Drohnenkrieg - Die Mängel der Bundeswehr

Die Bundeswehr räumt gegenüber dem ARD- Politikmagazin REPORT MAINZ Schwierigkeiten bei der Abwehr möglicher Spionagedrohnen ein.

Text des Beitrag:

Aufnahmen des ukrainischen Grenzschutzes: Eine Drohne mit einer Sprengladung verfolgt ein russisches Militär-Fahrzeug, der Soldat steuert die Drohne per Virtueller Realität. Sekunden später: der Einschlag.

An anderer Stelle attackieren russische Drohnen fast täglich ukrainische Städte, sorgen für Tote und Verletzte. Die Luftabwehr im Dauereinsatz, nicht immer können alle Drohnen abgewehrt werden. Krieg im 21. Jahrhundert, per Drohne und Künstlicher Intelligenz: Wie gut ist Deutschland darauf vorbereitet?

Im schleswig-holsteinischen Schwesing treffen wir Torben Clausen. Wir begleiten ihn zum nahegelegenen Luftwaffenstützpunkt der Bundeswehr. Anfang des Jahres hat er dort innerhalb weniger Tage zwei Drohnen gesichtet.

Torben Clausen:
„Drüben auf der anderen Seite des Militärgeländes, hinter der Startbahn, dort haben die Drohnen gestanden -

Reporter:
"Und wie lange haben die gestanden?"

Torben Clausen:
"Eine Viertelstunde das eine Mal und 20 Minuten bestimmt das zweite Mal."

Reporter:
"Also sie haben zwei Drohnen gesehen und die waren Ewigkeiten drüber an einer Stelle?"

Torben Clausen:
Und haben gefilmt oder geguckt.“

Torben Clausen ist selbst professioneller Drohnenpilot, angestellt bei einer Firma, an der unter anderem die Deutsche Flugsicherung beteiligt ist. Er zeigt uns, was technologisch mit den Geräten alles möglich ist.

Torben Claus mit Reporter Gottlob Schober
Torben Claus mit Reporter Gottlob Schober  | Bild: SWR

Torben Clausen:
„Wie wir jetzt auch sehen, sind auch wir deutlich zu erkennen, trotz der Lichtqualität. - Es ist dunkel hier. - Es wird langsam wirklich richtig dunkel. - Und die Drohne ist jetzt so 60, 70 Meter über uns. - Ja. - So wie sie damals auch war, wie sie sie gesehen haben? - Schätzungsweise, vielleicht auch ein bisschen höher. Auch selbst wenn ich jetzt aber höher gehe, die Höhe spielt keine Rolle in der Bildqualität. - Und da sieht man uns eindeutig ganz klar, kann zu erkennen. - Ja, ohne weiteres.“
 

Sorge vor Spionage-Drohnen an Bundeswehr-Standort


Wie beunruhigend ist das? Das wollen wir von Frank Martin wissen, dem Sprecher der Bundeswehr in Schleswig-Holstein. Von ihm erfahren wir: Gegen mögliche Spionage durch Drohnen hat die Truppe Schutzmaßnahmen ergriffen. In Schwesing werden auch ukrainische Soldaten ausgebildet, der Standort gilt deshalb als besonders sicherheitsrelevant. 

Frank Martin, Sprecher Bundeswehr Schleswig-Holstein
Frank Martin, Sprecher Bundeswehr Schleswig-Holstein | Bild: SWR

Frank Martin, Sprecher Bundeswehr Schleswig-Holstein:
„Eine Schutzmaßnahme ist tatsächlich dann auch, sich voll zu vermummen. Wir haben dann im Rahmen der Ausbildung entsprechende... Ja, man würde sagen, so kleine Scarves, also Schals, die kann man hochziehen über die Ohren. Weil es mittlerweile auch eine KI gibt, die aufgrund der Gesichtserkennung oder der Parameter eines Gesichts und speziell das Ohr ist wie ein Fingerprint, Rückschlüsse darauf ziehen kann, wer könnte diese Person sein. Also man kann die durch Netzwerke laufen lassen. Vielleicht ist diese Person auch irgendwo schon registriert gewesen.“

Spionage-Drohnen könnten so eine Gefahr für ukrainische Soldaten sein.


