Mo., 20.05.19 | 20:15 Uhr
Das Erste
Kassensturz Europa – ungleich erfolgreich
Was die Wirtschaft über den Zusammenhalt Europas verrät
Die Lebenszufriedenheit der EU-Bürger ist so hoch wie lange nicht mehr. Dabei ist Europa ungleicher denn je und das ist das Gegenteil von dem, was ursprünglich mal die Idee war. Die Lebensbedingungen in allen Mitgliedsstaaten angleichen, dieses selbst gesteckte Ziel bleibt gut 25 Jahre nach Gründung unerreicht. Dabei gibt die EU Jahr für Jahr viele Milliarden Euro aus, um den Alltag der Menschen wirtschaftlich und sozial zu verbessern und das Wohlstandsgefälle unter den Mitgliedsländern zu verringern.
Ein Drittel des gesamten EU-Haushalts macht das inzwischen aus. Angesichts von mittlerweile 28 EU-Staaten, darunter Länder, die sich von der Finanzkrise noch nicht erholt haben oder für den Euro noch nicht reif sind, angesichts all dieser Unterschiede: Wäre es nicht besser, das alte Ziel Angleichung zu verwerfen? Mehr Unterschiedlichkeit zuzulassen? Vielleicht ist Ungleichheit die eigentliche Stärke Europas.
Sechs Tage vor den Europawahlen geht die Filmreise quer durch die EU, faktenbasiert und hautnah an den Menschen. Für "Kassensturz Europa – ungleich erfolgreich" waren die Autoren Michael Houben und Tom Kühne unterwegs in Italien, Spanien, Irland, Polen, Bulgarien und Deutschland - alles Länder, die für die große Unterschiedlichkeit in der Staatengemeinschaft stehen. Es geht um Wohlstand und Armut, um Aufsteiger und Absteiger, um Zufriedenheit und Frust und um Zukunftsperspektiven für die Menschen und für Europa. Mit im Gepäck all das, was man über Europa glaubt zu wissen: "Deutschland ist Zahlmeister in der EU", "Subventionen versickern", "Der Euro ist mehr Krisenherd als Wohlstandsgarant".
Euro als Sündenbock?
Mythen und Meinungen, mit denen die Autoren auch Experten konfrontieren. Für EZB-Chefvolkswirt Peter Praet wird der Euro zu Unrecht zum Sündenbock gemacht: "Der Euro kann keinen Wohlstand erzeugen in einem Land mit schlechter Bildung, zu viel Bürokratie, Hindernissen, wenn es keine Unternehmerkultur gibt. Ich glaube wirklich, der Euro wird oft als Ausrede benutzt, um die eigenen Schwächen zu verstecken." Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser hält den Euro dagegen für komplett überflüssig: "Ich glaube, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa so unterschiedlich sind, dass eine Einheitswährung keinen großen Sinn macht."
Wer hat recht? Die Dokumentation sortiert Fakten, Einschätzungen und Erfahrungen. Reportagen über den Alltag der Menschen ergänzen die Filmzutaten, um sich ein eigenes Bild machen zu können. Wo stehen wir Deutsche im Vergleich mit Löhnen, Kaufkraft und Vermögen? Warum kehrt die spanische Krankenschwester zurück in die Heimat, obwohl sie in Deutschland das Doppelte verdient? Warum hält Palermos Bürgermeister so große Stücke auf Europa? Warum ist der Facharbeiter in Bulgarien Aufsteiger, der italienische Facharbeiter dagegen Absteiger? Und nicht zuletzt: Was ist uns Europa wert? Spannende Fragen, denen der "Kassensturz Europa" sechs Tage vor den Europawahlen filmisch nachgeht.
Ein Film von Michael Houben und Tom Kühne
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