So., 16.03.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Chinesischer Babytourismus in den USA
Sie sind überall und bevölkern ganze Vororte von Los Angeles. Die schwangeren Frauen aus China sprechen kein Englisch und sie haben keinerlei Ortskenntnisse. Für ihre Reise nach Kalifornien gibt es nur einen Grund: ihr Kind soll Amerikaner werden.
Organisiert wird das von chinesischen Agenturen. Sie lotsen die Schwangeren ins fremde Die Agenturen besorgen ein Touristenvisum, raten bei der Einreise zum weiten Mantel, um den Bauch zu verhüllen und bringen die Frauen dann in ruhigen Wohngegenden unter. Bis zur 40.000 Dollar kassiert die Agentur dafür.
Agenturen bieten Rundum-sorglos-Paket
Denn wer in den USA geboren wird, ist automatisch Amerikaner - so will es die Verfassung. Alles ganz einfach, versichern die Agenturen auf ihren Internet-Seiten. Neun Monate Schwangerschaft optimal genutzt: im siebten Monat Koffer packen, in Kalifornien lockt Luxus-Shopping zum Zeitvertreib und dann heißt es: Willkommen, kleiner Amerikaner! Wer den US-Pass besitzt, darf später hier studieren. Das bedeute Freiheit und soziale Sicherheit.
10.000 Babies sollen inzwischen pro Jahr so geboren werden. Immer mehr Mitarbeiter stellen die Agenturen ein. Selbst im Supermarkt ist die Betreuerin immer dabei, behält ihre Schützlinge genau im Auge. In einer Wohnanlage werden Hunderte Appartements vermietet - offensichtlich ausschließlich an chinesische Schwangere und Begleitung.
Beim Anblick unserer Kamera flüchten viele. Doch wir finden auch Frauen, die mit uns sprechen: "Warum bringen Sie ihr Kind hier zur Welt?", fragen wir. Die Antwort: "Nun, die Luft ist hier sehr gut. Der Smog in Peking ist so schlimm, das ist schädlich für Schwangere und Babys."
Das Argument hören wir häufig. Wenn die Schwangeren überhaupt etwas sagen dürfen - meist werden sie von der Aufpasserin gleich daran gehindert. Berichte stören das Geschäft, der Service ist dafür umfassend: Die Agentur liefert Bio-Milch und Windeln, berät von der Einreise bis zum freudigen Ereignis - und erledigt anschließend den Papierkram.
Doppelte Staatsbürgerschaft gibt es nicht
Ist das Baby vier Wochen alt, geht es zurück nach China. Das Kleine braucht dann ein Visum - denn es ist amerikanisch, doppelte Staatsbürgerschaft ist in China nicht möglich. Manch patriotische Mutter hat da gemischte Gefühle: "Ich mache das, damit er später mehr Möglichkeiten hat. Aber er sollte sich schon als Chinese fühlen. Nur eben mit mehr Freiheiten. Naja, und die Reise hierher hat ja auch andere Vorteile. Schmuck und Designerklamotten etwa sind in Amerika viel günstiger. Ich gehe hier oft shoppen."
Es steht viel auf dem Spiel
Nur, ganz legal ist die Sache nicht, denn die Frauen haben bei ihrer Einreise mit Touristenvisum falsche Angaben gemacht. Entsprechend nervös reagiert die Angestellte der Agentur, die uns bei unseren Dreharbeiten streng des Geländes verweist. Von Schwangeren will sie nichts wissen. Ihre Firma hat keinen Gewerbeschein - den gibt es nicht für diese Art von Service, die Agentur zahlt daher auch keine Steuern.
Für die Schwangeren steht noch viel mehr auf dem Spiel, erklärt Gary Chodorow. Der Anwalt betreut in Peking Familien, die von den Folgen ihres Handelns völlig überrascht wurden. "Warum waren sie vier Monate da, heißt es dann beim nächsten Visumsantrag. Sie haben doch behauptet, nur eine Woche lang ins Disneyland zu fahren. Das ist Betrug - und es endet häufig damit, dass die Mutter nie mehr in die USA darf. In China ist ihr Kind Ausländer, es muss auf eine teure internationale Schule gehen und hat keinen Zugang zum staatlichen Gesundheitswesen", erklärt Chodorow.
Dazu kommt heftige Kritik an jedem, der beim Babytourismus ertappt wird - wie etwa die prominente Journalistin Chai Jing. Als Verräterin beschimpfen viele ihrer Landsleute sie nun. Chinesen, die für ihr Kind den amerikanischen Traum träumen, sollten dies wohl besser geheim halten.
Autorin: Karin Dohr, ARD-Studio Washington
Stand: 15.04.2014 10:44 Uhr
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