hundert hochfahren. Es hat mich fasziniert, wie diese zierliche Frau beim Spielen gewissermaßen explodiert, sodass ich oft dachte: Da ist aus einem Schmetterling eine gefährliche Raubkatze geworden. Überhaupt haben wir wieder ein Riesenglück gehabt mit der Besetzung. Tessa Mittelstaedt gibt im Spielfilm ihr Comeback nach fast 50 Serienfolgen als Staatsanwältin Elke Rasmussen. Und Pina Kühr ist ganz toll in der Rolle der internen Ermittlerin, die eine feine Wandlung vollzieht. So gesehen ist „Am Abgrund“ auch ein starker Frauenfilm

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