So., 16.03.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Schuhproduktion in Äthiopien: Billigarbeitskräfte für China
Morgenappell wie beim chinesischen Militär vor einer Schuhfabrik: "Wir geben all unsere Kraft in die Produktion", beschwört der Chef seine Truppen. "Für die Produktion!", schallt es zurück. Live zugeschaltet ist die Firmenleitung aus Dong Guan. Den die Fabrik steht nicht in China, sondern in Äthiopien.
Dann der Abmarsch zum Stempeln. Das geschieht schön getrennt: Chinesen auf der einen, Äthiopier auf der anderen Seite.
Schnell und Dieb - das Wesentliche eben
Seit zwei Jahren produziert die Firma Huajian Shoe in Äthopien für den US-Markt. Die Schuhe sind für Marken wie Tommy Hilfiger oder Guess. Es wird viel geklebt. Einen Schutz aber tragen nur die wenige Arbeiter. Mittlerweile schaffen sie 7.000 Paar am Tag. Produktionsleiter ZuDong Ma ist zufrieden. Nur mit der Kommunikation hapert es noch ein bisschen: "Wir verständigen uns mit Händen und Füßen. Aber ich kann auch einige einfache Wörter in der lokalen Sprache hier: tollo tollo heißt schnell schnell und Ali Baba heißt du Dieb."
Produktion für den US-Markt
Die Fabrik sieht genauso aus wie die Zentrale in China. "Verantwortung durch Pünktlichkeit", steht auf Bannern oder "Leistung durch Konzentration"."Uns ist das wichtig. Für unsere Firma gehören diese Leitsätze zur Kultur. Wir hoffen, dass etwas davon hängen bleibt wenn die Arbeiter die Schilder anschauen", erklärt Nara Zhou. Die 24-Jährige ist gerade neu und die rechte Hand vom Chef.
Kulturrevolution in Äthiopien. Die Chinesen nennen es Entwicklungshilfe. Sie hätten ja nur 120 Landsleute mitgebracht, als Aufseher, aber 3.500 Arbeitsplätze geschaffen.
45 Dollar im Monat
Zum Beispiel für Eden: Die 22-Jährige ist gelernte Schuhmacherin. Das Handwerk hat Tradition in Äthiopien. Einen Job hatte sie vorher nicht, denn Arbeitslosendquote liegt hier bei mindestens 40 Prozent.
Eden lebt nahe der Fabrik, im Hinterhof eines Familienhauses. Allein und zum ersten Mal getrennt von zu Hause. Sie wohnt auf fünf Quadratmeter - ohne Fenster. Für mehr reicht ihr Lohn nicht aus. "Wenn ich Überstunden mache, verdiene ich etwa 45 Dollar im Monat, wenn ich keine mache 30", erzählt sie.
Eden arbeitet zehn Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. 45 Dollar im Monat reichen selbst in Äthiopien kaum zum Leben. Allein die Miete kostet 15 Dollar. Zum Leben bleibt dann eine Dollar am Tag. "Ich überlebe, aber mir eine Zukunft aufbauen kann ich damit nicht. Dabei arbeite ich so viel. Das ist nicht fair", sagt Eden. Fleisch zum Essen kann sie sich nicht leisten.
Löhne in China zu hoch
Ein Paar Schuhe kosten im Laden doppelt so viel wie das was Eden im Monat verdient. Das Absurde: Ihr Gehalt liegt sogar noch über dem äthiopischen Mindestlohn. Genau deshalb steht die Schuhfabrik hier, denn die Löhne in China sind mittlerweile zu hoch. Und kaum irgendwo auf der Welt ist Arbeitskraft noch so billig wie in Äthiopien.
Immerhin, sagen die Chinesen, bieten sie ihren Arbeitern zwei kostenlose Mahlzeiten am Tag. Aber weil Äthiopien nach wie vor das viertgrößte Hungerland der Welt ist, müssen die Strafe zahlen, die nicht ordentlich aufessen - einen ganzen Tageslohn. Zu Essen gibt es jeden Tag das Gleiche: äthiopisches Brot und eine Soße aus Linsen und Zwiebeln.
Für die chinesischen Mitarbeiter gibt es eine Extra-Kantine. Die Asiaten sind begeistert, wie gut äthiopisches Fleisch ist. Ansonsten schmecke ihnen das äthiopische Essen aber nicht besonders, sagt der Chef, es sei ganz anders.
Moderner Kolonalismus
Abgesehen von den Managern waren die meisten Chinesen zu Hause einfache Arbeiter. Außer in der Kantine, schwelgen auch sie nicht im Luxus. Viele wohnen unter dem Fabrikdach, teilen sich zu sechst ein winziges Zimmer. Aber ihr Lohn ist hier fast doppelt so hoch wie in der Heimat und ihre Autorität auch. "Wir wollen unseren äthiopischen Arbeitern ein besseres Leben ermöglichen. Wir wollen ihnen auch beibringen, wie man hygienisch und gesund leben kann. Wir haben hier Duschen für sie. Wir sagen ihnen, dass sie ihre Zähne bürsten und ihre Hände oft waschen sollen. Wir respektieren ihre Ansichten. Das ist für uns Demokratie", erklärt YiPing Song, Direktor von Huajin Shoe City Äthiopien.
Man kann das auch für modernern Kolonialismus halten. Die äthiopische Regierung stört das nicht. Das Regime ist autoritär und dankbar für Fabriken wie Huajian. Denn die Chinesen stellen keine lästigen Fragen nach Menschenrechten. Sie investieren und bekommen dafür von Äthiopien immense Steuergeschenke.
Auf der Strecke bleiben die Arbeiter. Nara Zhou sieht das nicht so streng. Äthiopiens Wirtschaft wachse rasant und die Menschen bräuchten erst mal Arbeit. Rechte und Bedingungen - das sei eben ein Prozess. Das sei ja in China nicht anders gewesen, sagt sie voller Überzeugung. So als sei in China plötzlich alles in Ordnung.
Autorin: Shafagh Laghai, ARD-Studio Nairobi
Stand: 15.04.2014 10:43 Uhr
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