Anzeigen wegen Behinderung von Betriebsräten häufig ohne Konsequenzen: Experten sehen Handlungsbedarf
Pressemitteilung vom 26.11.2024
In den meisten Fällen führen Anzeigen wegen Behinderung von Betriebsräten sowie die Anzeigen wegen Verhinderungen von Betriebsratswahlen zu keinem Gerichtsurteil. Das zeigen Recherchen von REPORT MAINZ. Das ARD-Politikmagazin hat eine nicht-repräsentative Umfrage bei über 100 Staatsanwaltschaften bundesweit durchgeführt.

Die Behinderung von Betriebsräten ist eine Straftat, geregelt unter Paragraf 119 des Betriebsverfassungsgesetzes. Der Gesetzgeber sieht Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr vor. Die Umfrage von REPORT MAINZ ergibt, dass die meisten solcher Anzeigen eingestellt werden. Nur in seltenen Fällen kommt es tatsächlich zu Verurteilungen. Von 80 Staatsanwaltschaften, die auf REPORT MAINZ-Anfrage antworteten, gibt mehr als die Hälfte an, dass seit 2018 Strafanzeigen wegen Verstoßes gegen Paragraf 119 Betriebsverfassungsgesetz vorlagen. Bei den rund 200 gemeldeten Fällen kam es nur sieben Mal zu einer Verurteilung. Als Gründe für die Einstellung der anderen Verfahren gaben viele Staatsanwaltschaften an, dass kein hinreichender Tatverdacht vorliege.
Umfrage bestätigt REPORT MAINZ-Recherchen
Eine im Herbst veröffentlichte nicht-repräsentative Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass sich Betriebsräte häufig durch ihren Arbeitgeber behindert fühlen, insbesondere bei Neugründungen. Die gewerkschaftsnahe Stiftung hat rund 130 Gewerkschaftsvertreter befragt. Fast die Hälfte der Befragten geben hier an, dass es bei Betriebsratswahlen zu Behinderungen kam. Durchgeführt hat die Studie der Soziologe Martin Behrens. Im Interview mit REPORT MAINZ sagt er: “Es ist krass. Es geht um das demokratische Grundrecht, einen Betriebsrat zu wählen.“ Er kritisiert, dass es seitens der Staatsanwaltschaften selten zu Anklagen komme. Die Folge sei, Betriebsräte würden das Vertrauen ins Rechtssystem verlieren: „Warum sollte jemand Strafantrag stellen, wenn bekannt ist, dass es in der Mehrzahl der Fälle zu nichts führt?“
Experten fordern Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften
Soziologe Martin Behrens und andere Wissenschaftler fordern seit Langem spezielle Schwerpunktstaatsanwaltschaften. Es sei wichtig, dass Fälle, die zum Strafantrag oder zur Anzeige kommen, auch systematisch und kompetent verfolgt würden, so Behrens. „Staatsanwaltschaften müssen in die Lage versetzt werden, sich mit diesen Straftaten aus dem Arbeitsrecht, die erst mal für sie weitestgehend fremd sind, kompetent auseinanderzusetzen. Und sie müssen Ressourcen haben.“ Auf Nachfrage von REPORT MAINZ teilen mehrere Bundesländer mit, dass sie angesichts der geringen Fallzahlen keinen Handlungsbedarf sehen. Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sieht keinen Handlungsbedarf. In einem Statement an REPORT MAINZ heißt es: „Die Zahlen der Staatsanwaltschaften sprechen eine klare Sprache: Deutschlandweit werden im Durchschnitt eines Jahres kaum Strafverfahren eröffnet.“