Die Truppe verfügt über verschiedene Abwehr-Systeme. Frank Martin zeigt uns eines davon, den schultergestützten Störsender HP-47. Dieser beeinflusst die Verbindung der Drohne zum Piloten. Klingt einfach, doch in der Praxis kann das dauern.

Frank Martin, Sprecher Bundeswehr Schleswig-Holstein:
„Ich bekomme mitgeteilt, da ist irgendwo eine Drohne gesichtet worden. Jetzt muss ich dieses Gerät nehmen, idealerweise ist es vielleicht schon verladen in einem Fahrzeug. Aber ich muss mich ins Fahrzeug reinsetzen, ich muss dorthin fahren. Auf so einem Truppenübungsplatz fährt man ganz schnell mal zwei bis drei Kilometer. Das ist keine Seltenheit. Dann muss ich dort wieder aussteigen, muss das Gerät in die Hand nehmen, ich muss mir selber ein Lagebild verschaffen, was passiert hier gerade, weil ich ja den Störsender einsetze. - Und dann ist die Drohne weg? - Und dann ist die Drohne schon weg.“

Bundeswehr mit Mängeln bei Drohnen-Abwehr


Ist die Bundeswehr bei Drohnen nur bedingt abwehrfähig? Wie groß das Problem ist, zeigt ein vertrauliches Schreiben des Verteidigungsministeriums aus dem vergangenen Jahr, das REPORT MAINZ vorliegt. Gekennzeichnet als Verschlusssache “VS - Nur für den Dienstgebrauch”. Demnach wurden zwischen September 2021 und Ende 2023 insgesamt 627 Drohnen im unmittelbaren Umfeld von Bundeswehr-Liegenschaften gesichtet. Aber: Nur eine einzige Drohne konnte abgewehrt werden. Aktuelle Zahlen werden unter Verschluss gehalten.

Drohnen prägen die moderne Kriegsführung, von riesigen Aufklärungsdrohnen bis hin zu kleinen Kampfdrohnen. Nico Lange hat drei Jahre lang den Leitungsstab des Verteidigungsministeriums geführt. Für den Ernstfall brauche die Bundeswehr so schnell wie möglich modernste Drohnen in ausreichender Zahl.

Nico Lange, Militär-Experte
Nico Lange, Militär-Experte  | Bild: SWR

Nico Lange, Militär-Experte:
„Also die Bundeswehr hat so gut wie nichts und das ist wirklich vernachlässigbar, was da ist, wenn man es vergleicht mit der Kriegführung zwischen Russland und der Ukraine. Es gibt zwar Projekte, die laufen schon länger, wie zum Beispiel die Euro-Drohne, aber die sind weit davon entfernt fertig zu sein. Und man muss sich die Frage stellen, sind die technologisch überhaupt noch auf der Höhe der Zeit, sollten sie irgendwann mal fertig werden.“

Forderung nach kürzeren Entwicklungszyklen bei Drohnen


Die Euro-Drohne: Angestoßen 2015 von der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, ein Gemeinschaftsprojekt von vier EU-Staaten. Eine Aufklärungsdrohne, die man auch bewaffnen kann. Das Problem: Frühestens 2030 soll sie einsatzbereit sein.

Nico Lange, Militär-Experte Münchner Sicherheitskonferenz:
„Also die Zeit, wo man jahrelang plant und noch hier eine Spirale ranmacht und da noch und noch denkt, das könnte man noch machen und das. Und dann nach Jahren der Planung ein superkompliziertes Projekt in die Beschaffung gibt. Diese Zeiten müssen jetzt vorbei sein. 

