Sex mit Teens: Kaufen "Sugardaddys" Minderjährige?

Ein heißes Date im noblen Hotel, Luxusurlaub in der Karibik, teure Klamotten, edle Handtaschen: Sugardating-Plattformen versprechen einen glamourösen Lifestyle. Auf sogenannten Sugardates gehen zumeist junge Frauen mit älteren, wohlhabenden Männern aus - gegen Geschenke oder Geld. Und fast immer geht’s dabei um Sex. Über Plattformen wie "MySugardaddy" finden sogenannte "Sugardaddys" ihre "Sugarbabes" - für einen Abend, eine Nacht, oder eine teure Reise.    

Seit Corona boomen Sugardating-Plattformen. Mit "Upgrade your Lifestyle" wirbt die Plattform "MySugardaddy", sie will ein "Treffpunkt für erfolgreiche, ambitionierte und attraktive Menschen" sein. Doch unsere Recherchen zeigen: Es melden sich dort auch minderjährige Mädchen an, einige sind erst 14 Jahre alt oder sogar jünger. Und manche ältere Männer suchen offenbar gezielt nach Minderjährigen für Sextreffen. VOLLBILD-Journalistin Rabea Westarp taucht ein in die Welt des Sugardatings. Sie spricht mit jungen Frauen, die über die Plattform daten. Und sie meldet sich selbst auf "MySugardaddy" an. Undercover recherchiert sie als minderjähriges "Sugarbabe" und konfrontiert am Ende einen "Sugardaddy".

Text des Beitrags:

Sie hat Beziehungen zu älteren Männern. Beziehungen und Sex. Fiona, 18 Jahre alt. Dafür bekommt sie Geld oder Geschenke.

Fiona
Fiona | Bild: SWR

Fiona, Sugarbabe:
"Das ist immer mal schön, richtig gut essen zu gehen, was man irgendwie noch nie so richtig hatte. Oder du gehst mit dem feiern und du denkst dir so: Okay, eine Party, eine Nacht oder zwei Nächte, komplett for free. Ich muss gar nichts bezahlen. Das war schon ein Anreiz."

Das nennt sich "Sugardating". Zumeist jüngere Frauen treffen in der Regel ältere Männer. Bei den Treffen geht es fast immer um Sex. Das ist nur mit Erwachsenen erlaubt, denn Sex gegen Geld mit Minderjährigen ist strafbar.

Fiona, Sugarbabe:
"Es gibt ja auch so eine Seite, die heißt "MySugardaddy" oder so. Ich habe mich da halt mal angemeldet. Man kriegt so viele Nachrichten."

Fiona sagt, sie habe gute Erfahrungen gemacht. Aber trifft das auch auf andere zu? Ich möchte mit weiteren Frauen, sogenannten "Sugarbabes", in Kontakt kommen. Welche Erfahrungen haben sie gemacht?

Dazu schaue ich mir die Plattform "MySugardaddy" genauer an. Laut Angaben auf der Webseite ist sie "die Nummer eins Sugar-Dating-Community in Europa", hat vier Millionen Mitglieder und boomt besonders seit der Corona-Pandemie.

Schlechte Erfahrungen mit "MySugardaddy"

Ich komme über die Plattform mit Manila in Kontakt. Sie möchte anonym bleiben. Sie sei mit 18 Jahren zum Sugardating gekommen und berichtet mir von schlechten Erfahrungen:

Manila, Sugarbabe:
"Ich habe auch mal einen 34-jährigen getroffen. Sein Profil war eigentlich ganz nett."

Doch das Treffen sei anders verlaufen als geplant. Bei einem Spaziergang am See habe er sie plötzlich gegen ihren Willen in eine Waldhütte bringen wollen, sagt Manila.

Manila, Sugarbabe:
"Und dann hat er mich am Arm gepackt und meinte: 'Ja, du kommst jetzt aber mit.' Dass es ihm egal ist. Dann habe ich ihn weggestoßen, auf die Nase geboxt und bin weggerannt und habe den Typen nie wieder gesehen, ihn blockiert, bei der Seite gemeldet."

Doch schon kurz darauf sei der Mann wieder auf "MySugardaddy" aktiv gewesen - obwohl Manila möglicherweise nur knapp einer Vergewaltigung entkommen ist. Jeanett Bjønness ist Professorin an der Fakultät für Psychologie der Universität Aarhus in Dänemark. Sie hat Sugardating in einer Studie erforscht. Sugardaddies brächten junge Frauen häufiger in schwierige Situationen.

Bjønness: "Sie überschreiten ihre persönlichen Grenzen."

Prof. Jeanett Bjønness
Prof. Jeanett Bjønness | Bild: SWR

Prof. Jeanett Bjønness, Universität Aarhus:
"'
Wenn ich dir 4.000 dänische Kronen mehr gebe, kannst du dann nicht auch anderen Sex mit mir haben?' Also eine sexuelle Praktik, zu der das Sugarbabe anfangs Nein gesagt hat. Viele sagen dann: 'Ich wollte Nein sagen, aber ich hatte Angst davor, was passieren würde, wenn ich ihn ablehne.' Sie überschreiten also ihre persönlichen Grenzen, weil sie Angst haben - vor Gewalt zum Beispiel."

