Gefahr durch Drohnen – Zu wenig Schutz an Flughäfen?
Die Deutsche Flugsicherung (DFS) hat die Arbeiten zur „systematischen Detektion“ von Drohnen in Flugplatznähe gestoppt. Das geht aus dem Geschäftsbericht von 2023 hervor. Die Finanzierung durch die Bundesregierung sei noch nicht geklärt.
Der CDU-Verkehrspolitiker und Beirat der Deutschen Flugsicherung, Björn Simon, kritisiert im Interview mit REPORT MAINZ die Bundesregierung: „Solange die Politik nicht reagiert, ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert und auch erst passieren muss, natürlich groß, bevor dann der Druck groß genug ist, damit die Politik entsprechend Gegenmaßnahmen setzt.“ Die Bundesregierung sagt auf REPORT MAINZ-Anfrage, dass bei einer Drohnen-Sichtung durch eingerichtete Verfahren „die sichere Abwicklung des Flugverkehrs gewährleistet“ werden könne. Man habe außerdem im August 2022 eine gemeinsame Arbeitsgruppe gegründet, „mit dem Ziel der Entwicklung eines Gesamtkonzeptes unter Einbindung aller betroffenen Akteure“. Dennoch kam es laut DFS in den ersten acht Monaten 2024 zu 81 Behinderungen im Großraum von Flughäfen. Sieben Mal musste der Flugverkehr zeitweise eingestellt werden.
Text des Beitrags:
Februar 2016: Ein Co-Pilot entdeckt beim Anflug auf den Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle eine Drohne auf der linken Seite. Gefährlich nah am Flugzeug. Er schaltet den Auto-Piloten aus und macht ein Ausweichmanöver, um einen Zusammenprall zu vermeiden. Die Drohne fliegt etwa fünf Meter unter der linken Tragfläche vorbei. Passagiere und Crew sind nur knapp einer Katastrophe entkommen.
September 2024. Am Stockholmer Flughafen Arlanda werden vier Drohnen gesichtet. Ein Fluglotse schlägt Alarm.
„Drohnen in der Nähe. Derzeit keine sichere Landung möglich.“
Mehr als zwei Stunden wird der Flugverkehr eingestellt. Ähnliche Vorfälle mit Drohnen gab es auch in Frankfurt. Davon berichten Planespotter, die als Hobby am Flughafen fotografieren und Flugzeuge beobachten.
Kirsten Schütz, Planespotterin:
„Das habe ich erlebt, nicht nur einmal. Das ist immer so gewesen, dass es sehr plötzlich passiert ist, dass man also auf einmal gesehen hat, die Flugzeuge, die gehen alle in ein Holding. Es gibt keine Landungen mehr. Und hat dann aus Sicherheitsgründen eben allen Flugverkehr gestoppt.“
Drohne legt Frankfurter Flughafen lahm
Die Folge für Reisende: Flugausfälle, Verspätungen und lange Warteschlangen im Terminal. Insgesamt zählte die Deutsche Flugsicherung in den ersten acht Monaten dieses Jahres 81 Behinderungen im Großraum von Flughäfen durch Drohnen. Sieben Mal musste laut Bundespolizei der Flugverkehr eingestellt werden.
Denn Drohnen sind gefährlich. Das hat die University of Dayton festgestellt. Bei einer simulierten Kollision durchschlägt diese Drohne mühelos die Tragfläche eines Flugzeugs. Deshalb überlegen Politik, Flugsicherung und Sicherheitsbehörden seit Jahren, wie man Unfälle mit Drohnen an Flughäfen verhindern kann.
Zunächst müssen sie geortet - im Fachjargon: detektiert werden. Das ist kompliziert, denn oftmals sind Drohnen klein und wendig und dürfen nicht mit anderen beweglichen Objekten, wie zum Beispiel Vögeln, verwechselt werden.
Aufwändige Tests durch DFS
2020 hat ein Team der Deutschen Flugsicherung, DFS, aufwändige Versuche am Frankfurter Flughafen durchgeführt. Vier Monate lang testen Angela Kies und ihr Team verschiedene auf dem Markt befindliche Drohnen-Detektionssysteme.
