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Filmaufnahmen zu AfD-Veranstaltung: Staatsanwaltschaft Gießen stellt Ermittlungen gegen Journalisten aus Wetzlar ein
DJV begrüßt Entscheidung
Die Staatsanwaltschaft Gießen hat Ermittlungen gegen einen Journalisten aus Wetzlar (Hessen) eingestellt. Es sei gerechtfertigt gewesen, dass er am Rande einer AfD-Veranstaltung im vergangenen Jahr Filmaufnahmen erstellte und diese verbreitete.
Das geht aus einer siebenseitigen schriftlichen Begründung der Behörde hervor, die dem Südwestrundfunk (SWR) vorliegt. Zuerst hatte die „Gießener Allgemeine“ über die bereits Anfang April erfolgte und nun bekannt gewordene Einstellung des Verfahrens berichtet.
Der Journalist Joachim Schaefer, der einen Presseausweis besitzt und die Internet-Plattform „Hessencam“ betreibt, hatte im vergangenen August in Rabenau-Geilshausen (Hessen) auf offener Straße Teilnehmer einer AfD-Wahlkampfveranstaltung mit der Kamera interviewt und Ausschnitte daraus in sozialen Medien veröffentlicht. In einem der Interviews nannte sich ein Mann selbst "Nationalsozialist". Ein anderer bezeichnete einen örtlichen SPD-Abgeordneten, dessen Wahlkampfbus vor der Veranstaltungshalle Halt machte, als "Dr. Mengele", weil dieser der Impfpflicht zugestimmt habe.
Ermittlungen "von Amts wegen"
Nach Beschwerden einzelner Teilnehmer, die gefilmt worden waren, nahm die Staatsanwaltschaft Gießen Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Kunsturhebergesetz auf. Darin ist das Recht am eigenen Bild geregelt, wonach Bilder oder Videos von Personen grundsätzlich nur dann veröffentlicht werden dürfen, wenn diese ihr Einverständnis dazu gegeben haben. Das Vorgehen der Behörden hatte für Kritik gesorgt, weil die Polizei die Ermittlungen „von Amts wegen“ in Gang gebracht hatte und aktiv Kontakt zu möglichen Zeugen aufnahm. Bei den einschlägigen Straftatbeständen handelt es sich allerdings um so genannte Antragsdelikte. Demnach werden Ermittlungsbehörden erst dann tätig, wenn Betroffene aktiv eine Strafverfolgung beantragen.
Die Einstellung der Ermittlungen begründet die Staatsanwaltschaft Gießen nun mit einer Ausnahmeregelung im Kunsturhebergesetz. Demnach ist die Verbreitung von Aufnahmen aus dem Bereich der „Zeitgeschichte“ auch ohne Einwilligung der abgebildeten Personen erlaubt, wenn das Informationsinteresse der Allgemeinheit sowie die Presse- und Rundfunkfreiheit überwiegt.
Bei politischen Wahlkampfveranstaltungen sei das Informationsinteresse hoch, heißt es in dem Schreiben vom 5. April 2024. Dies könne auch für eine lokale Veranstaltung wie jene in Rabenau-Geilshausen gelten. Diese habe im Umfeld des Landtagswahlkampfs auch zu einer Gegendemonstration geführt. Zudem werde die AfD „in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert“. Die Dialoge, die Schaefer mit einigen Teilnehmern geführt habe, seien „nicht von Suggestion geprägt“ gewesen. Er selbst sei von einigen anderen Teilnehmern provoziert worden.
DJV: Fragwürdige Ermittlungen
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), der die Ermittlungen in der Vergangenheit kritisiert hatte, begrüßte die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf SWR-Anfrage: „Das Vorgehen der Ermittler war von Anfang an fragwürdig. Es ging nicht um das Filmen einer privaten Feier, sondern um eine Veranstaltung der AfD,“ heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft habe die Bedeutung genau richtig erkannt, nämlich als zeitgeschichtliches Ereignis.