SENDETERMIN So., 16.03.25 | 23:35 Uhr | Das Erste

Liebe zu den Dingen

Wolfgang Tillmans zeigt seinen fotografischen "Weltraum"

Wolfgang Tillmans zeigt seinen fotografischen "Weltraum" | Video verfügbar bis 16.03.2027 | Bild: Staatliche Kunstsammlungen Dresden / Oliver Killig

Wolfgang Tillmans hat die Antennen für das Besondere im Gewöhnlichen: Er fotografiert seine Freunde oder Kartoffeln und eine Rosenkohlpflanze, macht beiläufige Porträts von Prominenten und experimentiert mit Licht, Papier und Chemie. Seine Erforschung der Möglichkeiten des Sehens setzt er kontinuierlich fort und kombiniert die entstandenen Werke zu seinem eigenen Bilderkosmos. Mit der Ausstellung "Wolfgang Tillmans. Weltraum" präsentiert das Dresdner Albertinum einen Querschnitt durch das vielfältige Schaffen des Künstlers. ttt hat Wolfgang Tillmans in Dresden bei den Ausstellungsvorbereitungen getroffen.

Ähnlichkeit rund um die Welt

"Weltraum" heißt die Dresdner Ausstellung. Gemeint ist die Welt als Raum, in dem wir leben. Den wir gemeinsam bewohnen. Die meisten Fotos hat Wolfgang Tillmans auf Reisen rund um den Globus gemacht, in San Francisco oder Lagos oder Hongkong. "Auch wenn die Bilder in der Ausstellung aus fünf Kontinenten kommen, geht es eigentlich nicht um das Trennende, das Exotische, sondern eher um das, was universell fast austauschbar wäre, was man wiedererkennen kann. Und so habe ich immer wieder erlebt, dass Menschen sich viel ähnlicher sind, als es auf den ersten Blick erscheint", berichtet Wolfgang Tillmans .

Die Schönheit des Alltäglichen

Pflanzen, vertrocknetes Laub und Plastikmüll
Wolfgang Tillmans, Rain Splashed Painted Life, 2022 | Bild: Courtesy of Galerie Buchholz; Maureen Paley, London; David Twirner, New York

Der Fotograf schaut genau hin. Er will verstehen, was er sieht. Menschen in alltäglichen Lebenssituationen, Dinge, Pflanzen. Verschüttete Farbe auf einem Zweig oder ein löchriges T-Shirt entwickeln in seinen Augen eine besondere Schönheit. Die eigentliche Arbeit sei nicht der Druck auf den Auslöser, meint Tillmans: "Das Bildermachen mit der Kamera dauert eine Sekunde, aber gedanklich ist die Arbeit, die da reingeht, auch eine, die über Wochen oder Monate oder auch Jahre läuft. Und die wird manchmal aktiv um die Ecke, und manchmal aktiv in Abidjan in der Elfenbeinküste." Wie das Bild "Rain Splashed Painted Life". Nur auf den ersten Blick sieht es aus wie eine malerische Tropenlandschaft. "Das ist eigentlich eine mit Wandfarbe abgesetzte Häuserwand, die nur im unteren Teil ursprünglich mal grün gemalt wurde. Aber dann – durch Starkregen – hat sich die rote Erde von Abidjan da abgesetzt und diesen Farbverlauf von der Natur gemalt", erklärt der Fotograf.

Gefährliche Migrationsdebatte

Beinahe zärtlich betrachtet Tillmans eine Rosenkohl-Staude oder ein vertrocknetes Blatt. Mit Neugier verfolgt er technologische Entwicklungen. Zeigt Bilder von Server-Parks im Silicon-Valley, seine jüngsten Aufnahmen. Das Große und das Kleine, nebeneinandergestellt ohne erkennbare Hierarchie. Vielleicht sind es die Menschen, für die er sich am meisten interessiert. Auf seinen Bildern strahlen sie Freiheit und Selbstbewusstsein aus. Sie feiern, suchen nach Nähe und Begegnungen.

Ausgrenzung ist Tillmans fremd, die Migrationsdebatte in Deutschland hält er für gefährlich: "Dieses abfällig reden über Migranten, das sät eine Unsicherheit unter immerhin dreißig Prozent der deutschen Bevölkerung, die Migrationshintergrund haben, und die alle zentralen Anteil am Erfolg der letzten Jahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland haben."

Privatmensch mit Haltung

Porträts machen einen großen Teil der Ausstellung aus. Ihnen ist eine ganze Wand gewidmet. Man spürt das Wohlwollen und die Wärme im Blick des Fotografen, der die Menschen so aufnimmt, wie sie sind. "Porträts bleiben für mich immer von zentralem Interesse. Und ich glaube, wenn ich das aufhören würde, dann hätte ich ein Problem", sagt Tillmans. Nach klaren Botschaften sucht man in den Fotos vergeblich. Doch persönlich hat Tillmans immer wieder Haltung gezeigt. Er, der eine Zeitlang in London lebte, hat sich laut gegen den Brexit ausgesprochen, gegen Grenzkontrollen. Demnächst stellt er im ukrainischen Charkiw aus. Nennt sich selbst einen leidenschaftlichen Europäer: "Es ist viel von Weckruf gesprochen worden in den letzten Wochen, und seit diesen Wochen hoffe ich, dass die Europäer merken, dass wir in Europa ganz anders verstehen müssen, zusammenzuhalten und über mikro-regionale Unterschiede wegsehen sollten, liegt für mich auf der Hand." Der Fotograf als Weltversteher: Wolfgang Tillmans' großartige Ausstellung im Albertinum öffnet auch unseren Blick.

Autorin: Hilka Sinning

Ausstellungstipp
"Wolfgang Tillmans. Weltraum"
Albertinum Dresden, bis 29. Juni 2025

Stand: 16.03.2025 17:18 Uhr

0 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.