Angela Kies, 11.11.2020, Deutsche Flugsicherung:
„Vier Drohnen entlang der kompletten Bahn gleichzeitig hoch an vier verschiedenen Standorten. Und das System steht ja hinter der Startbahn West und guckt in diese Richtung. Und dann sehen wir mal, ob die hintereinander weg die Drohnen sieht.“
Können alle vier Drohnen vom Detektionssystem erkannt werden?
Angela Kies, 11.11.2020, Deutsche Flugsicherung:
„Also die Drohne wird beispielsweise jetzt noch nicht gesehen vom Detektionssystem.“
Das Ergebnis des viermonatigen Testprojekts der Deutschen Flugsicherung:
„Detektionssysteme, die bereits an verschiedenen Flughäfen im Einsatz sind und die überwiegend aus dem militärischen Einsatzbereich stammen, haben sich in diesen Tests als wenig effektiv und nicht sehr zuverlässig erwiesen.“
Das war 2020. Wie ist die Situation heute? Das wollen wir von Björn Simon wissen. Der CDU-Abgeordnete sitzt im Beirat der Deutschen Flugsicherung und im Verkehrsausschuss des Bundestags. Seine Einschätzung:
Björn Simon, CDU, Beirat Deutsche Flugsicherung:
„Seitdem hat sich in der Tat nichts getan. Es gibt keine Verbesserung in der Detektion, es gibt keine Lösungsvorschläge, wie man nach Detektion mit der Deaktivierung, sag ich mal, von solchen Drohnen umgehen möchte. Also ein Leerfeld an dieser Stelle.“
Warum ist das so? Die Antwort finden wir im letzten Geschäftsbericht der Deutschen Flugsicherung, veröffentlicht vor wenigen Monaten.
„Die Arbeiten der DFS (…) zur systematischen Detektion von unbemannten Fluggeräten in Flugplatznähe wurden aufgrund der noch ausstehenden Klärung der Finanzierung des Vorhabens angehalten. Eine (…) Arbeitsgruppe des (Bundesverkehrsministeriums) BMDV und des (Bundesinnenministeriums) BMI arbeitet weiterhin daran zu klären, durch wen die Kosten für ein abgestimmtes Gesamtsystem, (…) zu tragen sind.“
Zur Kostenfrage äußern sich weder Innenministerin Nancy Faeser, noch Verkehrsminister Volker Wissing. Beide beteuern, dass bei einer Drohnen-Sichtung „die sichere Abwicklung des Flugverkehrs gewährleistet werden“ könne.
Björn Simon, CDU, Beirat Deutsche Flugsicherung:
„Das hoffen wir natürlich nicht, dass es erst zu Abstürzen oder sonstigen Katastrophen kommen muss, bevor die Politik reagiert. Aber solange die Politik nicht reagiert, ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert und auch erst passieren muss, natürlich groß, bevor dann der Druck genug, groß genug ist, damit die Politik entsprechend Gegenmaßnahmen setzt.“
Drohnen-Detektion ist das eine. Aber nachdem eine illegale Drohne erkannt wurde, muss sie auch unschädlich gemacht werden. Hierzu gab es viele Experimente. Greifvögel, wie hier in Frankreich, wurden zu Drohnenjägern abgerichtet. Für Flughäfen ist diese Lösung aber nicht geeignet.
Wie also sind Verkehrsflughäfen in Deutschland geschützt? Dazu sagt die Bundesregierung:
„Aktuell verfügt die Bundespolizei über technische Mittel, um Drohnen zu detektieren und abzuwehren.“
Aber reichen diese technischen Mittel aus?
Am 1. Juli meldeten Piloten beim Landeanflug auf Frankfurt dem Tower eine orangefarbene Drohne. Am selben Tag gab es eine weitere Meldung über eine gelbe Drohne - entdeckt von der Cockpitcrew eines anderen Fliegers. Beide Drohnen wurden von der Bundespolizei nicht detektiert und auch nicht abgefangen. Braucht es andere hochmoderne technische Lösungen zur Drohnenabwehr?
Drohnenabfangsystem „Falke“
Ralf Heynicke von der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr hat zusammen mit vielen Partnern das Drohnenabfangsystem „Falke“ entwickelt. Ein Gesamtkonzept zur Abwehr illegal operierender Drohnen. Gefördert vom Bundesverkehrsministerium mit 1,8 Millionen Euro.
