Kampf um Rohstoffe: Deutsche Doppelmoral in Aserbaidschan
E-Autos, Handy, oder E-Bikes - ohne Batterien geht in Zukunft nichts mehr. Und der Markt für diese Batterien boomt. Dafür braucht es Unmengen sogenannter kritischer Rohstoffe, wie zum Beispiel Lithium. Doch die sind knapp. Das hat Aserbaidschan erkannt und die Region Karabach erobert - auch, um an die kritischen Rohstoffe zu kommen?
Denn diese schlummern dort unerschlossen im Boden. Das macht das Land und seinen Präsidenten Ilham Aliyev zu einem begehrten Handelspartner. Allerdings ist Präsident Aliyev bekannt für Korruption und Unterdrückung. Das Land belegt Platz 151 bei der Pressefreiheit. Alles in allem eigentlich kein guter Partner. Und trotzdem empfangen ihn zum Beispiel EU-Politiker mit offenen Armen.
Text des Beitrags:
Baku, Juli 2022. Ilham Aliyev, Aserbaidschans Präsident unterzeichnet einen Rohstoff-Deal mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das Land am kaspischen Meer soll auch an Deutschland Rohstoffe liefern, die seit Russlands Angriff auf die Ukraine knapp werden. Rohstoffe machen den aserbaidschanischen Staatspräsidenten auch in Berlin zu einem willkommenen Gast und Energiepartner.
Aliyevs Regime kam mit Öl und Gas zu Reichtum und internationalem Ansehen. Gleichzeitig unterdrückt es systematisch Oppositionelle und Medien in Aserbaidschan. Über Jahrzehnte hat Aserbaidschan mit seinen Bodenschätzen Machtpolitik betrieben. Doch wie will das Regime seine Macht erhalten, in einer Zeit nach Öl und Gas?
Ein wichtiger Schritt dahin: Dubai 2023. Die Weltklimakonferenz. Hier soll der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen beschlossen werden - auch um den „Green Deal“, Europas Energiewende, voranzubringen. Dafür braucht die EU andere, sogenannte „kritische Rohstoffe“, die weltweit benötigt werden. Was aber, wenn diese Ressourcen aus autoritären Staaten kommen?
Jennifer Morgan, Staatsekretärin im Auswärtigen Amt:
„Das ist die Position von der Bundesregierung, dass wir Kriterien haben für Umweltschutz, für Sozialschutz, für Menschenrechte usw. Das ist sehr wichtig. Wir wollen nicht den Fehler von der Vergangenheit machen, wo es viele Öl, Gas, andere Förderungen gab und die Communities da vor Ort haben davon nicht profitiert. Sie haben gelitten.“
Im September 2023 überfallen die Truppen Aserbaidschans die Grenzregion zu Armenien. Binnen weniger Tage ist Bergkarabach erobert. Aserbaidschan feiert seinen Sieg, während mehr als 100.000 Armenierinnen und Armenier aus dem Gebiet fliehen. Auf Anfrage von REPORT MAINZ erklärt die Botschaft von Aserbaidschan: Niemand musste das Land verlassen. Aserbaidschan habe die Bevölkerung befreit. Ging es in Wirklichkeit auch um Rohstoffe für die EU? Das fragen sich Menschenrechtsaktivisten auf der Weltklimakonferenz.
Christoph Bals, Menschenrechtsorganisation „Germanwatch“ e.V.:
„Also das ist für mich eine hochproblematische Verbindung, wenn die EU auf der einen Seite Rohstoffverträge mit Aserbaidschan schließt und auf der anderen Seite für diese Rohstoffe Kriege geführt werden, um sich Land zu erobern, wo man das mit nutzen kann. Wenn das hart nachgewiesen werden kann, dass dem so ist, finde ich das einen absoluten Skandal.“
Ilham Alijev küsst im eroberten Bergkarabach die Flagge Aserbaidschans. Er weiß: Hier liegen die Bodenschätze für seinen Machterhalt. Das zeigt dieser Regierungsbericht Aserbaidschans über „Wirtschaftliche Mineralien“ in Bergkarabach: 350 Lagerstätten mit kritischen Rohstoffen wurden dort gefunden, zum Beispiel Kupfer und Kobalt. Gerade mal einen Monat nach der Eroberung von Karabach, lädt Mukhtar Babayev, Minister für Umwelt und Rohstoffe des Landes, zur „GeoMining Baku“ - der ersten Bergbau-Messe in Aserbaidschan.
Mukhtar Babayev, Minister für Umwelt und Rohstoffe, Aserbaidschan:
„Die neuen Gebiete verfügen über reiche natürliche Bodenschätze, die eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau spielen werden. Vielen Dank und viel Erfolg!“
Auch Vertreter der deutschen Wirtschaft folgen der Einladung. Yashar Musayev ist Top-Manager von Siemens Energy. Sein Unternehmen ist hier schon lange gut im Geschäft.