Außerdem kämen sogenannte "Sugarbabes" häufig aus schwierigen Familienverhältnissen. Ich will wissen, was ist auf der Plattform los und melde mich dort an. In den Nutzungsbedingungen steht: MySugardaddy ist erst ab 18 Jahren.

Rabea Westarp
Rabea Westarp | Bild: SWR

Rabea Westarp, Journalistin:
"Du musst dein Geburtsdatum angeben und ich kann auch nichts wählen, was früher ist als 2005, denn dann wäre ich ja noch nicht 18. 'Jetzt kostenlos registrieren.' Okay, also ich bin jetzt angemeldet. Es hat circa eine Minute gedauert. Ich musste mich gar nicht ausweisen."

Gibt es hier Männer, die nach Minderjährigen suchen? Ich mache den Selbstversuch.

Ich gebe mich als Emma aus, 18 Jahre alt, Abiturientin aus Berlin. In meinem Profil steht, dass ich Flirts und eine Beziehung suche.

Rabea Westarp, Journalistin:
"Das hier bin übrigens wirklich ich. Damals war ich noch 16."

Manche Sugardaddys suchen gezielt nach Teenagern

Innerhalb kürzester Zeit schreiben mir viele Männer.

Rabea Westarp, Journalistin:
"
Wie alt war dein früheres Sugarbabe?"

J., Sugardaddy:
"
17 damals, wo wir uns kennengelernt hatten. Ich liebe junge Pussy sehr."

Rabea Westarp, Journalistin:
"
Habt ihr euch auch hier kennengelernt?"

J., Sugardaddy:
"Ja."

Sollte das stimmen, dann könnte das eine Straftat sein: sexueller Missbrauch von Jugendlichen. Hierauf stehen bis zu fünf Jahre Gefängnis oder Geldstrafe.

Mich chattet noch ein Sugardaddy an, der offenbar besonders junge Sugarbabes sucht. Nennen wir ihn Markus.

Rabea Westarp, Journalistin:
"
Der ist 48, er sagt, er sei Unternehmensberater und öfter mal in Berlin. Ich habe ihn gefragt, was er sucht. Und er sagt: 'Ein sehr junges Teen als Mätresse für regelmäßige, heiße Stunden.'"

Ein junges Teen? Das wirkt auf mich, als würde er gezielt nach Minderjährigen suchen. Und nach Sex. In seiner Profilbeschreibung schreibt er: "Es soll, um es ehrlich auszusprechen, bei jedem Treffen darauf hinauslaufen." Gegen Bezahlung - mit Minderjährigen illegal. Ich frage ihn, was er mit "Teen" meint und wie viel er zahlt.

Rabea Westarp, Journalistin:
"
Und er sagt: Teen ist ja von 13 bis 19. 1.000 Euro im Monat wären es bislang gewesen in früheren Sugardaddy-Beziehungen."

War sein jüngstes Sugarbabe 14?

Wir sind auf "Telegram" gewechselt. Ich schreibe ihm, ich sei erst 17 Jahre alt. Er schreibt mir, er habe schon mehr als zehn Minderjährige getroffen.

Emma (Rabea Westarp, Journalistin):
"
Und wie alt war deine Jüngste bisher, mit der du was hattest?"

Markus, Sugardaddy:
"14. Das hat sie mir aber erst später gestanden, als es schon länger lief."

Emma (Rabea Westarp, Journalistin):
"
Wieso stehst du denn auf Teens und junge Mädchen?"

Markus, Sugardaddy:
"
Das hält mich selbst etwas jünger. Und dann ist natürlich der Body eines Teens etwas anderes als der einer 30-jährigen. Und der Gedanke, ein Mädel im Bett zu haben, dessen Vater ich sein könnte, macht mich auch heiß."

Der Fall Daniel B.: Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen?

Suchen auf "MySugardaddy" Männer auch gezielt nach Minderjährigen, um sie zu missbrauchen? Ein solcher Fall wurde im Frühjahr am Landgericht in München verhandelt. Der Angeklagte Daniel B. soll auf Onlineplattformen wie "MySugardaddy" mit Mädchen im Alter von 13 bis 16 Jahren geschrieben und teilweise sexuelle Handlungen an und vor ihnen vorgenommen haben. Er wurde zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Elisa Panuccio war Hauptermittlerin in diesem Verfahren. Sie kritisiert die fehlenden Sicherheitsvorkehrungen auf der Plattform:

Elisa Panuccio
Elisa Panuccio | Bild: SWR

Elisa Panuccio, Polizei München:
"Es gibt keine Sicherheit vor sexuellem Missbrauch. Es gibt keine Altersprüfung, es gibt keinerlei Verifizierung. Jeder kann sich da anmelden und das innerhalb von wenigen Minuten."