Ralf Heynicke, Projektleiter Drohnenentwicklung, Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr:
„Das ist die Abfangdrohne aus dem Projekt Falke. Sie hat ein Abfluggewicht von unter 25 Kilo. Maximale Flugdauer, dann 30 Minuten. Wir haben als Sensorik ein Radar. (…) Zusätzlich haben wir hier unsere Netzwerfer.“
Hört sich gut an: Aber funktioniert das Einfangen von illegalen Drohnen mit Netzen an Flughäfen tatsächlich? Ralf Heynicke zeigt uns, wie die Abfangdrohne arbeitet. Sie kann einer anderen Drohne sogar eigenständig hinterherjagen.
Ralf Heynicke, Projektleiter Drohnenentwicklung, Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr:
„Wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind. Jetzt war es kurz rot, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass er trifft - jetzt aus einer anderen Perspektive. Er trifft und die Drohne bleibt unter der Abfangdrohne hängen.“
Das Projekt Falke wurde abgeschlossen im Januar 2023. Viele Drohnen könnten mittlerweile abgefangen werden. Bilder belegen die Erfolge. Aber wie geht es weiter?
Ralf Heynicke, Projektleiter Drohnenentwicklung, Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr:
„Es wurde in die Forschung investiert. Die Forschung hat geliefert. Wir haben einen Prototyp, eine Abfangdrohne entwickelt. Wir sind sogar einen Schritt weitergegangen. Aus dem Projekt heraus wurde ein Startup gegründet, was diese Drohne jetzt zur Marktreife weiterentwickelt hat.“
Nachfrage:
Muss man das jetzt nicht auch versuchen, tatsächlich in Flughäfen zu installieren?
Ralf Heynicke, Projektleiter Drohnenentwicklung, Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr:
„Ja, ich denke, es wäre wünschenswert, wenn der Bedarf besteht, dass man dann solche Systeme auch installiert.“
Die Bundesregierung will sich zu „Falke“ nicht konkret äußern, sagt aber:
„Die technische Weiterentwicklung von Drohnen erfordert jedenfalls eine kontinuierliche Anpassung der Detektions- und Abwehrtechnik.“
Björn Simon, CDU Beirat Deutsche Flugsicherung:
„Ich verstehe das Zögern der Bundesregierung nicht, jetzt bei dem System Falke, das zur Marktreife übergegangen ist, jetzt entsprechend das an deutschen Verkehrsflughäfen zumindest teilweise zu testen, um zu schauen, ob man das nicht im gesamten Bundesbereich dann entsprechend dann in Einsatz bringen kann. Rein aus sicherheitspolitischen Aspekten wäre das notwendig.“
Wie dringend solche Drohnen-Abwehrsysteme benötigt werden, zeigt ein Beispiel vom Mai 2024: Beim Landeanflug auf den Flughafen Manching kommt es zu einer Kollision eines Eurofighters mit einer Drohne. Der Kampfjet konnte dennoch sicher landen. Zum Schaden erhalten wir keine Auskunft.
Fazit: Die Detektion von Drohnen und die Flugabwehr an deutschen Flughäfen sind optimierungsbedürftig. Gleichzeitig nimmt die Gefahr durch illegale Drohnen zu. Spionage und auch Terror drohen, wie in diesem Propagandavideo. Kämpfer des islamischen Staates zeigen, wie sie eine Granate mit einer Amateurdrohne abwerfen können.
Björn Simon, CDU, Beirat Deutsche Flugsicherung:
„Deutsche Flughäfen sind aktuell leider da nicht gegen gewappnet und stehen da voll im Risiko. Wenn wir das Sehen, (…) jetzt auch im Nahen Osten, dass dort Drohnen eingesetzt werden, kleine Drohnen, (…) die entsprechend dann Sprengstoff transportieren und dann auch ans Ziel gelenkt werden. (…) Die Möglichkeit bestünde, dass so was passieren könnte, weil diese Drohne deutlich schneller auf Flughafengelände oder in einem Flugzeug oder militärischem Gebiet landen würde, als uns lieb wäre.“
Stand: 06.11.2024 17:25 Uhr