Es muss sich also viel ändern in der Drohnenpolitik. Das hat auch der Verteidigungsminister erkannt. Jahrelange Planungszeiten könne man sich nicht mehr leisten.

Boris Pistorius, SPD, Bundesverteidigungsminister
Boris Pistorius, SPD, Bundesverteidigungsminister | Bild: SWR

Boris Pistorius, SPD (20.02.25), Bundesverteidigungsminister:
„Das wird bei Drohnen nicht funktionieren, weil die Entwicklungszyklen einfach zu schnell sind, zu kurz sind und sich ständig etwas technisch verändert, zum Beispiel mit Blick auf künstliche Intelligenz.“

Vergangene Woche hat der alte Bundestag die Schuldenbremse für die Aufrüstung gelockert. Damit sind auch höhere Investitionen in Drohnentechnik möglich. Neben Friedrich Merz saß Marcus Faber, der bisherige Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Er fordert, dass mit den neuen Milliarden gleichzeitig ein Umdenken in der gesamten Bundeswehr stattfinden müsse 

Marcus Faber, FDP, ehemaliger Vorsitzender Verteidigungsausschuss
Marcus Faber, FDP, ehemaliger Vorsitzender Verteidigungsausschuss | Bild: SWR

Marcus Faber, FDP, Ehemaliger Vorsitzender Verteidigungsausschuss:
„Die Bundeswehr ist noch lange nicht so weit, sondern es ist, glaube ich, immer noch die Mentalität: Man bildet die Ukrainer aus und nicht man lernt von den Ukrainern. Dieser Unterschied muss noch gemacht werden, andere Länder sind da weiter.“

Mittelständische Unternehmen setzen auf Drohnen-Aufrüstung

Laut vertraulichem Schreiben des Verteidigungsministeriums verfügte die Bundeswehr im vergangenen Jahr über insgesamt 618 Aufklärungsdrohnen, nur fünf Stück davon sind bewaffnungsfähig. Zum Vergleich: Die Ukraine hat 2024 laut eigenen Angaben mehr als 1 Million Drohnen angeschafft.

In Deutschland boomt derzeit eine Branche mit vielen neueren Rüstungsfirmen. Beispiel Quantum Systems aus Gilching bei München. Das Unternehmen stellt Aufklärungsdrohnen her, hat inzwischen eine eigene Produktion in der Ukraine. Co-Chef Sven Kruck hatte die Drohnen als erstes nach Asien, Südamerika und in diverse NATO-Staaten verkauft - bevor 2023 die Bundeswehr als neuer Kunde hinzukam.

Sven Kruck, Co-Vorstandsvorsitzender Quantum Systems
Sven Kruck, Co-Vorstandsvorsitzender Quantum Systems | Bild: SWR

Sven Kruck, Co-Vorstandsvorsitzender Quantum Systems:
„In der Zukunft werden wir mit Sicherheit dort 30 bis 40 Prozent von unbemannten Systemen auf dem Gefechtsfeld sehen. Also die Bundeswehr wie aber auch europäische und globale Streitkräfte müssen weg von den alten Pfaden der Beschaffung. Wir brauchen neue Pfade der Beschaffung, wir brauchen Schnelligkeit, wir brauchen Agilität.“

Die Drohnen-Aufrüstung der Bundeswehr: Eine schwierige Aufgabe für die neue Bundesregierung und den heute konstituierten Bundestag. Die Sorge: Zu lange Planungszeiten und zu viel Bürokratie.

Nico Lange, Militär-Experte:
“Man kann Milliarden eben auch versenken, das wissen wir ja. Ohne dass dabei was herauskommt, fände das ganz wichtig, technologisch nach vorn das Geld zu investieren, aber auch das völlig anders zu machen und das nicht einfach zu sagen, das machen die gleichen Leute im gleichen System wie immer, nur mit mehr Geld, das geht schief.“