Zurück zu Markus. Er schickt mir Bilder von sich. Eine Bilder-Rückwärtssuche ergibt: Der Mann ist ein ehemaliger Bundestagsabgeordneter. Im Chat hat er mich auch nach meinen sexuellen Vorlieben gefragt und ob ich die Pille nehme. Er möchte mich unbedingt treffen. Er hat uns in Berlin ein Hotelzimmer gebucht.

Konfrontation von Sugardaddy "Markus"

Rabea Westarp, Journalistin:
"Hallo. Ich muss mich mal direkt zu erkennen geben. Mein Name ist gar nicht Emma. Ich bin Journalistin und recherchiere gerade für den SWR zu Sugardating. Hätten Sie Lust, mit mir darüber zu sprechen, wieso Sie auf der Plattform unterwegs sind und jüngere Frauen treffen wollen?"

Markus, Sugardaddy:
"Also zum einen begleitet man natürlich Menschen eine gewisse Zeit, das gibt ja auch Impulse in alle möglichen Richtungen. Man kann auch durchaus eine besondere Form von Mentorenschaft entwickeln."

Rabea Westarp, Journalistin:
"
Und der rechtliche Aspekt? Wenn ich jetzt wirklich 17 gewesen wäre und mich jemand für sexuelle Dienstleistungen bezahlt, macht sich diese Person ja unweigerlich strafbar - selbst wenn ich das vermeintlich freiwillig entscheide. Wie stehen Sie dazu?"

Markus, Sugardaddy:
"
Also wenn es einen Zusammenhang gibt zwischen Bezahlung und - Sex..."

Rabea Westarp, Journalistin:
"
Und Sex, ja."

Markus, Sugardaddy:
"Da könnte man sich jetzt drüber streiten, ob es wirklich diesen Zusammenhang gibt."

Rabea Westarp, Journalistin:
"Aber wenn Sex stattfindet, dann wäre es ja per Definition so."

Markus, Sugardaddy:
"Aber auch da wieder: Diejenigen, die sich da anmelden, die wissen ja, was sie tun. Da stelle ich mir die Frage: Wo ist der Unterschied zwischen jemandem, der 17 Jahre und elf Monate alt ist und 18 Jahre und einen Tag?"

Rabea Westarp, Journalistin:
"Ja, nur das Gesetz."

Markus, Sugardaddy:
"Genau, das ist halt so eine Stichtagsregelung. Aber da ja die Dinge tatsächlich einvernehmlich verlaufen, ist es nicht so offensichtlich, wo es strafbar wird, weil niemand Interesse daran hat."

Rabea Westarp, Journalistin:
"Aber, wenn es jetzt rauskommen würde, macht Ihnen das gar keine Angst? Ich meine, Sie haben Familie und einen wichtigen Beruf."

Markus, Sugardaddy:
"Was heißt Angst?"

Rabea Westarp, Journalistin:
"
Das ist ein Risiko, was Sie hier eingehen."

Markus, Sugardaddy:
"Das ist aber für beide Seiten ein Risiko. Es ist aber auch nicht so schön für den Ruf. Insofern hat niemand ein Interesse daran."

Keine Spur von Reue. Die minderjährigen Mädchen wüssten also, worauf sie sich einlassen?

Julia von Weiler sieht das anders. Sie ist im Vorstand von "Innocence in Danger", einem Verein, der sich mit dem Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche beschäftigt.

Von Weiler: Sugarbabes teilweise in Zwangssituationen

Julia von Weiler
Julia von Weiler | Bild: SWR

Julia von Weiler, Innocence in Danger:
"Wenn die Person das aus einer Geldnot heraus macht oder aus einer wirklichen Zwangssituation heraus, dann ist es nicht eine freiwillige Entscheidung im Sinne von: 'Ich bin frei, ich kann mich für A, B, C oder D entscheiden und entscheide mich jetzt eben für D', sondern 'A, B und C stehen mir überhaupt nicht zur Verfügung. Ich kann mich überhaupt nur noch für D entscheiden'.“

Wir haben die Plattform "MySugardaddy" mit den Vorwürfen konfrontiert. Trotz mehrmaliger Nachfragen haben wir keine Antwort erhalten.

Was sagen die Behörden? Das Bundeskriminalamt schreibt:

Bundeskriminalamt:
"Die Seite MySugardaddy.eu ist im Zusammenhang mit Menschenhandel und Zwangsprostitution in den Bundesländern bekannt (…)."

Weiter schreiben sie uns: "Sugar-Dates-Seiten" seien im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen im Rahmen des internationalen Schriftverkehrs in Erscheinung getreten.

Sugardaddys wie Markus setzen bei ihren Treffen mit Minderjährigen offenbar auch darauf, dass die Mädchen dichthalten - aus Angst vor sozialer Ächtung. Und die Plattform "MySugardaddy"? Macht offenbar viel zu wenig, um Minderjährige von der Plattform fernzuhalten und Männer, die Sex mit Minderjährigen suchen, zu verbannen.

Stand: 12.07.2023 16:20 Uhr