Leonie Benesch im Interview
Leonie Benesch spielt Eva
Eva war ehemals verlobt mit Fidelis’ Freund Johannes, der im Krieg gefallen ist. Fidelis hält das Versprechen, das er dem Sterbenden gegeben hat, und heiratet die schwangere Eva nach seiner Rückkehr. Als er nach Amerika geht, bleibt Eva zunächst bei seiner Familie und folgt ihm später mit ihrem kleinen Sohn nach. Trotz der neuen Sprache lebt Eva sich schnell in Argus ein und wird zur respektierten Chefin der Metzgerei Waldvogel. Kurz nach der Geburt ihres zweiten Kindes erkrankt sie schwer – und nimmt ihrer Freundin Delphine das Versprechen ab, sich um Fidelis zu kümmern.
Interview mit Leonie Benesch
Historischer Film, Familienepos, Auswanderdrama: Was ist „Der Club der singenden Metzger“ für Sie? Und was hat Sie an dem Projekt überzeugt?
Themen wie Heimat, Auswanderung, der Traum von einem besseren Leben sind recht zeitlos und immer relevant, allerdings, wie wir alle wissen, vor allem heute wieder hochaktuell. Ich finde es gerade in Anbetracht der doch etwas absurden Debatten, die zurzeit häufig geführt werden, sehr wichtig, sich klarzumachen, dass vor nicht allzu langer Zeit sehr viele Deutsche bereit waren, alles aufs Spiel zu setzen, um ihren Familien und sich ein besseres Leben zu ermöglichen. „Der Club der singenden Metzger“ ist für mich eine Geschichte über Auswanderung, die Suche nach einer neuen Heimat und den amerikanischen Traum, aber auch eine Geschichte über eine starke Freundschaft zwischen zwei Frauen.
Sie sind schon mehrmals umgezogen und leben nun seit einer Weile in London. Was bedeutet Heimat für Sie? Und was ist „typisch deutsch“?
Ich habe tatsächlich keinen besonderen Bezug zu einem bestimmten Ort, den ich Heimat nennen würde. Ich bin in Hamburg geboren und habe dort meine vier ersten Lebensjahre verbracht – wenn ich heute dort zu Besuch bin, kommen mir Gerüche oder bestimmte Geräuschkulissen seltsam vertraut vor. Wenn ich in Tübingen bin, wo ich fünf Jahre verbracht habe, sind mir bestimmte Ecken natürlich sehr vertraut ... aber Heimat? Ich weiß nicht, ob ich so einen Ort tatsächlich habe. Ein Zuhause, ja. Mein Zuhause ist seit sechs Jahren London, das kann sich aber ändern. Zuhause ist immer dort, wo ich zu gegebener Zeit entschieden habe zu wohnen. Ohne in ein Klischee verfallen zu wollen, muss ich auch sagen, dass ich ein sehr großes Gefühl von Vertrautheit oder vielleicht Heimat empfinde, wenn ich von Menschen umgeben bin, die ich liebe. Typisch deutsch? Beinahe unhöfliche Direktheit, Handtücher auf Liegestühlen, gute Baumärkte, isolierte Fenster, ordentliche Mülltrennung.
Ihre Figur Eva vermisst es nach einer Weile in Amerika schmerzlich, deutsch zu sprechen. Wonach haben Sie Heimweh, wenn Sie länger im Ausland sind?
Ich habe eigentlich nie Heimweh. Schon als Kind hatte ich das nicht – ich habe nichts lieber gemacht, als woanders zu übernachten oder auf Reisen zu gehen, vor allem mit dem Kinderzirkus, bei dem ich damals war. Wir waren einmal im Jahr auf Tournee und es war das Größte. Was vermisse ich? Freunde ... Familie ... wenn ich in London bin, vermisse ich oftmals Berlin, wenn ich in Berlin bin, vermisse ich London. Ich versuche es normalerweise umgedreht anzuschauen: Wie herrlich, dass ich mich an beiden Orten zu Hause fühlen kann!
Was für ein Mensch ist Eva? Was hat Sie an dieser Figur interessiert – oder besonders herausgefordert?
Eva ist sehr selbstlos. Natürlich wird durch sie in diesem Projekt das damals noch vorherrschende Frauenbild erzählt: Sie ist aufopferungsbereit, stellt sich immer hintan und würde die Entscheidungen ihres Mannes nicht anfechten. Das ist heutzutage verpönt, war damals aber gang und gäbe. Und sosehr ich persönlich das niemals so wollte oder auch könnte, ist es doch eine bewundernswerte Qualität eines Menschen. Wir sind ja Teil einer Generation, die sich ständig als Individuum definieren soll. Überall soll man zeigen, was man denkt, inwieweit man heraussticht, was einen ausmacht. Das ist die Welt, in der ich lebe und auch leben möchte. Wäre ich allerdings vor 100 Jahren geboren, wer weiß, es wäre bestimmt hilfreich gewesen, einige der Züge von Eva zu haben. Vor allem Geduld und Fürsorge, Großzügigkeit und Bescheidenheit.
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