Yashar Musayev, Siemens Energy Global:
„Aserbaidschan könnte ein sehr guter Partner für uns sein, in dem Sinne, dass wir hier auch Kupfer-Ressourcen hier, Gold-Ressourcen hier, Aluminium-Ressourcen und auch weitere Ressourcen könnten wir auch sehr gute Kooperation, für beide Seiten sogenannte Win-Win-Situation ermöglichen.“
Und darum geht es: Hier im Grenzgebiet zu Bergkarabach sollen die Mineralien für Zukunftstechnologien gewonnen werden - kritische Rohstoffe auch für den „Green Deal“ Europas. Sie sollen sicherstellen, dass Aserbaidschan auch in einer Zeit nach Öl und Gas seine Machtpolitik weiter betreiben kann.
Auf der Bergbaumesse geht es auch um die Schürfrechte in den neu eroberten Gebieten. Daran haben deutsche Firmen großes Interesse. Und die vertritt Tobias Baumann.
Tobias Baumann, Auslandshandelskammer Aserbaidschan:
„Wir finden hier das, was wir eben für die Zukunft brauchen. Und für die Zukunft brauchen wir eben Metalle für die erneuerbaren Energien, im Automobilsektor für die Elektromobilität. Und viele der Vorkommen liegen in den zuvor besetzten Gebieten, die jetzt erschlossen werden und die jetzt nach und nach auch in die aserbaidschanische Wirtschaft integriert werden. Und ich würde mich freuen, wenn das sowohl bei der deutschen Wirtschaft wie auch bei der deutschen Politik mehr in den Gesichtskreis rücken würde.“
Und welche Rolle spielen dabei die Menschenrechte in Aserbaidschan? Tobias Baumann lebt vor Ort. Seine Antwort auf die Frage nach den Menschenrechten - erstaunlich:
Tobias Baumann, Auslandshandelskammer Aserbaidschan:
„Thema Menschenrechte ist nicht so ganz einfach hier. Ich kenne mich nicht gut aus, muss ich jetzt gestehen. Ich habe mich da nicht wirklich drum gekümmert. Der Aliyev, der geht nicht rum und vergiftet irgendwelche Oppositionellen in England oder Deutschland oder lässt die erschießen oder auf offener Straße abmurksen. Das passiert hier nicht, ne.“
Dabei werden Oppositionelle in Aserbaidschan auf offener Straße verhaftet und abgeführt. Freie Berichterstattung ist in diesem Land unmöglich. Meinungsfreiheit gibt es nicht. Jede Kritik am Regime wird unterdrückt.
Christoph Bals von der Nichtregierungsorganisation Germanwatch warnt Deutschland davor, einfach unkritisch Geschäfte mit Aserbaidschan zu machen.
Christoph Bals, Menschenrechtsorganisation „Germanwatch“ e.V.:
„Die Menschenrechtslage ist in den letzten Jahrzehnten immer sehr problematisch. Das ist ein autoritär regiertes Land. Das hat mit Demokratie nun wirklich nichts am Hut. Und auch die Menschenrechtsorganisationen, die sich das vor Ort anschauen wollten, durften oft überhaupt gar nicht anreisen und sich das anschauen. Das zeigt schon, wie problematisch die Situation ist.“
Zum Vorwurf von Kritikern, Deutschland drücke bei den Menschenrechten ein Auge zu, wenn es um kritische Rohstoffe aus Aserbaidschan geht, gibt das Auswärtige Amt REPORT MAINZ gegenüber keine Stellungnahme ab.
Zurückhaltung zugunsten von Aserbaidschan? Einer, der seine eigenen Erfahrungen mit Aserbaidschan gemacht hat, ist der Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe. Er leitet die deutsche Delegation im Europarat. Schwabe hat mit aufgedeckt, wie Aserbaidschan europäische Politiker kauft.
Frank Schwabe, SPD, Bundestagsabgeordneter:
„Wir wissen heute, dass deutsche Abgeordnete von diesem System Aserbaidschans profitiert haben und führend, an führender Position, dieses Reinwaschen Aserbaidschans ganz aktiv betrieben haben.“
Aufgedeckt auch durch die Recherchen von REPORT MAINZ. Als die Bestechungsvorwürfe 2020 immer konkreter werden, leitet die Generalstaatsanwaltschaft München Ermittlungen gegen Bundestagsabgeordnete ein: Axel Fischer, Eduard Lintner und Karin Strenz.
Frank Schwabe, SPD, Bundestagsabgeordneter:
„Das konnte ich mir nicht vorstellen. Und ich finde, das ist das Schlimmste, was im Deutschen Bundestag seit 1949 eigentlich passiert ist.“
Karin Strenz stirbt völlig überraschend 2021. Gegen sie stellt die Staatsanwaltschaft deshalb die Ermittlungen ein. Gegen Lintner und Fischer erhebt sie Anklage. Die beiden Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück. Fischer spricht heute auf ARD-Anfrage von „Scheinindizien“ und nennt die Anklage „politisch motiviert“.
Letztlich ging es auch um Aserbaidschans Rohstoffe in der Korruptionsaffäre. Sie zeigt, zu welchen Mitteln Aserbaidschan greift, um Geschäfte zu machen und sein Image aufzupolieren. Umso wichtiger, dass die Bundesregierung zu ihren Positionen bei Menschenrechten und Umweltschutz steht.
Stand: 06.03.2024 14:39 Uhr